Diesmal hat Professor Henning Hamm, Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Würzburg, zwei dieser Volksweisheiten unter die Lupe genommen: Männer mit Glatze haben mehr Potenz Professor Henning Hamm: Nein! Diese irrige Annahme wird auch nicht durch die kürzliche Veröffentlichung der Memoiren von Heiner Lauterbach richtiger. Richtig ist vielmehr, dass zur Ausbildung einer männlichen Glatze zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: eine erbliche Veranlagung und das Vorhandensein von Androgenen, also männlichen Geschlechtshormonen; daher spricht man von andro-genetischer Alopezie. Bei der Überlegung, wie es mit der eigenen genetischen Veranlagung steht, sollten nicht nur der Vater und dessen Vorfahren, sondern ebenso die Mutter und die Großeltern mütterlicherseits betrachtet werden.
Was die Hormone betrifft, so reichen normale Mengen von Androgenen völlig aus, um die ausgedehnteste Glatze hervorzurufen. Das im Blut zirkulierende Testosteron wird direkt am Haarfollikel, also der haarbildenden Struktur in der Kopfhaut, in das "böse" Dihydrotestosteron umgewandelt, das den Follikel nach und nach schrumpfen und ein immer dünneres, unpigmentiertes Haar produzieren lässt.
Die Enzyme und Rezeptoren, die an diesem Prozess mitwirken, sind in den Haarfollikeln nicht gleichmäßig und zudem bei Mann und Frau unterschiedlich über die Kopfhaut verteilt. Dadurch erklären sich die geschlechtsspezifischen Muster des anlagebedingten Haarausfalls. Beim Mann kann es im Endstadium zur Ausbildung einer Glatze kommen, bei der Frau entsteht eine mehr oder weniger starke Lichtung der Scheitelregion, die aber so gut wie nie mit einer völligen Glatze endet.
Auch die männliche Potenz, also die Zeugungsfähigkeit des Mannes und sein Vermögen, den Geschlechtsverkehr auszuüben, sind an das Vorhandensein von Androgenen gebunden. Durch Kastration erlischt die männliche Potenz, andererseits ist wissenschaftlich erwiesen, dass hierdurch auch das Fortschreiten der androgenetischen Alopezie bis hin zur Glatzenbildung verhindert werden kann. Erfreulicherweise gibt es inzwischen auch medikamentöse Möglichkeiten, um diesen Prozess aufzuhalten, ohne die Potenz zu beeinträchtigen. Diese Therapien sind umso wirksamer, je frühzeitiger sie eingesetzt werden. Glatzenträger kommen jedenfalls zu spät zum Dermatologen! Schokolade macht Pickel Professor Henning Hamm: Jein! Diese Frage ist eine offene Wunde der Dermatologie: Ob Schokolade Pickel macht, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Über Jahrzehnte hinweg galt die Lehrmeinung, dass die Akne nichts mit der Ernährung zu tun hat. Grundlage hierfür waren zwei kleinere Studien zum Einfluss von Schokolade, Milch und Nüssen, die jedoch aus heutiger Sicht erhebliche methodische Mängel aufwiesen. Für die Medizin war die Angelegenheit damit aber erst mal erledigt, obwohl ein Drittel aller Akne-Patienten die Ernährung als Hauptursache ihrer Akne ansieht und fast die Hälfte glaubt, dass bestimmte Nahrungsmittel ihre Akne verschlimmern. Einschränkend sei erwähnt, dass viele Patienten die Ursache ihrer Hautkrankheiten zuallererst in der Ernährung suchen, auch wenn dies eindeutig zu widerlegen ist. Nach 34-jähriger Forschungspause auf diesem Gebiet wurde nun im letzten Jahr eine Untersuchung veröffentlicht, die zu dem Ergebnis kommt, dass Milchkonsum mit einem erhöhten Aknerisiko bei weiblichen Teenagern verbunden ist (männliche wurden nicht untersucht).
Interessanterweise erwies sich Magermilch als stärker Akne fördernd als Vollmilch, was gegen die Bedeutung des Fettanteils in der Milch spricht. Vielmehr nehmen die Autoren an, dass in der Milch enthaltene Hormone und bioaktive Substanzen verantwortlich sind. Möglicherweise ist also nicht der Kakao, sondern die Milch in der Schokolade schuld.
Aber nicht nur Milch, auch süße, hochkalorische Kost könnte theoretischen Überlegungen zufolge einen ungünstigen Effekt auf die Akne ausüben. Dass die Ernährung bedeutsam für die Entwicklung oder Verschlimmerung der Akne sein könnte, wird auch durch die Tatsache gestützt, dass sie in den westlichen Industrieländern sehr viel häufiger vorkommt als bei Naturvölkern. So war die Akne bei den Eskimos unbekannt, solange sie traditionell lebten und sich von frischen Früchten, unbehandeltem Gemüse, magerem Fleisch und Fisch ernährten. Mit zunehmender Verwestlichung bekommen jetzt auch Eskimos Pickel.
Die gesamte Serie im Internet:
www.mainpost.de/gesundheit