Los geht's an der Oldie-Bank an der alten Fuchsstadter Straße, dort wo einstmals auch die Steinhauerindustrie der Gemeinde ihren Anfang nahm. Ein gar nicht so altes Gewerbe sei die Steinhauerei. Erst um 1850 begann man in Winterhausen damit, erzählt der Vorsitzende des Vereins für Ortsgeschichte, der sehr viel darüber gelesen hat.
Vor dieser Zeit gab es nur einen gemeindeeigenen Steinbruch. „Wenn ein Bürger geheiratet hat, ging er mit seinem Baumeister in diesen Steinbruch, suchte sich die Steine aus und konnte sich damit ein Haus bauen. Die Steine waren kostenlos“, sagt Luksch. Einzig am Dreiländereck habe es schon im 16. Jahrhundert einen Steinbruch gegeben, aus dem nachweislich Steine für die alte Mainbrücke in Würzburg kamen.
1852 zog Andreas Zapf mit seiner Familie nach Winterhausen und kaufte scheinbar - sicher sei das nicht belegt – ein riesiges Areal von der alten Fuchsstadter Straße bis zum Neuen Berg, erläutert Luksch. In zwei Steinbrüchen begann Zapf, Steine abzubauen. 1906 kam dann das erste große Steinwerk, die Firma Vetter, in den Ort. 1915 verkaufte Zapf seine Steinbrüche an Vetter, weil der Besitzer im Ersten Weltkrieg erblindete und seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte.
Auch in die Geologie und die Entstehung des Muschelkalks gibt Luksch einen Einblick. „Wir stehen hier auf dem Grund eines Meeres, das es vor rund 240 Millionen Jahren gab, da war das Wasser noch ein paar hundert Meter über uns“, erklärt er. Und als das Triasmeer verschwand, bildete sich wegen des hohen Kalkgehaltes von Muscheln und Schalentieren der mainfränkische Muschelkalk.
Durch eine besondere Meeresströmung und die Verkittung mit Kalkschlamm seien besonders dicke Kalkbänke entstanden, die heute als Quaderkalk bekannt sind, ergänzt Günther Maak. In einem alten Steinbruch der Familie Zapf sieht man heute noch die drei Meter hohen Quader, die vor rund 100 Jahren nicht mehr abgebrochen wurden. Der Quaderkalk sei für Werkstein besonders wertvoll, weil er sehr fest ist und man ihn am Stück verarbeiten kann. Der normale Muschelkalk hingegen sei sehr porös und tauge nur für Schotter.
Aus Winterhäuser Steinen entstanden Bauwerke in ganz Deutschland, die Eisenbahnbrücke in Heidingsfeld und Ingolstadt, Rathaus und Bahnhof in Dresden und Leipzig und die Sieben-Isar-Brücken in München. Die wurden von der Firma Zapf mit eigenen Leuten gebaut, bis zu einem Lohn-Streik der Arbeiter, der 111 Tage lang ging. Bei der Brücke fehlten nur noch die Schlusssteine, so musste Zapf sich andere Leute für „teures Geld“ besorgen, dass „ihm sei Brückle net eig'falle is“, erzählt Luksch.
An zwei Brückenköpfen der ehemaligen Lorenbahn machen wir Station. „Diese Pfeiler wurden gebaut, damit oben die Loren mit dem Abraum auf Schienen und unten durch die Fuhrwerke mit den Nutzsteinen fahren konnten“, erklärt der Hobbyhistoriker. 1954 sei diese Bahn noch aktiv gewesen, erinnert sich Robert Dürr, der 60 Jahre im Steinbruch arbeitete. Von einer Plattform unweit der alten steinernen Pfosten hat man einen wunderbaren Blick auf Winterhausen und das gesamte Maintal.
In einem aktiven Steinbruch der Firma Seubert demonstriert Matthias Hörner, wie heute Quaderkalk abgebaut wird. „Hier hat man wenig Abraum über dem Werkstein und damit weniger Arbeit“, sagt er. Der Nachteil aber sei, der Stein sei weniger geschützt und damit anfälliger für Bruch. Aus dem brüchigen Stein lasse sich immerhin noch Mauer-, Pflastersteine und Schotter machen.
Auch wenn heute die Quader nicht mehr so groß seien, in der Vergangenheit habe es durchaus bessere Zeiten mit richtig großen „Goldsteinen“ gegeben, sagt Hörner, der 1987 beim Steinwerk Winterhelt in Winterhausen seine Lehre begann. In der Idylle eines alten romantischen Steinbruchs am Neuberg endet die mit Wissen vollgepackte Wanderung bei Winterhäuser Nussbrot und Wein.