Der Bischof ist geflohen, die Würzburger sind in ihrer Stadt eingeschlossen. Bischöfliche Truppen belagern die Stadt in jenem eisigen Winter der Jahrhundertwende 1399/1400. Die Menschen leiden Hunger. Immer größer wird die Not und auch die Wut. Und da – ein Hoffnungsschimmer: Wie man hört, verfüge der Bischof im nahe gelegenen Bergtheim über einen Getreidespeicher! Da sich die Wut der Würzburger ohnehin gegen den Bischof richtet, wagen unzählige Bewohner einen Ausflug gen Bergtheim, um den vermeintlichen Getreidespeicher zu plündern.
Sie sind nicht allein: Lange schon haben sie sich die Unterstützung der anderen Städte im Hochstift gesichert, die sie außerhalb der Stadtmauern unterstützen. „Außerdem hatten die Bürger sich vorher noch Söldner aus dem Hessischen besorgt, um gegen die bischöflichen Truppen bestehen zu können“, erzählt der Würzburger Historiker Rainer Leng, für den dieses Ereignis, obgleich es so lange zurückliegt, eines der prägendsten der Stadtgeschichte ist. Am 11. Januar 1400 ist es so weit: Die Würzburger wagen den Ausfall aus der Stadt.
Bürgerliche Truppen unterlegen
„Was dann genau passierte, ist im Einzelnen umstritten“, sagt Leng, der sich ausführlich mit der Schlacht von Bergtheim beschäftigt hat. „Es gibt die These, dass das Gerücht vom Getreidespeicher des Bischofs lanciert war, um die Bürger aus der Stadt herauszulocken und sie auf freiem Feld leichter angreifen zu können.“ Klar ist dagegen der Ausgang dieser Schlacht. Obwohl sie längere Zeit hin und her wogt und es zwischenzeitlich auch für die bischöflichen Truppen durchaus mal schlecht aussieht, setzen diese sich am Ende durch. Kein Wunder, findet Leng: „Sie kämpfen bewaffnet, zu Fuß oder zu Pferd gegen bürgerliche Streiter, denen die militärische Erfahrung fehlt und die zu Fuß unterwegs sind.“
Die Niederlage der bürgerlichen Truppen sei fürchterlich gewesen, sagt der Historiker: „Die Zahlen widersprechen sich zum Teil, aber über 600 bis 1200 Tote aufseiten der Bürger wird regelmäßig berichtet.“ Bei den „Kampfprofis“ auf bischöflicher Seite seien die Verluste hingegen marginal gewesen. Doch warum hassen die Bürger und der Bischof einander eigentlich so sehr? Was ist der Hintergrund der Schlacht? „Der Konflikt dauerte zum Zeitpunkt des Gemetzels schon rund 150 Jahre“, erklärt Leng.
„Und er gipfelte in der Schlacht von Bergtheim.“
Klöster mussten keine Steuern zahlen
Der Bischof pocht auf die uneingeschränkte Gültigkeit seiner Stadtherrschaft, aber seit dem 12. Jahrhundert sind die Bürger zu Reichtum und Wohlstand gekommen und fordern nun auch ihren Anteil an der Macht über die Stadt. „Also politische Partizipation im Rat und in den Zünften. Autonomiegebiete, in denen sie ohne bischöfliche Einmischung entscheiden können“, konkretisiert Leng. Aber in der Mitte des 13. Jahrhunderts spitzt sich dieser Konflikt immer mehr zu, gelegentlich greifen die Parteien auch zu den Waffen: „Bürger plünderten regelmäßig die Klöster, die sie als Bischofsstütze in der Stadt empfanden.“
Und noch aus einem anderen Grund mögen die Bürger die Klöster nicht: Sie neiden ihnen die Tatsache, dass diese von den Steuern befreit sind. Die Bürger finden das ungerecht. Sie müssen im Gegensatz zu den Klöstern Steuern zahlen, mitbestimmen dürfen sie aber nicht. „Es gab im ganzen 13. und 14. Jahrhundert immer wieder bürgerliche Aufstände gegen die Herrschaft des Bischofs“, sagt Leng. „Der Bischof hatte seinerseits reagiert, indem er die Zünfte und den Rat verbot oder ihn ausschließlich mit Personen besetzte, die ihm genehm waren.“
Urkunde mit entscheidendem Passus
150 Jahre dauert der Streit, um sich dann, Ende des 14. Jahrhunderts, noch einmal zu verschärfen. „Es kam auch noch ein König ins Spiel“, sagt Leng. „König Wenzel erteilte der Stadt gegen eine entsprechende Zahlung eine Urkunde, die man als Reichsfreiheitsurkunde verstehen konnte. Er versprach den Würzburger Bürgern, sie in den Schutz des Reiches aufzunehmen. Damit wäre Würzburg theoretisch eine Reichsstadt und hätte außer dem König oder dem Kaiser keinen Stadtherren mehr gebraucht. Der Bischof wäre außen vor gewesen.“
Doch wenn die Würzburger sich schon freuten, dann waren sie damit zu früh dran. Denn die Urkunde enthält einen kleinen Passus, der dem Bischof doch noch eine Handhabe zum Eingreifen gibt. „Diese neue Rechtsstellung der Stadt sollte unbeschadet älterer Rechte des Bischofs sein“, erzählt Leng. Die Gemüter sind nun freilich erhitzt, ein friedlicher Ausgleich im Grunde nicht mehr möglich. Deshalb kommt es zur Schlacht von Bergtheim. Nachdem die Bürger in selbiger so vernichtend geschlagen worden waren, ist klar, dass der Bischof der uneingeschränkte Herrscher ist und der Rat allenfalls sein verlängerter Arm.
Niederlage von Bergtheim wirkt heute noch nach
„Die Niederlage von Bergtheim ist zu einem der drei Traumata der Stadt geworden“, sagt Leng. Die anderen beiden sind der Bombenangriff auf Würzburg vom 16. März 1945 und die Niederlage im Bauernkrieg. Sie wirke bis heute nach: „Bei Begegnungen zwischen der Geistlichkeit und den bürgerlichen Vertretern spielt im Hintergrund immer noch die Schlacht von Bergtheim eine Rolle. Es gibt immer kleine Eifersüchteleien. Städtische Eliten reagieren extrem empfindlich darauf, wenn sich die Kirche mehr an Einfluss anzumaßen scheint, als ihr ihrer Meinung nach zusteht.“
Und überhaupt, meint Rainer Leng, habe die Schlacht von Bergtheim Würzburg langfristig insoweit geprägt, „als dass Würzburg eine geistliche Stadt mit entsprechendem Entwicklungspotenzial der Geistlichkeit blieb. Ein erheblicher Teil des Grundbesitzes der Stadt gehörte der Kirche. An allen Ecken konnten Klöster weiterwachsen und sich weiterentwickeln.
“ Nur noch einmal gibt es einen kurzen Versuch, gegen die bischöfliche Stadtherrschaft zu opponieren, das ist im Bauernkrieg von 1525 – und geht bekanntlich gründlich schief.
Eva-Maria Bast
- Der Text stammt aus dem Buch "Was Würzburg prägte. 52 große und kleine Begegnungen mit der Stadtgeschichte"