Die 45-Jährige ist Klientin des sozialpsychiatrischen Tageszentrums des Bayerischen Roten Kreuzes in Würzburg. Diese teilstationäre Einrichtung wird von Menschen mit psychischen Erkrankungen aus Stadt und Landkreis Würzburg besucht. Teilweise handelt es sich um Menschen, die bereits seit ihrer Jugend krank sind, manche Besucher des Zentrums erkrankten auch erst als Erwachsene an einer Schizophrenie oder Psychose.
Aufgrund ihrer Erkrankung können sie keiner regelmäßigen Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt mehr nachgehen.
In dem vor neun Jahren gegründeten Tageszentrum erhalten die chronisch seelisch Kranken eine feste Tagesstruktur. Durch das regelmäßige Tagesprogramm soll sich der Gesundheitszustand der Betroffenen stabilisieren, erklärte die Einrichtungsleiterin Sabine Stahl.
Die 25 Besucherinnen und Besucher des Tageszentrums trainieren lebenspraktische Fähigkeiten ein. Sie lernen kochen, einkaufen oder Behördengänge erledigen. Unter Anleitung einer Ergotherapeutin töpfern sie oder flechten Körbe, in ihrer Freizeit treiben sie zusammen Sport oder musizieren miteinander.
Zwei Stunden am Tag wird in einem Zuverdienstprojekt gearbeitet. Drei Euro erhalten die seelisch chronisch Kranken dafür. Ihre Beschäftigung besteht darin, Ölstandsanzeiger für eine Kooperationsfirma zusammenzubauen. Eine meist langweilige Arbeit, wie Andreas zugibt: "Um so mehr freue ich mich, wenn ich montags auf den Bauernhof fahren kann."
In der Pause wird gezeichnet
Für Andreas ist es nicht nur lustvoll, sich auf dem Bauernhof "abzureagieren", er findet die Atmosphäre auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Inge Veeh auch überaus inspirierend. In den Pausen zwischen den Arbeiten zückt er seinen Skizzenblock und zeichnet. Vor allem die Pferde auf dem Bauernhof haben es dem Künstler angetan.
Im April feierte das "Projekt Bauernhof" des BRK-Tageszentrums für seelische und soziale Gesundheit zweiten Geburtstag. Das erste Jahr war sowohl für die Projektteilnehmer als auch für Biobäuerin Inge Veeh anstrengend. Inzwischen jedoch möchte Veeh die sechs Männer und Frauen, die zusammen mit dem Projektleiter Tobias Römmelt jeden Montag zu ihr kommen, nicht mehr missen.
Das dritte Bauernhof-Jahr begann Anfang März damit, dass die Projektteilnehmer Veehs Hecken schnitten. "Alleine hätte ich für diese Arbeit mehrere Tage gebraucht", so die Biolandwirtin, in der Gruppe war das Heckenschneiden ruckzuck erledigt. Die drei Euro Stundenlohn, die Veeh den psychisch Erkrankten für das Garten umgraben, Unkrautjäten oder Kompost umsetzen zahlt, lohnen sich auch für sie: "Mittlerweile kennen sich alle Projektteilnehmer auf dem Bauernhof gut aus und arbeiten tüchtig mit."
Nach Aussage von Sabine Stahl, der Initiatorin des Projekts, waren alle Projektbeteiligten überrascht, wie positiv sich die psychisch kranken Klienten des Tageszentrums durch die Arbeit auf dem Biobauernhof veränderten. Allein die Tatsache, dass die von Psychosen, Ängsten, Antriebs- und Mutlosigkeit, Zwangsvorstellungen, Sinnkrisen und Depressionen geplagten Besucher des Zentrums jeden Montag pünktlich "auf der Matte stehen", um gemeinsam auf den Bauernhof zu fahren, wertete die Einrichtungsleiterin als kleine Sensation.
Das BRK-Tageszentrum ist auf der Suche nach weiteren Bauernhöfen, die seelisch Erkrankten eine Zuver- dienstmöglichkeit eröffnen wollen. Wer Interesse an dem Projekt hat, kann sich unter Tel. (09 31) 7 97 88 21 an Sabine Stahl wenden.