Der Gedenkraum zur Zerstörung Würzburgs im Grafeneckart ist geschlossen. „Er war nicht mehr auf der Höhe der Zeit und unansehnlich geworden“, sagt Kulturreferent Muchtar Al Ghusain. Daher wird sowohl baulich als auch inhaltlich daran gearbeitet. „Moment mal“, sagt FDP-Stadtrat Karl Graf. Wann war denn dieses Thema jemals im Stadtrat, wann wurde diskutiert und wann beschlossen? Seine Anfrage bei OB Georg Rosenthal im Stadtrat fand Gehör und jetzt wird – während die Maßnahme schon längst läuft – am Dienstag im Kulturausschuss darüber debattiert.
Al Ghusain setzte sich bei der Sitzung vor wenigen Tagen, als die Anfrage kam, zur Wehr. Das Thema Erinnerungskultur und Gedenkraum sei mehrfach im Kulturbeirat diskutiert worden. Für das Konzept habe er nur Zustimmung erhalten und in den Haushaltsberatungen im November seien doch 36 000 Euro für die Umgestaltung eingestellt worden.
„Der Kulturbeirat ist das Lieblingsgremium von Al Ghusain“, kontert Graf. Der Beirat hat nur beratende Funktion für den Stadtrat, dort sitzen freie Kulturträger und Stadträte. Nach Grafs Ansicht finden da Themen statt, die dort nichts zu suchen haben, wie beispielsweise auch die Kritik des bayerischen Rechnungshofes am Mainfranken Theater. Die baulichen Veränderungen und eine komplett neue Erinnerungskultur im Gedenkraum müssten aber doch im Stadtrat diskutiert werden.
„Im Kulturbeirat finden Themen statt, die dort nichts zu suchen haben.“
Karl Graf FDP-Stadtrat
Schließlich sei der Stadtrat der Souverän und nicht die Verwaltung, wettert der FDP-Mann. Und dass das Thema bei den vielen Einzelpunkten im Haushalt richtig bekannt geworden ist, hält Graf für eine reine Schutzbehauptung.
Der Kulturreferent wundert sich über die Vorwürfe, hat er doch Graf selbst auch im Kulturbeirat gesehen. Nach der dortigen Resonanz sah er keinen Grund mehr, sich Rückendeckung vom Stadtrat zu holen. Seit Ende der 80er Jahre gibt es den Gedenkraum nun schon mit Text- und Bildtafeln und dem Stadtmodell des zerstörten Würzburg. Im Kulturbericht 2010 erläutert Al Ghusain sein Konzept: „Es ist die Aufgabe unserer Generation, die nationalsozialistische Vergangenheit der Stadt aufzuarbeiten und, wo nötig, unmissverständlich Stellung zu beziehen. Die Gedenkkultur war über viele Jahre vom Gedenken an die Zerstörung Würzburgs geprägt. Dies ist und bleibt richtig und notwendig. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass diese Zerstörung im verbrecherischen System der deutschen Nationalsozialisten ihre Ursache hatte.“
Die Tafeln sind noch nicht der Öffentlichkeit vorgestellt worden und dennoch gibt es schon Kritik an einer: Die Tafel „Im Krieg – sichere Stadt?“ enthält laut CSU-Stadtrat Willi Dürrnagel folgenden Satz: „Wieder andere glaubten, der britische Premierminister Winston Churchill habe in Würzburg studiert, habe hier sogar ein uneheliches Kind und sei persönlich mit Bischof Matthias Ehrenfried befreundet. Nichts davon traf zu . . .“ Für den Stadtrat und weitere Kollegen sollte diese Aussage unter der Rubrik „Klatsch und Tratsch“ stehen, aber nicht auf einer Gedenktafel. Sie wollen sie entfernt wissen.
Der Kulturreferent steht hinter den neuen Tafeltexten. Sie bewegten sich auf hohem wissenschaftlichem Niveau. Unter anderem wäre die Stadt von fünf Uni-Professoren beraten worden. Dennoch will Al Ghusain beim Thema Churchill nachbessern. Der Spruch sei gewählt worden, um zu zeigen, an welche Gerüchte sich die Würzburger klammerten, um glauben zu können, die Engländer würden ihre Bomber weiterschicken. Wenn Churchill schon ein Kind hier hat . . . Nun heißt es auf der Tafel so: „Angesichts der unzureichenden Würzburger Vorbereitungen auf den Luftkrieg klammerten sich manche an unsinnige Gerüchte, wonach der britische Premierminister Winston Churchill in Würzburg studiert habe, sogar ein uneheliches Kind habe und persönlich mit dem Bischof befreundet war. Nichts davon traf zu . . .“
Die 16 Stadtratsmitglieder des Kulturausschusses plus ein Bürgermeister können sich nun am Dienstag ab 15 Uhr im Wappensaal mit dem Konzept befassen und einen Vorschlag für die Stadtratssitzung am 24. Februar erarbeiten. Dann entscheiden 50 Stadtväter und -frauen über den Gedenkraum. Wie hatte es Rosenthal vor einigen Tagen sinngemäß formuliert: Wenn es andere Vorstellungen gibt, könnte es auch sein, dass der Gedenkraum am 16. März noch nicht fertig ist und einmal geschlossen bleibt.