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HOPFERSTADT: Dieter Moser hat sein medizinisches Inventar für Afghanistan gespendet

HOPFERSTADT

Dieter Moser hat sein medizinisches Inventar für Afghanistan gespendet

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    Für ein paar Monate ist Eyni Azar in Deutschland. Sie besucht Freunde, alte Studienkollegen und auch ihre Kollegen von der Hilfsorganisation. In der Scheune von Johannes Gessner darf sie bereits einen Blick auf die nächste Lieferung werfen. Verpackt in einer Holzkiste ist nicht nur ein relativ neuer Zahnarztstuhl mit Zubehör und vielen weiteren technischen Geräten, sondern auch sterile Bohraufsätze und jede Menge Handwerkszeug eines Zahnarztes. Der Ochsenfurter Dieter Moser hat vor gut einem Jahr seine Praxis aufgelöst und die Einrichtung der Organisation Shelter Now für die Zahnklinik in Herat, Afghanistan, gespendet.

    Die Holzkiste – mit Inhalt wiegt sie immerhin eine gute Tonne – ist nicht die erste Hilfslieferung, die an die internationale Zahnklinik in Herat geht. Bereits im Sommer 2008 schickten Andreas Ziehr und seine Mitstreiter zwei Zahnarztstühle auf die Reise. Die Ochsenfurter Zahnärztin Karin Braun und ein Kollege aus Würzburg stifteten damals ihr Praxisinventar.

    Die medizinischen Geräte werden vor Ort dringend benötigt. Es läuft einem eiskalt über den Rücken, wenn Eyni Azar über die hygienischen Verhältnisse in afghanischen Zahnarztpraxen spricht und über die Behandlungsmethoden ihrer Kollegen spricht. Diese sind mit westlichen Verhältnissen kaum zu vergleichen. So nennt die iranische Zahnärztin einige Beispiele, die sie bei Stippvisiten in einigen Praxen vor Ort mitbekommen hat. Eine Betäubungsspritze für sieben Patienten. In den Spülbecken klebt das Blut – oft zentimeterdick. Schmutzige Praxen. „Es geht dort oft zu, wie auf dem Basar“, erzählt Eyni Azar. Schließlich führe die mangelnde Hygiene dazu, dass 70 Prozent der afghanischen Bevölkerung sich mit Hepatitis B infiziert habe.

    Ganz anders sieht es in der von Azar geleiteten International Dental Clinic in Herat aus. „Alles blitzt und ist blütenweiß“, beschreibt Andreas Ziehr, Vorstandsmitglied von Shelter Now, die Situation vor Ort. Und gerade deswegen würden sich auch viele Prominente, wie beispielsweise der afghanische Energieminister oder der Sicherheitsberater von Staatspräsident Karsai, von Azar und ihren Kollegen behandeln lassen. Sie müssen für ihre Behandlung selbstverständlich bezahlen, während die normale Bevölkerung nichts bezahlen muss.

    In Afghanistan hat sich die Kunde von der Klinik, die nach westlichen Standards arbeitet, schnell herumgesprochen. „Es kommen derart viele Patienten, dass wir mittlerweile sogar Termine vergeben müssen“, erzählt Zahnärztin Azar. Und viele würden nur dann kommen, wenn es richtig weh tut. „Die Afghanen kennen keine Mundhygiene“, berichtet die Medizinerin. In den meisten Fällen kommen erst dann, wenn sie große Not haben. Das heißt, wenn es richtig weh tut. Also dann, wenn nur noch Wurzelreste vorhanden sind oder sich schon Abszesse gebildet haben.

    Eyni Azar hat aber nicht nur mit diesen medizinischen Herausforderungen zu tun. Sie muss sich auch gegen das afghanische System, vor allem gegen die überall vorherrschende Korruption, behaupten. „Was nicht immer einfach ist“, lächelt sie. Die iranische Ärztin erinnert sich an den Druck, den ein Kontrolleur des Gesundheitsministeriums auf sie ausübte. Weil in der Klinik auch Ärzte und Helferinnen ausgebildet werden und ein Techniker arbeitet, wollte er, dass sie seinen Sohn, auch ein Zahntechniker, in der Klinik anstelle. Er stürmte sogar die Praxis. Aber Eyni Azar blieb standhaft, informierte den Direktor des Gesundheitsamtes und hatte Erfolg.

    Ein anderes Problem ist die Sicherheitslage in Afghanistan, die zunehmend schlechter werde. Eyni Azar berichtet vom Chaos im Land, von einer nicht vorhandenen Infrastruktur, von einer machtlosen Regierung und von den Versuchen der Taliban, sich überall zu verteilen. „Explosionen und Anschläge gehören zum täglichen Leben“, sagt sie. „Das muss Ausländern, die dort arbeiten, bewusst sein.“ Wenn Eyni Azar das Haus verlässt, hat sie in ihrer Tasche alles Notwendige. Der Gedanke, dass sie nicht mehr zurückkommt, ist ihr stetiger Begleiter.

    Die zerlegte Ochsenfurter Zahnarztpraxis wird wahrscheinlich im März von Hopferstadt aus die Reise nach Afghanistan antreten. Die Bundeswehr aus Veitshöchheim wird den Transport übernehmen. „Ein Segen“, sind sich alle Beteiligten einig. Bernd Höland aus Oberickelsheim hatte dies eingefädelt, weil er die nötigen Kontakte hatte. Als nächstes möchte die Hilfsorganisation Shelter Now ein Labor in der afghanischen Zahnklinik einrichten. Und was fehlt dann noch? Eine große Hilfe für den weiteren Erfolg der Zahnklinik wäre ein Techniker, sagt Johannes Gessner. Er müsste vor Ort die Praxis warten und Schulungen für das Personal durchführen.

    Weitere Informationen zum Projekt, Spendenadressen und Kontaktdaten gibt es im Internet unter:  http://www.shelter.de/.

    Shelter Now

    Schutzdach oder Zuflucht bedeutet das englische Wort „Shelter“. Zugleich spiegelt sich hier auch die Philosophie der internationalen Hilfsorganisation wider – den Ärmsten der Armen Essen und Trinken und ein Dach über den Kopf zu geben. Seit über 25 Jahren leistet Shelter Now humanitäre Arbeit in Afghanistan und Pakistan. Von der Nothilfe für Kriegsflüchtlinge oder Erdbebenopfer bis hin zum Wiederaufbau in Afghanistan und langfristig angelegte Entwicklungsprojekte. In den beiden Ländern sind nach Angaben der Organisation 40 internationale Mitarbeiter und mehrere hundert einheimische Helfer tätig. Das Koordinierungsbüro der internationalen Hilfsorganisation hat seinen Sitz in Braunschweig. Außerdem ist Shelter Now in den Niederlanden, Großbritannien, den USA und Australien vertreten.

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