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WÜRZBURG: Assyrischer Christ über die Situation seiner syrischen Verwandten

WÜRZBURG

Assyrischer Christ über die Situation seiner syrischen Verwandten

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    Ercan Ercan.
    Ercan Ercan.

    Ercan Ercan (55) stammt aus dem südosttürkischen, 50 Kilometer von Syrien entfernten Midyat. 1970 kam er nach Würzburg und lebt hier seit 1984 mit seiner in Syrien geborenen Frau Silva (48). Der Vater von fünf Töchtern arbeitet nach seiner Ausbildung zum Maschinenschlosser seit Mitte der 1980er Jahre als Fräser bei Koenig & Bauer. Seit 1993 ist der assyrische Christ Vorstandsvorsitzender der „Ostchristlichen Bruderschaft“, einer Vereinigung der christlichen Ostkirchen.

    Frage: Herr Ercan, welche Rolle spielt Syrien für Sie?

    Ercan Ercan: Syrien spielt für mich eine ganz wichtige Rolle, weil die assyrischen Christen zu einem großen Teil in Syrien leben und unser Patriarch in Damaskus sitzt. Außerdem habe ich 1983 bei einem Besuch meine Frau in Kamischli kennen gelernt. Das ist eine Stadt im Nordosten Syriens, unmittelbar an der Grenze zur Türkei. Neun Monate später, am 1. Mai 1984, haben wir in Kamischli geheiratet. Das war eine große Hochzeit mit 300 Gästen, die drei Tage gedauert hat.

    Und wo fühlen Sie sich zuhause? Sie leben ja jetzt schon mehrere Jahrzehnte in Deutschland ...

    Ercan: Heimat bleibt immer Heimat. Der Mensch sehnt sich immer nach dem, wo er entstanden ist. Deswegen bewegt uns auch das Schicksal der Menschen in Syrien, der Heimat meiner Frau, sehr.

    Die Konflikte in Syrien haben ja eine lange Vorgeschichte.

    Ercan: Ja, das stimmt. Wir, die assyrischen Christen, Aramäer oder Chaldäer, haben als Volk eine Vergangenheit von 6000 Jahren. Von circa 1975 bis 1995 sind viele Aramäer ausgewandert, weil wir nicht zwischen den Stühlen von Sunniten und Schiiten sitzen wollten. Insgesamt leben allein in Europa 350 000.

    Und wie haben Sie Kontakt zu Ihren Verwandten gehalten, die noch in Syrien leben?

    Ercan: Das erste Mal bin ich 1978 nach Kamischli gereist und habe dort meine vier Onkel besucht. Momentan lebt dort noch ein Cousin, mit dem ich telefoniere. Wir rufen unsere Verwandten an, denn das ist Trost und Halt für sie. Manchmal alle 14 Tage, manchmal einmal im Monat. Früher habe ich nur drei, vier Mal im Jahr telefoniert. Es gibt auch nicht so viel zu erzählen.

    Wieso? Was sagt denn Ihr Cousin zum aktuellen Konflikt?

    Ercan: Der sagt nichts. Absolut nichts. Er hat Angst. Genauso wie meine anderen Verwandten. Man muss sich aus den Gesprächen selbst zusammenreimen, was sie sagen wollen. Die erzählen: „Es geht uns verhältnismäßig gut.“ Sie können natürlich nicht sagen: „Es geht uns schlecht.“ Denn die Gespräche werden wahrscheinlich abgehört. Und deswegen muss man sehr genau auf die Zwischentöne hören. Der Cousin meiner Frau ist Professor für Agrarwissenschaft an der Universität Damaskus. Wenn ich ihn frage: „Habt Ihr genug zu essen?“ sagt er: „Wir kommen über die Runden.“ Teuer einkaufen, heißt das. Die Inflation ist in den letzten Jahren rasant angestiegen.

    Haben Sie Ihre Verwandten denn nie gefragt, wie es ihnen wirklich geht?

    Ercan: Sicher. „Wie ist es denn bei Euch“, habe ich schon 2002 den Professor für Agrarwissenschaft bei einem seiner Deutschlandbesuche gefragt. „Geht uns ganz gut“, war seine Antwort. Auf mein „Lügst Du?“ kam nur: „Was soll ich sagen? Wir haben Angst.“

    Wurden Ihre Verwandten denn auch direkt bedroht?

    Ercan: Ja, ein Verwandter meiner Frau wurde im Juli 2012 entführt. Der Schwager der Schwester meiner Frau arbeitet als praktischer Arzt in Aleppo und wurde auf dem Weg zur Arbeit entführt. Ich denke, es waren Rebellen. Die Entführer haben 24 000 Euro Lösegeld verlangt und uns ein Ultimatum von zwei Tagen gestellt. Unser Verwandter kam dann zwar dank seiner leiblichen Brüder, die in Schweden leben, frei, ist aber jetzt völlig verwirrt und musste zur psychiatrischen Behandlung nach Schweden. Dort ist er immer noch. Und man hat Angst, wenn vor der Haustüre eine Bombe explodiert. Meine Tante wohnt im Stadtzentrum von Damaskus, am George-Khouri-Platz. Dort leben vor allem Christen und vor einem Jahr ist nur 200 Meter von ihrem Haus eine Bombe hochgegangen. Wenn sie die Möglichkeit hätte, würde sie auswandern.

    Und was sagen Sie zur aktuellen Debatte über das Eingreifen der USA in Syrien?

    Ercan: Wir Christen wollen keinen Krieg, denn wir sind immer die Leidtragenden – egal zu wem wir halten. Außerdem kam das Giftgas nicht von Assad. Die Kartuschen kamen aus Saudi-Arabien – das hat meine Frau in einem arabischen Fernsehsender gesehen: „Hergestellt in Saudi-Arabien“.

    Friedensgottesdienst für Syrien

    Ein ökumenische Gottesdienst für Syrien im Dom beginnt um 19 Uhr. Weiteres Programm: 20 Uhr Gebetswache mit der Gemeinschaft Sant' Egidio, 21 Uhr Gebetswache mit Nightfever, 22.30 Uhr Abschlussgebet

    Die Liturgie gestalten Dekan Jürgen Vorndran, Dekanin Edda Weise, Subdiakon Isa Yamah (Syrisch-Orthodoxe Gemeinde Würzburg), Matthias Leineweber (Sant' Egidio), Pfarrer Christoph Lezuo (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Würzburg). Predigt: Burkard Hose (Katholische Studentengemeinde Würzburg). Der St. Lioba-Chor unter Leitung von Beate Wagner trägt Lieder aus Taizé vor.

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