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WÜRZBURG: Der Rock-Olymp blieb „Odin“ versperrt

WÜRZBURG

Der Rock-Olymp blieb „Odin“ versperrt

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    2006 erschienen: Odin im live mitgeschnittenes Radiokonzert von 1973.
    2006 erschienen: Odin im live mitgeschnittenes Radiokonzert von 1973.

    Plötzlich waren sie da. Sie kamen aus dem Nichts. Es war bei einem der legendären Mensa-Konzerte, die der Würzburger Georg Hoch unter dem Synonym Freaky zu Beginn der 70er-Jahre veranstaltete. Es könnte ein Auftritt von Brian Auger oder Beggars Opera gewesen sein, als eine „Vorgruppe“, so nannte man das damals, auf der Bühne stand, die selbst den allermeisten Würzburger Szene-Insidern unbekannt war.

    Sie spielten Progressive Rock wie man ihn so noch nicht kannte. Zappaeske Komplexität mischte sich mit Deep-Purple-Orgel und eingängigen Melodien, Bass und Schlagzeug waren tight wie ein Metronom und der Gitarrist bediente seine Gibson Les Paul meisterhaft. Auf der Basstrommel war der Name „Odin“ zu lesen.

    Wie sich bald herausstellte, waren „Odin“ zwei Engländer, Ray Brown am Bass und Stuart Fordham am Schlagzeug, der holländische Gitarrist Rob Terstall, und Jeff Beer aus Regensburg, der in der Band die Orgel bediente, aber an der Würzburger Musikhochschule Perkussion und Schlagzeug studierte.

    Eine richtige Würzburger Band waren „Odin“ also nicht, aber in der Würzburger Szene hatten sie schnell ihren festen Platz gefunden. Und schließlich wohnten sie nicht weit entfernt von Würzburg in Gaukönigshofen. Man blickte zu ihnen auf, denn schließlich waren sie schon richtige „richtige Profis“, als die progressive Würzburger Szene noch überwiegend aus Schülerbands bestand. „Odin“ spielten häufig in Würzburg als „Opnerer“, wenn englische Bands hier zu Gast waren. Ihr erster ganz großer Auftritt war beim legendären Rockfestival bei den „Drei Pappeln“, wo sie als eine der ersten Bands spielten.

    Mit dabei waren damals unter anderem Alexis Korner, Status Quo, Golden Earring, Nazareth und als „Höhepunkt“ ein sturzbetrunkener Joe Cocker, der sich nur mit Mühe auf der Bühne halten konnte. Ein Jahr später spielten sie vor 35 000 Menschen beim beim Festival in Scheeßel, wo unter anderem auch Chicago, King Crimson, Chuck Berry und Jerry Lee Lewis auftraten.

    Ihre erste und zu Band-Lebzeiten einzige Platte, schlicht „Odin“ betitelt, erschien 1973. Sie zeigte vor allem die „Zappa-Seite“ der Band und ihr Gespür für ausgefeilte und extravagante Kompositionen. Obwohl die Scheibe auf dem renommierten Vertigo-Label erschien und gute Kritiken bekam, verkaufte sie sich nur mäßig (heute ist sie unter Sammlern gesucht und teuer). So schrieb der „Musikexpress“, dass „Odin“ ihren englischen und amerikanischen Kollegen „durchaus ebenbürtig“ sei.

    Wenig später sollte die Gruppe auch in England, dem Mutterland der progressiven Rockmusik, spielen. es wurde mit englischen Managern verhandelt und ein Tourplan war auch schon fertig. Die Aussicht in Großbritannien zu spielen, motivierte die Band unheimlich. Doch als die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss standen, kam die Energiekrise von 1973 in die Quere.

    Das europaweite Fahrverbot und andere Probleme veranlassten die englische Plattenfirma, die Tour vorerst abzusagen. Auch das bereits geplante zweite Album, an die Musiker schon intensiv arbeiteten, wurde auf Eis gelegt. Die Band war völlig frustriert und stand vor dem finanziellen Ruin. Im Mai 1974 kam das Ende und „Odin“ lösten sich auf, ohne den großen Durchbruch geschafft zu haben.

    Wenngleich sie im Hinblick auf den Erfolg eine Randnotiz blieben, ist ihre Musik in Fankreisen noch immer gesucht und beliebt. So wurde ihre erste Platte vor einigen Jahren als CD wiederveröffentlicht. 2006 erschienen dann noch ein live mitgeschnittenes Radiokonzert von 1973 und 2007 einer der ersten Liveauftritte der Band überhaupt: das Konzert fand im Herbst 1971 im Schweinfurter „Maxim“ statt. Alle drei CDs sind beim Label Long Hair Music erschienen.

    Jeff Beer lebt heute in der Oberpfalz, wo er als freischaffender Künstler, Komponist und Fotograf tätig ist. Rob Terstall ist immer noch als Musiker aktiv und spielt in der oberfränkischen Coverband Motion Sound und Ray Brown arbeitet als selbstständiger Zimmermann in London. Drummer Stuart Fordham ist 2003 gestorben.

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