Sie ist die wichtigste Verkehrsachse aus dem Würzburger Norden in die Innenstadt: die Schweinfurter Straße. Teilweise fünfspurig durchqueren hier täglich an die 40 000 Fahrzeuge ein städtebauliches Entwicklungsgebiet – wobei die Dynamik auf beiden Seiten der der Straße recht verschieden ist.
Während südlich davon mit den Mozartcentern I und II eine beachtliche Bürolandschaft gewachsen ist, herrschte gegenüber jahrelang Stillstand – am Hotelturm ebenso wie auf der Brache neben der Tankstelle, wo eigentlich ein – zwischenzeitlich geplatztes – Ärztehaus entstehen sollte.
Dieser Tage nun hat sich die Welt an der Schweinfurter Straße verkehrt: Jetzt geht es tatsächlich auf der Hotelturmseite voran. Bagger heben die Baugrube für ein neues Dienstleistungszentrum aus. Dagegen wuchert gegenüber – in der Baulücke vor den Mozartcentern – das Gras immer höher: Eigentlich wollte der Lebensmitteldiscounter Lidl hier schon im Sommer einen neuen Markt in Betrieb nehmen. Das Werbeschild steht noch, nur den Eröffnungstermin hat das Unternehmen erstmal getilgt.
„Wir sind selbst mit der Situation nicht glücklich“, räumt Lidl-Prokurist René Guth ein. Aber man arbeite mit Hochdruck daran. „Wir stehen kurz vor Versendung der Ausschreibung“, versichert er auf Anfrage. Je nach Witterung soll der Bau Ende des Jahres oder zu Beginn des neuen in Angriff genommen werden. Spekulationen, Lidl könnte den Standort aufgeben, sind laut Guth abwegig: „Wir wollen das Objekt nach wie vor umsetzen.“ Warum aber der Verzug? Vor allem strukturelle und bautechnische Veränderungen in der Planung sollen schuld sein. So will der Discounter unter anderem ein ausgeklügeltes Heizungssystem installieren: Abwärme aus Kühltheken soll für eine so genannte Betonkernerwärmung genutzt werden. „Es sind viele kleine Bausteine, die uns behindert haben“, erklärt Guth. Nun sei er „berechtigter guter Hoffnung“, dass es bald losgeht. Wie berichtet, will Lidl nach der Eröffnung den bisherigen Markt in der nahen Schürerstraße schließen. Auch Gerold Bader wäre froh, wenn Lidl endlich vorankäme und das Areal südlich der Schweinfurter Straße geschlossen würde. Er hat als Investor und Bauherr in direkter Nachbarschaft die beiden Mozartcenter mit rund 16000 Quadratmetern Fläche geschaffen. Sie sind voll belegt – mit Büros, Praxen und im Erdgeschoss mit Apotheke und Bäcker. Die Lidl-Baulücke nebenan – vergleichsweise ein Schandfleck.
Bader hat mittlerweile auch den Sprung auf die andere Straßenseite gewagt. Und siehe da: Nun bewegt sich auch dort etwas. Mit seinem Fonds ist er Investor für ein Dienstleistungszentrum, an Stelle des gescheiterten Ärztehauses. Angetreten als „Atrium“, hat Bader – auf Wunsch der Stadtbild-Kommission – architektonisch umgeplant. Nun soll das Zentrum in drei Häusern gebaut werden. So wird der Komplex leichter und optisch durchlässiger zwischen Schweinfurter Straße und Pleichach. Der Bach soll renaturiert werden.
Sichtbar für alle Autofahrer graben sich seit eineinhalb Wochen die Bagger ins Erdreich: Rund 15 000 Kubikmeter werden ausgehoben und auf die Deponie verfrachtet. So wird Platz geschaffen für eine eingeschossige Tiefgarage mit 128 Stellplätzen. Eigentlich sollten es zwei Etagen werden. Doch gab es zuletzt Einwendungen seitens des Trinkwasserschutzes.
Weitere vier Wochen, je nach Witterung, sind für den Erdaushub veranschlagt. Bader hat eine Teilbaugenehmigung für die Erdarbeiten. Mit Baurecht für die Gesamtanlage rechnet er im November. Es sollen energetisch hochwertige Gebäude entstehen, mit dicken Mauern – als Wärmespeicher und Kühlung – sowie vergleichsweise wenig Glas. Bader: „Ein neuartiges Konzept auf Grundlage alter architektonischer Erkenntnisse.“ Deshalb wurde das Dienstleistungszentrum nun umgetauft: Aus dem Atrium ist ein „Novum“ geworden.