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INNENSTADT: Demonstration für einen Berufsstand: „Hebammen sind für die Kinder total wichtig!“

INNENSTADT

Demonstration für einen Berufsstand: „Hebammen sind für die Kinder total wichtig!“

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    Mit Kind und Transparenten: Den Montagsspaziergängern schlossen sich in dieser Woche Unterstützer der Hebammen an.THERESA MÜLLER
    Mit Kind und Transparenten: Den Montagsspaziergängern schlossen sich in dieser Woche Unterstützer der Hebammen an.THERESA MÜLLER Foto: Foto:

    „Die Hebammen dürfen nicht allein gelassen werden mit dieser Problematik“, da sind sich Daniel Weber (23) und Johannes Mader (22) ganz sicher. Die beiden jungen Männer und Anna-Lena Oppel (21) stehen mitten in der demonstrierenden Gruppe am Bahnhofsvorplatz, der voller bunter Leute ist, die meisten junge Eltern mit Kindern, aber auch Großeltern und vor allem Hebammen und Hebammenschülerinnen. Ihr Beruf droht mangels Haftpflichtversicherungen und zu teurer Versicherungsprämien auszusterben. Das wollen auch viele Eltern und Großeltern vermeiden. Am Internationalen Tag der Hebammen meldeten sie sich vergangenen Montag im Rahmen des Montagsspaziergangs lautstark zu Wort.

    Der Protestmarsch beginnt am Kiliansbrunnen am Bahnhof und zieht sich durch die Innenstadt bis zum Rathausvorplatz. Ganz laut, nicht nur mit Trillerpfeifen, Rufen und Mikrofon, sondern auch in Begleitung der brasilianischen Trommelgruppe Samba Osenga, die für viel Rabatz und Aufmerksamkeit sorgt. In Brasilien nämlich, erläutert die Organisatorin der Montagsspaziergänge Jenifer Gabel, werde in Sachen Geburt „nur noch operiert!“ Jede Menge Kaiserschnitte, Entbindungen wie am Fliesband, Schema F. Gabel ist bedient, denn, nachdem sie eines ihrer Kinder auf normalem Weg entbunden hatte, folgte eines aus medizinischen Gründen per Kaiserschnitt in einer hiesigen Klinik. 17 Kinder kamen an besagtem Wochenende zur Welt, „nach vier Tagen musste ich heim. Ich hätte nicht gewusst, was ich ohne meine Hebamme gemacht hätte, die die Narbe versorgt hat und für mich da war“, erinnert sie sich. „Hebamme ist eben mehr als nur Nabelschnurdurchschneiden“, ruft sie später ins Mikrofon. Sie ist dabei so emotional, dass sie Tränen unterdrückt, als sie an den damaligen Kaiserschnitt und ihre seinerzeitige Verfassung denkt.

    Hintergrund für das drohende Aus der freiberuflichen Geburtshilfe ist der Ausstieg der Versicherungen für Hebammen. Künftig wollen sie den Hebammen gar keine Policen mehr anbieten, so der Deutsche Hebammenverband, Ausnahme ist noch ein Angebot ab Sommer zu 5100 Euro und ab 2016 für 6200 Euro pro Jahr für die Haftpflicht. Freiberufliche können das in der Regel nicht mehr bezahlen. Manche Komplikation bei der Geburt kann immense Schadens- und Schmerzensgeldforderungen auslösen, vor allem wenn ein Kind schwerbehindert ist. Kosten für Therapien und Erwerbsunfähigkeit können in die Millionen gehen. Rein wirtschaftlich für die Versicherer ein sehr hohes Risiko. Deswegen fordern die Hebammen von der Politik die Einrichtung eines staatlich finanzierten Fonds, der im Schadensfall die Kosten über einer bestimmten Obergrenze übernimmt.

    Grünen-Politikerin und Landtagsabgeordnete Kerstin Celina zeigt drastisch die Situation der Hebammen auf: 1999 habe der Beitragssatz für die Haftpflicht noch 400 Euro betragen. Kein Vergleich! Angesichts der laut Polizei 600 und laut Veranstalter 700 Demonstrierenden spornt Celina an: „Wer so viele Menschen solidarisieren kann, der wird auch Erfolg haben! Es muss etwas passieren. Es wird etwas passieren!“ Ödp-Kreisvorsitzende Dagmar Dewald hat vier Kinder ambulant mit Hebammen zur Welt gebracht – sie will keinesfalls akzeptieren, dass „der Hebammenberuf zermahlen wird zwischen Versicherungen, Krankenhäusern und irgendwelchen Intereressensgruppen“. Alle sind sich einig: Vorsorge – Geburtshilfe – Nachsorge sind unverzichtbar.

    Gabi Rottmann ist Schwangerenberaterin am Gesundheitsamt Würzburg und läuft im Demonstrationszug mit. „Hebammen sind für die Kinder total wichtig,“ sagt sie, „wenn die Mutter gut versorgt ist, fängt da schon der Kinderschutz an!“ Mitstreiterin Elfriede Wirtz, selbst frisch gebackene Oma, bestätigt, dass die Nachsorge ihrer Tochter zurzeit - mit Hebamme nach der Hausgeburt – gut läuft. Anna-Lena Oppel unterdessen berichtet von Daniels beiden Schwestern: die eine ist Hebamme, die andere schwanger. Fast direkte Betroffenheit also.

    Eine Demonstrantin, die ihren Namen nicht nennt, hat in der Klinik ihren heute acht Monate alten Sohn Luca entbunden, den sie im Protestzug im Buggy schiebt. „Ich weiß jetzt, es wäre besser gewesen, nicht in die Klinik zu gehen. Dann wäre jemand für mich da gewesen! So war das nicht der Fall.“

    Hebamme Katrin Aßmus (Bessenbach) ist schwanger und sieht einer Hausgeburt kommenden Juli entgegen. Mit Sohn Edwin (3) gelang das schon einmal sehr gut.

    Bald prangt das größte der mitgeführten Plakate am Vierröhrenbrunnen: „Stell dir vor, dein Kind kommt und keine Hebamme ist da“ steht drauf. Und auf dem nächsten: „Es ist nicht egal, wie wir geboren werden“. Die Hebammen kämpfen um mehr Wertschätzung und bessere Verdienstmöglichkeiten, zugleich für die Wahlfreiheit der Eltern, wo die Mutter das Kind zur Welt bringen möchte: Zuhause, im Geburtshaus oder in der Klinik. Hebamme Heike Kralik (MainGeburtshaus): „Wir wissen: Es gibt auch weniger Schlosser und weniger Schreiner. Aber wir handeln nicht mit Waren! Wenn der Staat sagt, er unterstützt die Familien, dann wird es Zeit, dass da einfach mal Geld in die Hand genommen wird und der Staat zeigt, was ihm die Familien wert sind!“ Natürlich folgt ohrenbetäubender Applaus.

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