"Persönliche Erklärung
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
in meiner Zeit als berufsmäßiger Stadtrat habe ich noch nie zu dem Instrument einer dezidiert persönlichen Erklärung gegriffen. Heute muss dies einmal sein.
Viele von Ihnen und insbesondere auch der Oberbürgermeister haben sich in den letzten Tagen sehr darüber geärgert, dass ich mich als SPD-Vorsitzender zu dem anstehenden Bürgerentscheid geäußert und Vorschläge für alternative Konzepte gemacht habe. Mein Verhalten sei illoyal und ein Affront gegen OB und Stadtrat. Mir ist bewusst, dass ein herausgehobenes Parteiamt in vielfältiger Hinsicht eine Herausforderung ist und die Trennung zwischen Beruf und Parteiamt dort an seine Grenzen gerät, wo so komplexe Fragestellungen öffentlich diskutiert werden und man ohne Detailkenntnis in seiner Bewertung notgedrungen an der Oberfläche bleibt. Und vielleicht „geht auch bei mir mal der Gaul durch“ und werde ich deutlicher und drastischer, als gerade gut tut.
Wenn ich mich also in der Weise positioniere, wie ich das getan habe, dann deswegen, weil ich der Auffassung war, dass mit dem Bürgerentscheid der Stadtrat den Bürgerinnen und Bürgern eine Beschlussvorlage zur Abstimmung vorlegt. In dieser Zeit der Meinungsbildung habe ich es als meine Aufgabe angesehen, mit Argumenten die pro und contra-Positionen zu prüfen und damit zu einer Entscheidungsfindung beizutragen. Meine Sorge aber war und ist, dass bei einem Übergang dieses städtischen Geländes in privaten Besitz uns Handlungsalternativen für unsere städtischen Aufgaben wegbrechen und andere, dann vielleicht teurere und weniger geeignete Lösungen für unsere Bildungs- und Kultureinrichtungen umgesetzt werden müssen.
Schon in den letzten Sitzungen des Stadtrates und auch intern habe ich meine Meinung hierzu vertreten und habe ich insofern keinen Hehl aus meiner Skepsis gemacht. Wenn wir also bisweilen auch in der Verwaltung unterschiedlicher Auffassung sind, so tragen gerade auch diese unterschiedlichen Positionen letztlich zu einer besseren Qualität unserer Entscheidung bei. Daher bin ich der Auffassung, dass Meinungsvielfalt und gründliche Diskussionen am Ende bessere Ergebnisse ermöglichen. Ohne jeden Zweifel ist auch für mich als Referent das Ergebnis nach dem 5. Juli bindend und werde ich, egal wie das Ergebnis aussieht, dieses akzeptieren und an seiner Umsetzung mitwirken. Ich bedaure, dass der Oberbürgermeister dieses Vorgehen als einen persönlichen Affront ansieht. Das war nicht meine Absicht, denn ich möchte auch in Zukunft gerne und in kollegialer Weise mit ihm, den Referenten wie auch mit dem gesamten Stadtrat zusammen arbeiten.
Die Reaktionen, die ich jetzt erfahre, machen mich betroffen. Wer mich kennt, weiss, dass ich leidenschaftlich in meiner Fachlichkeit um meine Themen und hier insbesondere die Schulen und unser Mainfranken Theater ringe. Hierzu habe ich mich in meinen Themen, wie ich glaube, tief eingearbeitet und kann zu einer guten Entscheidungsfindung beitragen. Ich wünsche mir, dass auch in Zukunft alle Argumente und Meinungen ihren Platz haben in unserer Arbeit und will meinen Teil dazu beitragen, dass dies in einer kollegialen und vertrauensvollen Art geschieht. Wenn Sie der Auffassung sind, dass ich mich persönlich hier öffentlich stärker zurückhalten sollte, werde ich das künftig respektieren und noch stärker darauf achten mein Ehrenamt von meinem berufsmäßigen Wahlamt zu trennen.
Muchtar Al Ghusain, 17.06.2015"
WÜRZBURG