Am Samstag, 31. März 1945, einen Tag vor den Osterfeiertagen, überschritten die ersten Verbände der 12. US-Panzerdivision die westliche Grenze des Landkreises Würzburg. Zwölf Tage dauerte der Vormarsch der Alliierten, ehe der gesamte Landkreis befreit war. Am Freitag, 12. April, fiel nach einem mehrtägigen sinnlosen „Verteidigungskampf“ endlich auch das von den Nazis zur Festung erklärte Gollachstädchen Aub. Während die meisten Gemeinden sich widerstandslos ergeben konnten, wurden andere zum Kriegsschauschauplatz, auf dem einmal mehr Blut vergossen, Höfe und Häuser zerstört wurden. Ob der Einmarsch der Amerikaner zu einem Desaster für die Bevölkerung wurde, darüber entschied oftmals nur das besonnene oder mutige Handeln Einzelner. So wurde in den letzten Kriegstagen manch ein einfacher Mann zum Retter seines Dorfes, kämpften Bauersfrauen wie Löwenmütter gegen Nazi-Befehlshaber, die verblendet von ihrer Ideologie lieber Menschen und Dörfer der Vernichtung preisgeben wollten, als zu kapitulieren. Manch einer dieser Helden zahlte mit seinem Leben für seinen Mut – wie etwa der Baldersheimer Alfred Eck. Was sich in den Tagen vor der Kapitulation in der Region zugetragen hat, dokumentiert Christian Will in seinem Buch „Landkreis Würzburg – Unsere Heimat unter Hitlers Gewaltherrschaft in Dokumenten, Erlebnissen und Schicksalen“. Eine Auswahl der Geschehnisse der letzten Kriegstage im Landkreis Würzburg.
Hettstadt, 1. April 1945
Über die Greußenheimer Straße kommen am Ostersonntag erste US-Panzer gefahren, berichten der Geistliche Rat und Hauptlehrer Theodor Theuerkaufer. Die deutschen Truppen, die am Westrand von Hettstadt Stellung bezogen hatten, ziehen sich ins Dorf zurück. Im Morgengrauen fällt aus dem Haus Nr. 181 1/3 ein verhängnisvoller Schuss: Er tötet einen amerikanischen Offizier. Wahllos schießen daraufhin die amerikanischen Panzer auf Häuser. Offenbar vermuteten die Alliierten, dass sich in Hettstadt nicht nur reguläre deutsche Truppen, sondern auch die nationalsozialistische Untergrundorganisation „Werwolf“ verschanzt hat. Ein Feuergürtel frisst sich durchs Dorf. Einige mutige Männer versuchen die Feuer zu löschen, einer wird dabei erschossen, ein anderer festgenommen. Menschen retten ihre Habseligkeiten aus den brennenden Häusern. Als der Pfarrer am Ostermontag dem amerikanischen Offizier sein Bedauern darüber ausdrückt, dass Hettstadt so sinnlos zusammengeschossen wurde, erklärt ihm der Offizier, dass der Schuss eines Zivilisten am Ortsrand der Grund gewesen sei, warum Hettstadt unter Feuer genommen wurde. 400 Hettstädter wurden obdachlos, 600 Menschen, die aus Würzburg in Hettstadt Schutz gesucht hatten, verlieren ihre letzten Habseligkeiten. Zehn Zivilisten und neun Soldaten sterben. 82 Häuser, 85 Scheunen und 78 Stallungen – samt 143 Stück Großvieh – werden vernichtet
Ochsenfurt, 1. April 1945
Sie erkannten die Sinnlosigkeit des Widerstandes der deutschen Truppen – und vor allem die Gefahr, die er für ihre Stadt bedeutete: Über 200 mutige Ochsenfurterinnen zogen am Donnerstag vor Ostern vor das Haus des Kreisleiters und machten ihrem Unmut lautstark Luft: „Wir wollen keinen Widerstand! Warum sollen wir unsere Stadt zerstören lassen?“ Als der Kreisleiter, dem die Situation immer peinlicher wird, sich bereit erklärt, eine Delegation von sechs Frauen zu empfangen, eskaliert der Streit: Die Frauen greifen den Kreisleiter tätlich an. Doch ihr mutiger Protest zeigt Wirkung: alle Straßensperren werden rechtzeitig beseitigt, die deutschen Truppen ziehen sich zurück. Am 1. April wird Ochsenfurt kampflos von den Amerikanern eingenommen.
Greußenheim, 2. April 1945
In den letzten Tagen vor der Kapitulation versank auch Greußenheim in den Kriegswirren. In der Karwoche, berichten Ewald Rothenbücher (88) und Hilde Scheiner (86), kam die Kampffront immer näher an das Dorf. Am Karfreitag, 30. März 1945, hörte man deutlich den Lärm der amerikanischen Panzer hinter dem Herchenberg. Die ersten Panzergeschütze schlugen am Geisberg ein. Auf Flugblättern, die von Aufklärungsflugzeugen der Alliierten über Greußenheim abgeworfen wurden, wurden die Leute aufgefordert, die weißen Fahnen als Zeichen der bedingungslosen Kapitulation raus zu hängen. Auf den Flugblättern stand zu lesen: „Herr Bürgermeister! Bald wird auch Ihre Gemeinde hinter den alliierten Linien liegen. Von den Entscheidungen, die Sie in den nächsten Stunden treffen, wird es abhängen, ob Ihre Stadt ein Haufen Schutt und Asche oder eine lebendige Gemeinde sein wird.“ Dadurch motiviert hingen einige Greußenheimer am Ostersonntag weiße Fahnen raus. Doch in der Nacht zum Ostermontag erschienen SS-Männer im Dorf und drohten das Dorf zu zerstören und die Menschen zu erschießen, wenn die Fahnen nicht wieder eingezogen werden. Trotz dieser Drohungen wagten es Johann Jakob Wolf und Philipp Fleischmann und liefen nachts über den Herchenberg nach Roßbrunn und signalisierten den Amerikanern, dass Greußenheim zur Kapitulation bereit war.
Osthausen, 3. April 1945
Das 100-Seelen-Dörfchen war strategisch völlig bedeutungslos. Trotzdem wurde Osthausen am Dienstag, 3. April, von den amerikanischen Truppen dem Erdboden gleich gemacht. Der Grund: Bei den Amerikanern war das Gerücht gestreut worden, in Osthausen würden sich 600 SS-Männer versteckt halten – eine Lüge mit fatalen Folgen.
Rottendorf/Estenfeld, 4. April 1945
Am 4. April beschießt amerikanische Artillerie das Dorf. In der Dorfstraße haben sich deutsche Panzer postiert. Einer davon steht hinter dem Chor der Pfarrkirche. Immer wieder greifen Tiefflieger an. Das Tabernakel hat 20 Durchschüsse, berichtet Pfarrer Josef Balling. Als am Abend Rottendorf von amerikanischen Panzern umstellt ist, steigt ein deutscher Soldat unter Beschuss auf den Kirchturm, um die weiße Flagge zu hissen. Mit brennenden Zeitungen beleuchtet er das Zeichen der Kapitulation. Die Angriffe stoppen. Am 5. April rollen die US- Truppen weiter nach Estenfeld. Dass der Ort am 6. April widerstandslos eingenommen werden kann, verdankt er vermutlich einem glücklichen Zufall: Die Verteidiger, eine SS-Einheit, hatten die Invasion nach einer durchzechten Nacht im Keller der Gastwirtschaft Kuhn verschlafen – sie erwachten als Kriegsgefangene. Der Befehlshaber einer anderen deutschen Truppe, die oberhalb der Weißen Mühle postiert war, um die Amerikaner mit Schüssen zu begrüßen, sah zum Glück selbst ein, dass es klüger war, sich zurückzuziehen.
Unterpleichfeld/Bergtheim, 7. April 1945
Der 6. April 1945 war der Freitag vor dem Weißen Sonntag. Er gilt in Dipbach und Bergtheim als „Schwarzer Freitag“. Durch die Angriffe auf Dipbach brennen zwei Scheunen nieder. In Bergtheim werden 24 Scheunen und vier Wohnhäuser zerstört. Fünf Bergtheimer Dorfbewohner kommen beim Einmarsch der Amerikaner „durch einen Volltreffer der feindlichen Artillerie“ ums Leben. Drei mutige Bergtheimer Männer verhinderten die völlige Zerstörung Bergtheims: Sie überstiegen am 7. April 1945 die Panzersperren am Dorfeingang und gingen mit einer weißen Flagge den Amerikanern entgegen.
Aub, 12. April 1945
Am 5. April wird Aub von Tieffliegern und Artillerie beschossen. Der damals 34-Jährige deutsche Soldat Alfred Eck aus dem Auber Stadtteil Baldersheim, der auf Urlaub in seinem Heimatdorf ist, wird an die deutschen Truppen verraten und am 8. April hingerichtet. Der Grund: Eck hatte die deutschen Soldaten, die Baldersheim verteidigen sollten, überzeugt, den sinnlosen Kampf aufzugeben und sich zurückzuziehen. Baldersheim bleibt verschont. Eck zahlt mit seinem Leben dafür: Drei Tage baumelt er am Galgen in Aub auf dem unteren Marktplatz, Kommunionkinder ziehen an ihm vorbei. Am 12. April stürmen die amerikanischen Truppen das Gollachstädtchen Aub. 16 deutsche Soldaten – kaum einer älter als 18 Jahre – sterben bei dem erbitterten Häuserkampf.