„Jeder Arzt sollte eigentlich Schmerzen behandeln können“, sagt Dr. Gabriele Kinzlmeier-Setz, die in Kitzingen als niedergelassene Anästhesistin arbeitet: „Die richtige Schmerztherapie durchbricht den Schmerzkreislauf.“ Doch sei es für den einzelnen Patienten gar nicht so leicht, immer „den richtigen Therapeuten“ und „die richtige Therapie“ zu finden.
Das Ziel dabei sei „ein Mehr an Lebensqualität“. Beim chronischen Schmerz, der seine Signalfunktion verloren hat, und nach Kinzlmeier-Setz „zu einer eigenständigen Krankheit mutiert“, kenne man oft nicht die Ursache. Zunächst einmal sei es bei den unterschiedlichen chronischen Schmerzformen wie Osteoporose, Rückenschmerzen („ein großes Thema“) oder den neuropathischen Schmerzen, wenn ein Nerv geschädigt ist, Fehlinformationen aussendet oder sich entzündet (Gürtelrose), „ganz wichtig für uns, was für eine Art von Schmerz Sie haben“, sagt die Ärztin an die Zuhörer gewandt.
Nervenschmerzen etwa seien brennend, einschießend. Auch die Phantomschmerzen nach einer Amputation zählten dazu. „Ein Nervengewitter entsteht“, so beschreibt Kinzlmeier-Setz dieses Phänomen, das sich mit bestimmten Narkoseverfahren unterbinden lasse.
Richtige Schmerztherapie bedeute zu „akzeptieren, dass wir bei starken Schmerzen auch stark dagegenschießen müssen“, betont die Ärztin. Bei der durch Herpesviren hervorgerufenen Gürtelrose beispielsweise mit einem Virustatikum (das die Vermehrung der Viren hemmt) und einem starken Schmerzmittel. Doch Kollegen hätten „oft Angst, ein starkes Schmerzmittel zu geben“.
Patienten wollten „unabhängig von Schmerzen werden und nicht alle zehn Minuten tropfen müssen“, so die Referentin zu einer verbreiteten Form der Behandlung. Besser seien Tabletten, die den Wirkstoff verzögert abgeben. So entstehe ein Zyklus von „Anfluten“ und „Abbau“ des Mittels.
„Chronischer Schmerz mutiert zu einer eigenständigen Krankheit“
Dr. Gabriele Kinzlmeier-Setz Anästhesistin
Wichtig sei, die Tabletten konstant einzunehmen, betont Kinzlmeier-Setz – um nicht in den Bereich der Überdosierung zu kommen oder umgekehrt wieder in die Schmerzphase zu rutschen.
Schmerztherapie bedeute auch, die Schmerzstärke richtig einzuschätzen. Der Patient könne sie subjektiv auf einer Schmerzskala angeben und er sollte ein Schmerztagebuch führen, empfiehlt die Ärztin.
Das Wichtigste sei, den Patienten individuell zu behandeln. Ziel der Schmerztherapie müsse auch sein, den „negativen Zyklus“, der sich aus Einschränkung durch den Schmerz, daraus resultierender Schon- und Fehlhaltung, Rückzug aus dem sozialen Umfeld bis hin zu Depressionen ergibt, umzukehren. Hierbei sei die Psychotherapie „eine ganz wichtige Säule in der Schmerztherapie“, betont die Kitzinger Ärztin – um dem Patienten zu helfen, „mit dem Schmerz besser umzugehen“.
Kinzlmeier-Setz erläuterte im Einzelnen das Stufenschema der Schmerztherapie – von den Nicht-Opioiden über schwache Opioide (zum Beispiel Tramadol) bis zu den starken Opioiden bei entsprechend starken Schmerzen. Opioide seien gut wirksam bei starken chronischen Schmerzen. „Sie gehen nicht auf die Leber und nicht auf die Nieren“, hob die Referentin hervor. Im Gegensatz zu einigen frei verkäuflichen Medikamenten, vor deren Missbrauch sie ausdrücklich warnte. Opioide ähnelten körpereigenen Endorphinen.
Opioid-bedingte Nebenwirkungen der Behandlung wie Übelkeit und Erbrechen verschwinden nach Ausgage der Ärztin „in der Regel innerhalb einer Woche“. Es komme allerdings häufig zu Verstopfung.
Zu Beginn der sehr gut besuchten Veranstaltung im Felix-Fechenbach-Haus hatte Heike Lippke von der Deutschen Schmerzliga den Zuhörern die Selbsthilfeorganisation vorgestellt, die im Jahr 1990 gegründet wurde und momentan 5000 Mitglieder zählt. „Leidensdruck und Hoffnung“ seien die zwei Motive für die mittlerweile über 100 regionalen Selbsthilfegruppen der Schmerzliga.
Schmerzpatienten würden „oft zehn Ärzte durchlaufen, bis sie beim Spezialisten landen“, sagt Lippke. Häufig gebe es die Angst der Patienten, durch die Behandlung süchtig zu werden und auch einen „Kampf mit der Krankenkasse“. Umfragen zeigten, dass die Selbsthilfegruppe „vielen geholfen hat“. „Es wäre schön, wenn wir in Würzburg auch eine Gruppe zustande bekämen“, sagt Heike Lippke. Es sollen hier immerhin mehr als 20 000 Menschen unter chronischen Schmerzen leiden.
Infos zu der Organisation gibt es im Internet unter www.schmerzliga.de Das Schmerztelefon ist unter Tel. 0700 - 375 375 375 Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr erreichbar.