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Die Farbkugel-Kämpfer

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    Lauern, Zielen und Feuern: Ein Mannschaftsmitglied der „Rebels“ mit Maske und Markierer, den beiden wichtigsten Ausrüstungsgegenständen im Paintball. Der Sport fordert Konzentration, Reaktion und Ausdauer.
    Lauern, Zielen und Feuern: Ein Mannschaftsmitglied der „Rebels“ mit Maske und Markierer, den beiden wichtigsten Ausrüstungsgegenständen im Paintball. Der Sport fordert Konzentration, Reaktion und Ausdauer. Foto: Foto: t: mÜLLER

    Murmelgroße bunte Kugeln liegen auf einem Kunstrasenboden, schwarze Netze hängen an Wänden und Decke. Es riecht nach Farbe und Öl. So der erste Eindruck beim Betreten der Halle der ehemaligen Kneipp-Werke in der Winterhäuser Straße in Heidingsfeld. Hier wird seit Juni 2010 Paintball gespielt. Beim Blick durch die Netze sieht man Menschen, die halsbrecherisch hinter aufblasbare Gummideckungen springen. Sie tragen Masken, die wie eine Verschmelzung von modernem Motorradhelm und Skibrille wirken.

    Ein extrem schnelles klopfendes Geräusch, „tuck, tuck, tuck“, liegt dominant über dem ganzen Szenario. Es wird von dem mit Luftdruck betriebenen Spielgerät, dem Markierer, erzeugt. Zwei Mannschaften feuern mit dieser futuristisch aussehenden Waffe sogenannte Balls (mit Lebensmittelfarbe gefüllte Gelatinekugeln) aufeinander ab und versuchen sich gegenseitig zu markieren (treffen), um die Runde zu gewinnen. Auf den Laien wirkt es wie eine Hightech-Variante des „Cowboy-und-Indianer-Spiels“.

    Herren über Markierer und bunte Kugeln sind die Brüder Stefan und Uwe Hofmann, Betreiber der „Paintball-Area Würzburg“. Glaubt man den Kritikern dieses in Deutschland noch sehr jungen Sports, müsste man zwei militante „Freizeitrambos“ erwarten. Mitnichten. Während des Gesprächs entpuppen sie sich als Mischung aus seriösem Geschäftsmann und begeistertem Kind, wenn sie über ihre große Leidenschaft, den Paintball-Sport, sprechen.

    Der ist nicht unumstritten. Im Mai 2009, nach dem Amoklauf von Winnenden, entbrannte beispielsweise eine heftige Debatte um das ungewöhnliche Hobby. Von einer „Simulation des Tötens“ sprach gar der damalige Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Wolfgang Bosbach. Ein komplettes Verbot war in der Diskussion. Eine breite Front aus aktiven Spielern, Polizeigewerkschaft und Opposition argumentierte – erfolgreich – gegen dieses Vorhaben.

    Das schnelle „Tuck, tuck, tuck“ ist immer noch im Hintergrund zu hören; mehrere Farbkugeln in der Sekunde verlassen, wie an einer Perlenkette aufgereiht, den Lauf des Markierers und tauchen eine Deckung in gelbgrüne Farbtöne. Ziel verfehlt – der Gegner bleibt im Spiel.

    An dieser ungewöhnlichen Freizeitbeschäftigung haben sich auch die Heidingsfelder Pia und Michael Schloßareck versucht – und sie sind dabei geblieben. Wenn sie neben der Bewirtung ihrer Gäste in den Büttnerstuben noch Zeit finden, dann verbringen sie diese gerne mit Markierer und Maske auf dem Spielfeld. Die Begeisterung für das neue Hobby brachte das Giemaul-Paar 2011 auch zum Sponsoring der „Rebels“, einer Paintball-Mannschaft aus der Region. Vor kurzem übergaben sie 20 Trainingsanzüge mit dem Logo der Büttnerstuben an das Team.

    „Unser Ziel beim Paintball spielen ist es, Spaß zu haben,“ sagt Michael Schloßareck. „Nach dem Spiel legen wir den Markierer weg und gehen als ganz normale Menschen wieder nach Hause“, fügt seine Frau hinzu. Die Schloßarecks sind nicht allein. „Seit der Eröffnung im Juni 2010 haben sich rund 3000 Leute versucht“, sagt Uwe Hofmann. Das Publikum der Paintball–Halle ist überraschend durchschnittlich. „Vom Zahntechniker, Steinmetz und Polizisten bis zum Familienvater mit seinen drei Töchtern ist alles dabei,“ berichtet Stefan Hofmann.

    Die Besucher finden sich in einer Atmosphäre aus buntem Abenteuerspielplatz, alter Fabrik und Jugendtreff wieder. Die Hofmanns sprechen von einer „Action-Sportart mit den Schwerpunkten Taktik, Kondition und Teamgeist.“ Uwe Hofmann führt durch die Halle, dabei wiederholt er immer wieder die Grundzüge seiner Geschäftsphilosophie: „Sicherheit und Sauberkeit in der Halle haben für uns oberste Priorität“.

    Zwei Spielfelder gibt es. Eines ist mit aufblasbaren Gummideckungen ausgestattet, die an übergroßes Schwimmbadspielzeug denken lassen. „Das wird eher von professionellen Spielern bevorzugt, zur Turniervorbereitung“, sagt er. Das kleinere Feld sieht mit zwei in Regenbogenfarben getauchten Autowracks, bunten Europaletten, Reifen und Fässern schon spektakulärer aus. „Die Erstspieler wollen meist auf diesem Feld spielen“, sagt Uwe Hofmann.

    Zurück im verglasten Aufenthaltsraum, der mit Sofa und Playstation an den Proberaum einer Musikband erinnert, reden die Hofmanns über ihre Halle als Ziel von Betriebsausflügen. „Die Firmen nutzen Paintball, um Kommunikation und 'Teambuilding' zu fördern. Zum Gewinnen müssen alle zusammenarbeiten.“

    „Nach dem Spiel legen wir den Markierer weg und gehen als ganz normale Menschen wieder nach Hause.“

    Pia Schloßareck Besitzerin der Büttnerstuben

    Die lange Firmenliste überrascht mit prominenten Namen. Navigon, IKEA, Flyeralarm, Johanniterbäck und eine Anwaltskanzlei sind schon da gewesen.

    Im Verlauf des Gesprächs füllt sich der Raum mit jungen Männern. Es sind Mitglieder der „Rebels“, einer von zwei Mannschaften, die in der Halle trainieren. Sie legen Arm- und Beinprotektoren an und ziehen sich bunte Trikots über. Eine Flasche mit Druckluft wird an den Markierer geschraubt. Man redet über die Arbeit, telefoniert mit der Familie oder witzelt herum. Einige Leerschüsse werden abgegeben, und wieder ist das schnelle „tuck, tuck, tuck“ zu hören.

    „Die Leute wissen einfach zu wenig und assoziieren falsche Begriffe“, sagt Stefan Hofmann, wenn er auf die Diskussion über seinen Sport angesprochen wird: „Es ist ein professioneller Sport mit strengem Regelwerk und weltweiter Organisation in Ligen.“ Auch die Schloßarecks reagieren gelassen: „Negative Aspekte gibt es in jedem Sport, ob beim Boxen, Karate oder beim Schießen im Schützenverein“, so Michael Schloßareck.

    Möchte man sich selbst durch vorbeirauschende Farbkugeln und das klopfende „tuck, tuck, tuck“ einen Adrenalinschub holen, kostet das Starterpaket mit kompletter Ausrüstung und 500 Schuss 45 Euro. Inklusive blauer Flecke – die sind im Paintball fast unvermeidlich. „Das sehen wir sportlich“, erwidern die Schloßarecks lächelnd, spricht man sie auf diese Andenken an.

    „'Schwarze Schafe', die den Sport diskreditieren, gibt es auch im Paintball, urteilte die Diplompädagogin Linda Steinmetz 2000 in einem psychologischen Gutachten zur Gewaltaffinität, das im Rahmen eines Forschungsprojektes der Volkswagenstiftung entstand. Doch: „Paintballer sind in ihren Alltagszusammenhängen keineswegs aggressiv“, heißt es im Gutachten weiter.

    Nach diesem Ausflug in die Welt der fliegenden Farben klingt ihr Urteil durchaus glaubwürdig.

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