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Würzburg: Domkapellmeister Alexander Rüth: "Wir wollen mit der Musik eine Botschaft übermitteln, da bin ich Überzeugungstäter"

Würzburg

Domkapellmeister Alexander Rüth: "Wir wollen mit der Musik eine Botschaft übermitteln, da bin ich Überzeugungstäter"

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    Alexander Rüth im kleinen Probensaal der Würzburger Dommusik. Seit einem Jahr ist er verantwortlich für alle musikalischen Themen der Kathedralkirche.
    Alexander Rüth im kleinen Probensaal der Würzburger Dommusik. Seit einem Jahr ist er verantwortlich für alle musikalischen Themen der Kathedralkirche. Foto: Julien Becker

    Seit einem Jahr ist Alexander Rüth Domkapellmeister in Würzburg. Der 37-Jährige, geboren in Wörth am Main (Lkr. Miltenberg), hat in Köln Dirigieren, Kirchenmusik und Schulmusik studiert und war bis 2021 zehn Jahre lang Domkantor in Würzburg. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Münstermusikdirektor in Konstanz kehrte er vor zwölf Monaten zurück - als Gesamtverantwortlicher ist er nun zuständig für alle musikalischen Fragen rund um die Kathedralkirche, von der musikalischen Früherziehung bis zur musikalischen Ausstattung der Liturgie, von Domsingknaben und Mädchenkantorei bis zu Domchor und Choralscholen. Wie erlebt er seinen Job in Zeiten, in denen die Kirche immer stärker in der Kritik steht?

    Sie haben gerade erzählt, Sie sind musikalischer Spätzünder - ab wann hatten Sie den Berufswunsch Musik?

    Alexander Rüth: Ich musste mich mit 14, 15 erstmal abnabeln vom Leistungssport, den ich bis dahin betrieben habe. Und dann musste ich rausfinden, ob ich so verrückt sein darf und kann, als Spätzünder Musik zu studieren. Ich bin nach Aschaffenburg aufs musische Gymnasium gewechselt. Dort hat es mir sehr gutgetan, lauter gleichgesinnte Musikverrückte um mich zu haben. Da wurde klar: Ja, das musst du machen!

    "Als Instrumentalist kam ich von der Orgelimprovisation, aber im Studium wurde mir das zu einsam."

    Wie Alexander Rüth zur Chorleitung fand

    Wie ging's weiter?

    Rüth: Ich bin nach bestandener Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule Köln quasi vom sportlichen Vielkampf in den musikalischen Vielkampf eingestiegen. In der Kirchenmusik hat man Chorleitung, Orgel- und Klavierunterricht, Gesang, theoretische Disziplinen. Als Instrumentalist kam ich von der Orgelimprovisation, aber im Studium wurde mir das zu einsam. Ich wollte nicht nachts noch in die Kirche steigen, um zu üben, sondern zusammen mit Menschen Musik machen. Mit Chören vor allem.

    Sie müssen rasend schnell Fortschritte gemacht haben.

    Rüth: Vielleicht wollte ich es einfach wissen. Klar, ich musste einiges aufholen, aber mein Wille hat da wohl einiges beigetragen.

    Sie waren bis 2021 hier Domkantor. Nun sind Sie nach einem kurzen Zwischenspiel in Konstanz Domkapellmeister - ist es anders, jetzt für alles verantwortlich zu sein?

    Rüth: Absolut! Wir haben mit über 600 singenden Menschen eine regelrechte Chorakademie. Die zu prägen in nicht einfachen Zeiten für Kultur und Musik, gerade mit Laien, ist unglaublich spannend. Kirche steht als Institution mit dem Rücken zur Wand, in vielen Dingen zu Recht, und damit muss man umgehen. Aber ich will versuchen dem Ganzen sein gutes Gesicht zu geben.

    Fester Termin im Jahreslauf: Weihnachtskonzert 2022 mit den Würzburger Domsingknaben. Am Pult: Alexander Rüth.
    Fester Termin im Jahreslauf: Weihnachtskonzert 2022 mit den Würzburger Domsingknaben. Am Pult: Alexander Rüth. Foto: Patty Varasano

    Wie sehr regiert das Domkapitel in Ihre Arbeit hinein?

    Rüth: Ich kam mit einigen neuen Ideen, die in das Hoheitsgebiet eines Domkapitels hineinragen. Ich bin froh, dass ich dafür große Rückendeckung erfahre, auch für experimentelle Ansätze. Es gibt Domkapitel, die sind bestimmt strenger. Wir haben zum Beispiel ein neues Format: das musikalische Abendgebet - eine Art Schnittstelle zwischen Gottesdienst und Konzert, einmal im Monat freitagabends.  

    Wie hat sich Corona bemerkbar gemacht?

    Rüth: Ich habe mehrfach erlebt, dass Musikerinnen und Musiker aufgeben mussten und in andere Berufe abgewandert sind. Hier haben wir es ja vor allem mit musikalischen Laien zu tun, da gab es wenig Einbrüche. Wir haben - anders als in Konstanz - kein grundsätzliches Nachwuchsproblem. Aber wir konnten keine Nachwuchs-Akquise betreiben - nicht an die Schulen gehen, nicht für uns werben. Das heißt, unsere Vorchöre waren stark geschwächt. Das merken wir jetzt.

    "Unser 'Produkt' ist ein sehr starkes in der Kirche, wir haben viele Antworten oder Antwortansätze auf die aktuellen Probleme."

    Alexander Rüth zum Thema Kirchenferne

    Wie sehr spüren Sie in der Dommusik, was gerade in der Kirche diskutiert wird?

    Rüth: Wir merken, dass unsere musikalische Arbeit große Anziehungskraft hat. Wir haben aber auch viele gläubige Sängerinnen und Sänger - sehr ökumenisch übrigens. Ich bin auch stolz, dass manche muslimische Familie toleriert, dass ihre Kinder bei uns im Gottesdienst singen. Über Spiritualität sprechen wir natürlich auch - wir haben mit Alexandra Eck eine geistliche Begleitung. Denn mir ist wichtig, dass wir mit unserer geistlichen Musik eine Botschaft vermitteln, da bin ich Überzeugungstäter.

    Religion und Kirche spielen in weiten Teilen der Gesellschaft kaum mehr eine Rolle. Merken Sie das?

    Rüth: Klar, es wird schwerer. Da ist es wichtig, dass man darüber spricht. Die Menschen werden kritischer, wachsen kirchenferner auf. Aber die, die bei uns mitmachen, haben ein Moralbewusstsein. Das wird etwa bei Freizeiten deutlich. Wenn die Älteren auf die Jüngeren aufpassen und ihre Vater- und Mutterinstinkte entdecken. Die haben einen eingebauten Moralkompass, und da bin ich stolz drauf. Da können die christlichen Werte sehr gut mithalten. Unser "Produkt" ist ein sehr starkes in der Kirche, wir haben viele Antworten oder zumindest Antwortansätze auf die aktuellen Probleme. Aber wir müssen uns über unsere Institution Gedanken machen. Und über das Wie nach außen. Und da ist Musik ein gutes Medium.

    Das nächste Konzert: Domkonzert "Totentanz" - Werke zu Tod und Vergänglichkeit von Hugo Distler,  Heinrich Schütz und Hugo Wolf. Miroslav Nemec und Martin Maria Eschenbach, Sprecher, Stefan Albers, Flöte, Silas Bischoff, Laute, Kammerchor am Würzburger Dom, Domkapellmeister Alexander Rüth. Sa., 21. Oktober, 19 Uhr.

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