Einsamkeit, Konflikte in der Partnerschaft, Sinnfragen - die Probleme der Menschen, die bei der Telefonseelsorge anrufen, sind seit Jahrzehnten ähnlich. "Technisch jedoch ist eine Menge anders geworden", sagt Angelika Pfefferkorn, die sich vor fast 40 Jahren zur Telefonseelsorgerin ausbilden ließ. Damals machte man sich nach einem Anruf kurz handschriftliche Notizen. Später hielten die Schreibmaschine und, noch viel später, der Computer Einzug. Seit Jahresbeginn bietet die Telefonseelsorge Chats an.
Urgestein der Telefonseelsorge
Angelika Pfefferkorn, die Ende des Monats aus dem hauptamtlichen Dienst ausscheiden wird, ist ein Urgestein der Telefonseelsorge. Als Studentin kam sie in das Team, um ein Praktikum abzuleisten. Vor 33 Jahren stieg die Schweinfurterin hauptamtlich in den Dienst ein. An der hohen Qualität der Arbeit hat sich seither nichts geändert: Wer bei der Telefonseelsorge mithelfen möchte, wird gründlich ausgebildet. In puncto Quantität hingegen gab es gravierende Veränderungen. 1981, im Jahr von Pfefferkorns Praktikum, registrierte die Telefonseelsorge knapp 9700 Anrufe. Im letzten Jahr waren es fast 17500.
Noch etwas fällt Pfefferkorn im Rückblick auf: Zu jenen "altbekannten" Ratsuchenden, die akut in einer Krise stecken, etwa nach der Diagnose einer schlimmen Krankheit, kommen heute immer mehr Daueranrufer. Eine Frau zum Beispiel ruft jeden Morgen gegen 7 Uhr an. "Sie hat um diese Zeit schon den ersten Einkauf hinter sich", so Pfefferkorn. Heimkommen, die Brötchentüte auf den Tisch legen, die Jacke ausziehen und dann die Nummer der Telefonseelsorge wählen, gehört zu ihrem täglichen Ritual.
Chats bei jungen Leuten sehr beliebt
Undenkbar war und ist die Arbeit ohne die vielen ehrenamtlichen Seelsorger. 64 Frauen und 21 Männer übernehmen im Moment Dienste. Angelika Pfefferkorn hat vor, sich dem Freiwilligen-Team nach ihrem Ruhestand anzuschließen. Vor allem möchte sie, was sie bisher noch nicht getan hat, in die Chat-Beratung einsteigen. Seit Januar ist es möglich, Probleme auch in etwa einstündigen Chats zu besprechen.
"Wir bieten derzeit ein bis zwei Termine in der Woche an", erläutert Pfefferkorns Kollegin Ruth Belzner, Leiterin der Würzburger Telefonseelsorge. Das neue Format ist begehrt: Sowie ein Termin veröffentlich wird, ist er auch schon reserviert. Rund 120 Chats fanden bisher statt. Meist sind es jüngere Menschen, die lieber schreiben als reden. Bereits Kinder wenden sich vereinzelt an die Chat-Seelsorger. Beim Gros derjenigen, die lieber chatten als anrufen, handelt es sich um Twens. Menschen jenseits des 50. Lebensjahres tummeln sich noch selten im Chatroom. In dieser Altersgruppe ist das Telefon das Medium der Wahl.
Im Chat geht es schnell zur Sache
Jeder Telefonseelsorger ist durch seine Ausbildung grundsätzlich geeignet, auch via Chat zu beraten, so Belzner: "Denn die Haltung, mit der wir den Menschen gegenübertreten, bleibt ja dieselbe." Dennoch gibt es einige Besonderheiten. Eine Stunde lang zu lesen und zu schreiben, ist viel anstrengender, als zu telefonieren. Chat-Seelsorger müssen lernen, sich sehr knapp zu fassen. Die Ratsuchenden kommen ihrerseits meist sehr schnell zur Sache: "Oft wird schon im zweiten Satz das Problem benannt."
Die Themen sind bei chattenden Ratsuchenden oft noch existenzieller als bei Anrufern. So schrieb kürzlich eine minderjährige Jugendliche, die von ihrem Vater schwanger war. Ihre Verzweiflung versteckte die junge Frau in einer fast sachlich klingenden Frage: "Muss ich denn angeben, wer der Vater ist?"
Chat und Telefon bald gleichberechtigt
Die Chat-Seelsorge wird im kommenden Jahr weiter ausgebaut, so dass es wahrscheinlich zwei- bis dreimal in der Woche möglich sein wird, virtuell mit den haupt- und ehrenamtlichen Telefonseelsorgern zu kommunizieren. Die Erweiterung wird die telefonische Seelsorge jedoch nicht schmälern. Denn nach wie vor gibt es viele Menschen, die das persönliche Gespräch brauchen. Nicht selten täglich. Oder sogar zweimal am Tag, "Man kann es sich kaum vorstellen, aber diese Menschen haben wirklich niemanden sonst, mit dem sie reden können, weder Familienmitglieder noch jemanden in der Nachbarschaft", so Pfefferkorn.
In naher Zukunft werden wahrscheinlich beide Kommunikationsmöglichkeiten gleichberechtigt nebeneinander stehen, schätzt Belzner. Fast jeder Telefonseelsorger wird dann auch Chats anbieten. Noch gibt es im aktuellen Team mehrere Ehrenamtliche, die sich das für sich selbst nicht vorstellen können. Aber so war das auch vor zwanzig Jahren, als der erste Computer ins Dienstzimmer kam. Heute käme kein Ehrenamtlicher mehr auf die Idee, Gesprächsnotizen für die Besprechungen im Team handschriftlich festzuhalten.
Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter 0800-1110111 zu erreichen. Chat-Termine können über https://chat.telefonseelsorge.org/index.php?do=termin reserviert werden.