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WÜRZBURG: Damit Süchtige die Kurve kriegen

WÜRZBURG

Damit Süchtige die Kurve kriegen

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    Sicher verwahrt: In Rainer Schohes Supra-Praxis steht die Flasche mit Methadon in einem alten Stahlkassenschrank.
    Sicher verwahrt: In Rainer Schohes Supra-Praxis steht die Flasche mit Methadon in einem alten Stahlkassenschrank. Foto: Foto: Pat Christ

    Hier bekommen Süchtige nicht nur Medikamente, sondern auch Impulse für ein Leben mit weniger Drogen: 35 Opiatabhängige werden seit Juli in der kurz „Supra“ genannten „Substitutionsambulanz Rüdigerstraße“ behandelt. Der jüngste Patient ist 19, der älteste 62 Jahre alt. Das Projekt geht auf die Initiative von zwei Männern zurück: Dem Würzburger Allgemeinarzt Dr. Rainer Schohe, der seit acht Jahren Opiatabhängige substituiert, und Siegfried Scheidereiter vom Würzburger Sozialreferat.

    Nicht selten sind es Mütter mit kleinen Kindern, die sich bei Supra mit einem Ersatzstoff behandeln lassen. Mitunter sind auch beide Elternteile drogensüchtig. „Angebote für Eltern sollen ein Schwerpunkt der Ambulanz werden“, verrät Holger Faust, Leiter der Würzburger Jugend- und Drogenberatungsstelle. Drei Mitarbeiter der städtischen Einrichtung kooperieren bei Supra eng mit den beiden Ärzten Dr. Rainer Schohe und Franz Lukas. An Wochentagen sind die Drogenberater täglich zwei Stunden anwesend. Geöffnet ist die Praxis aber auch samstags und sonntags. Denn ein großer Teil der Patienten erhält jeden Tag Methadon oder ein anderes Substitut.

    Fast jeder der Süchtigen hat schon einmal versucht, die Kurve zu kriegen – wie die Betroffenen selbst es ausdrücken würden. Auch Friedrich Herrmann (Name geändert). Der Sohn eines alkoholkranken Vaters und einer psychisch kranken Mutter kam in den 1970er Jahren an die Nadel. Irgendwann brachte ihn seine Heroinsucht hinter Gitter. In den 1990er Jahren schließlich schaffte Herrmann den Absprung. „Zehn Jahre lang lebte er abstinent“, so Drogenberater Faust. Dann wurde er wieder rückfällig. Seit 15 Jahren lässt sich der derzeit älteste Patient der Substitutionsambulanz mit einem Heroinersatzstoff behandeln. Und hat sein Leben endlich im Griff.

    Abhängigkeit von Opiaten bringt mannigfaltige Probleme mit sich. Zum einen wird die Gesundheit gefährdet. Doch zahlreiche Abhängige aus Würzburg, Main-Spessart und Kitzingen, die sich an die Substitutionsambulanz wenden, haben auch Schwierigkeiten, ihre Wohnung zu halten. Viele sind arbeitslos oder haben wechselnde Jobs, jeder zweite sitzt auf einem Schuldenberg. Hinzu kommen emotionale Probleme. Faust: „Werden doch mit den Opiaten oft die Gefühle reguliert.“ Je schlechter sich der Abhängige fühlt, umso höher muss die Dosis sein. Drogenkonsum kann nach Jahren in eine Depression münden.

    Noch wird das neue Angebot nicht allzu stark nachgefragt. Faust: „Doch wir denken, dass wir im kommenden Jahr die Zahl von 100 Patienten erreichen.“ Jedem einzelnen Abhängigen umfassend in seiner persönlichen Lebenssituation zu unterstützen, ist Ziel des neuen Angebots. Mit dem Würzburger Verein Condrobs gewannen die beiden Ärzte Rainer Schohe und Franz Lukas sowie das Team der Drogenberatung einen dritten Supra-Partner, der sich um schwer abhängige Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf kümmert. Diesen Menschen bietet Condrobs zum Beispiel ein ambulant betreutes Wohnen an.

    Substitution in Deutschland

    In Deutschland werden Opiatabhängige seit 1993 substituiert. Ihre Zahl stieg kontinuierlich und liegt laut der Bundesopiumstelle bei derzeit rund 76 200. Gleichzeitig stagniert, auch in der Region Würzburg, die Zahl der substituierenden Ärzte. Dies liegt unter anderem an sehr strengen rechtlichen Rahmenbedingungen. Einer aktuellen Befragung zufolge sehen 47 Prozent der aktiv substituierenden Ärzte hier Änderungsbedarf. Lockerungen wiederum erhöhen die Gefahr, dass Substitutionsmittel auf dem Schwarzmarkt verkauft werden. Dem Bundesdrogenbericht zufolge starben 2011 über 50 Menschen an der Einnahme illegal beschaffter Substitutionsmittel. TEXT: PAT

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