Wer künftig am Hauptbahnhof auf seinen Zug warten muss, kann sich die Zeit nicht mit einer warmen Mahlzeit verknüpfen: Die „Bürgerstuben“ schließen heute. Damit gibt es im Bahnhof seit seiner Eröffnung 1953 zum ersten Mal kein Speiserestaurant mehr. „Ein weiterer Schritt zum Niedergang dieses Bahnhofs“, kommentiert ein Leser, der von einem Schild in der Eingangstür über die Schließung informiert wurde.
„Uns wurde von der Bahn im Oktober vergangenen Jahres gekündigt“, erklärt die Pressesprecherin des Pächters, SSP Deutschland GmbH, Ellen Maldaner-Münst, die Schließung des Restaurants. SSP hat 2006 die Bahnhofsgastronomie übernommen, nachdem die Bahn ihren Eigenbetrieb Mitropa verkauft hatte.
SSP ist in 23 Ländern in Bahnhöfen, Flughäfen und Raststätten vertreten. Im Würzburger Bahnhof betreibt die SSP weiterhin den Fischstand Gosch Sylt, den Sandwich-Verkauf Upper Crust, den Backwaren-Shop und den Supermarkt.
Die Kündigung des Pachtvertrages erklärt die Bahn mit der geplanten Renovierung des Bahnhofs. Da das gemeinsam von der Stadt, dem Arcaden-Investor mfi und der Bahn voran getriebene Bahnhofsprojekt die Renovierung der Empfangshalle in Aussicht stellte, habe man vorsorglich allen Pächtern am Bahnhof gekündigt. Nachdem mit dem Nein im Bürgerentscheid die Renovierung erst einmal in die Ferne gerückt ist, ist den Pächtern laut Bahn mitgeteilt worden, dass sie ihre Geschäfte bis zum Umbau weiterführen können.
Warum SSP dieses Angebot zur Weiterführung des Bahnhofsrestaurants nicht angenommen hat, erklärte SSP-Sprecherin Maldaner-Münst trotz Nachfrage nicht. Auch die Bahn schweigt: „Über Geschäftsinterna geben wir keine Auskunft“, erklärt Sprecherin Antje Bittner.
„Mit der Privatisierung waren die guten Zeiten des Lokals vorbei“
Ehemaliger Kellner
Jedenfalls wolle die Bahn jetzt einen neuen Pächter suchen „und gemeinsam mit diesem Möglichkeiten für einen zeitgemäßen Umbau zu entwickeln“, so die Sprecherin. Wann das Bahnhofsrestaurant wieder aufmacht, kann Antje Bittner nicht sagen, aber klar sei: „Wir warten nicht damit, bis die Empfangshalle umgebaut wird.“ Den Serviceverlust für die Reisenden hält sie für vertretbar: „Es gibt ja noch andere Angebote in der Halle.“
Betroffen sind von der Schließung elf Mitarbeiter. Für sie gibt es laut SSP einen Sozialplan. „Die SSP hat die Gaststätte runterkommen lassen“, erklärt ein früherer Mitarbeiter gegenüber der MAIN-POST. Als er in 50er Jahren in der Bahnhofsgaststätte bediente, trug er einen Frack und servierte auf silbernen Tabletts – die Gäste waren noch nach erster und zweiter Klasse getrennt.
Auch in den 60er Jahren gab es bei „Ziegler und Betz“ rund um die Uhr gepflegte Speisekultur. 1974 übernahm eine Tochter der Bahn, die Deutsche Speise- und Schlafwagen-Gesellschaft (DSSG) das Restaurant, bis die Bahn ihren Gastronomiebereich 2004 privatisierte. „Damit waren die guten Zeiten des Lokals zu Ende“, bedauert der frühere Kellner.