Als Harmit mit elf Jahren in das Blindeninstitut kam, konnte sie sich kaum mit anderen Menschen unterhalten. Sie konnte nicht lesen, schreiben oder rechnen. Heute beherrscht die Jugendliche, die vollständig taub und blind ist, die Gebärdensprache aus dem Effeff. Der Umgang mit der Brailleschreibmaschine bereitet ihr keine Probleme. Noch sechs Jahre wird die heute 17-Jährige im Blindeninstitut lernen. Ab nächstem Schuljahr unter deutlich besseren Bedingungen.
28 taubblinde Kinder und Jugendliche aus Nordbayern, Hessen und Baden-Württemberg werden derzeit im Blindeninstitut gefördert. Vor mehr als 30 Jahren begann die Abteilung für Taubblinde mit ihrer Arbeit. Heute ist das „Blindi“ nach Hannover und Potsdam die deutschlandweit drittgrößte Einrichtung für junge Menschen, die taub, blind und häufig auch körperlich und geistig behindert zur Welt kamen.
Leitsysteme, Handläufe und unterschiedlich strukturierte Böden helfen den Taubblinden, in ihrem Alltag klarzukommen. Ziel ist ein möglichst eigenständiges Leben durch taktile Hilfsmittel. Die 30 Jahre alten Räume, in denen die Kinder und Jugendlichen bis vor kurzem von zehn Lehrkräften unterrichtet wurden, ermöglichten keine optimale Förderung mehr. Das Blindeninstitut entschloss sich deshalb zu einer Generalsanierung. Vier Millionen Euro wird es kosten, die Abteilung für Taubblinde umzubauen, zu erweitern und neu einzurichten. „Die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen wird sich dadurch deutlich verbessern“, hebt Abteilungsleiterin Jutta Wiese hevor.
So werden Harmit und ihre Mitschüler nach dem Umzug erstmals ein eigenes Musikzimmer haben. Musik für Menschen, die nichts hören können? „Wir haben viele Instrumente, durch die sie die Musik per Vibration erspüren“, erklärt Wiese.
Auch wenn die Kinder und Jugendlichen dadurch nicht den vollen Musikgenuss erhalten: Für sie ist es wichtig, möglichst viele sinnliche Reize jenseits von Sehen und Hören zu bekommen. Wiese: „Das schlimmste für Menschen, die taub und blind sind, ist die Isolation.“ Wird die zu groß, kommen zur Sinnesbehinderung schnell seelische Krankheiten.
„Wie ist dein Name?“, fragt Harmit, die von einer ihr noch fremden Mitarbeiterin des Blindeninstituts Besuch bekommen hat, mit ihren Händen. In einer unglaublichen Geschwindigkeit „wirft“ sie mit Gebärden um sich, gern erzählt sie von sich. Und gern erfährt sie mehr von anderen. Kommunizieren ist für Harmit sichtlich eine Quelle des Glücks. So strahlt sie, wenn sie von ihren Lernfortschritten erzählt. Oder an der Schreibmaschine demonstriert, wie gut sie inzwischen Briefe verfassen kann. Jeden Tag bekommt Harmit neue Aufgaben von ihren Lehrern gestellt.
Ein Freundschaftsweg aus Platten mit Handabdrücken von Spendern wird bald vom Eingang des Blindeninstituts zum Taubblindenhaus führen. Mehrere Platten existieren bereits, weitere sollen gestaltet werden – denn die Einrichtung braucht noch Geld für die Generalsanierung. Mehr als eine Million Euro müssen an Eigenmitteln zugeschossen werden. Ein Viertel dieser Summe ist noch offen.