Jeder hat nun ein eigenes Zimmer, eine eigene Dusche und ein eigenes WC, es gibt großzügige Therapieräume und eine super ausgestattete Küche: Vom neuen Agnes-Sapper-Haus profitieren Mitarbeiter und Bewohner. Im Juli zog die Einrichtung der Würzburger Diakonie vom langjährigen Domizil in der Friedenstraße in einen Neubau in die Huttenstraße, wo bis zu 25 chronisch seelisch kranke Menschen rehabilitiert werden. Vor kurzem wurden die neuen Räume eingeweiht, heißt es in einer Pressemitteilung.
Viktor Ziegler kam kurz vor dem Umzug ins Agnes-Sapper-Haus. Er kennt die alten Gegebenheiten und weiß die neuen Räumlichkeiten umso mehr zu schätzen. Vor allem die Küche hat es dem 25-Jährigen angetan: „Die ist einfach ein Traum.“
Gerade ist Viktor dabei, Zucchini zu schneiden. Hauswirtschaftsmeisterin Margarete Klinger zeigte ihm, welches Messer dafür am besten geeignet ist und welche Teile der Zucchini verwendet werden können. Rasch zerkleinert Viktor das Gemüse für den abendlichen Kartoffelauflauf.
Ein Außenstehender würde dem sympathischen jungen Mann nicht ansehen, dass er in einer tiefen Krise steckte. Doch Ziegler, der weitgehend ohne Eltern aufwuchs, hat Schlimmes hinter sich. Zwar schaffte er die Realschule. Danach brachte er keinen Fuß mehr auf den Boden. „Ich begann verschiedene Schulen, doch ich brach immer wieder ab“, erzählt er. Monatelang verkroch er sich. Tat alles, um sich nicht mit dem Leben draußen konfrontieren zu müssen. Das Zimmer vermüllte. Er verwahrloste: „Es war Chaos pur.“
Seit Viktor Ziegler im Agnes-Sapper-Haus lebt, geht es ihm wesentlich besser. Er weiß wieder, wofür er aufsteht. Fühlt sich eingebettet, gestützt und gefördert. „Sogar neue berufliche Perspektiven entwickeln sich“, so der Rehabilitand. Vor allem durch die Ergotherapie kristallisierten sich bisher ungeahnte Talente heraus. So bewies er Geschick im Umgang mit elektronischen Geräten. In diese Richtung geht nun seine Suche nach einem Beruf. Sein Zimmer in Ordnung zu halten, fällt ihm nicht mehr schwer: „Meistens ist es blitzblank.“ Sogar eine Freundin hat der 25-Jährige gefunden. Was für ihn das Allerschönste an seinem Neustart ist.
Das Agnes-Sapper-Haus ist eine Übergangseinrichtung für Menschen, die ihr eigenes Leben aufgrund seelischer Schwierigkeiten nicht mehr im Griff haben. „Immer jüngere Klienten kommen zu uns“, sagt Udo Hafner vom Leitungsteam. Die jüngsten sind gerade einmal 20. Fast alle Bewohner waren schon einmal in einer psychiatrischen Klinik. Manche haben ein Dutzend Psychiatrieaufenthalte hinter sich.
„Im Durchschnitt bleiben die Bewohner drei Jahre“, erläutert Einrichtungsleiter Arthur Hentschel. Wobei die Aufenthaltsdauer stark schwankt. Es gibt Männer und Frauen, die bis zu fünf Jahre zur Stabilisierung brauchen. Auch Viktor Ziegler weiß, dass er noch eine Weile im Agnes-Sapper-Haus leben wird: „Mindestens noch ein halbes Jahr.“ Zwar hat er bereits immense Fortschritte gemacht. Doch er bewegt sich ja immer in einem sicheren Raum. Wie wird es sein, wenn er plötzlich ganz auf sich alleine gestellt ist? Wenn er sich wieder jeden Tag alleine motivieren und aufraffen muss?
„So weit bin ich noch nicht“, weiß der junge Mann, der in den vergangenen Monaten gelernt hat, seine Stärken und Schwächen einzuschätzen. Noch lauern in ihm alte Strukturen, die drohen, das, was er sich aufgebaut hat, wieder einstürzen zu lassen. Erst, wenn er ganz sicher ist, dass er sich auf sich selbst verlassen kann, möchte Viktor Ziegler aus dem Agnes-Sapper-Haus ziehen.
Die letzte Phase der Rehabilitation wird er in einer neuen Wohngruppe unterm Dach des Agnes-Sapper-Hauses verbringen. Vier Menschen leben hier mit weniger fremder Hilfe deutlich selbstständiger als in den anderen Wohngruppen des Hauses zusammen. Zwar wissen sie, dass sie jederzeit um Unterstützung ein Stockwerk weiter unten nachfragen können. Doch zunächst sind sie mehr auf sich gestellt. Genauso, wie es in Kürze auch draußen der Fall sein wird.