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WÜRZBURG: Drei junge „Ossis“ berichten über ihre Anfänge und ihr Leben in Würzburg

WÜRZBURG

Drei junge „Ossis“ berichten über ihre Anfänge und ihr Leben in Würzburg

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    Wie hat es Euch nach Würzburg verschlagen?

    André Horn: Meine Schwester studiert hier Medizin und arbeitet nebenher in der Daxbaude. Da haben wir uns mal über Arbeitszeiten und Gehalt unterhalten und ich habe ihr erzählt, dass ich in Dresden im Schnitt 210 Stunden im Monat arbeite und mit Glück am Ende auf 900 Euro komme. Da ist ihr das Gesicht eingeschlafen. Als dann in der Daxbaude ein Koch aufgehört hat, hat sie mich sofort angerufen und ich bin Ende Juli zum Probearbeiten gekommen: am 1. September habe ich dann schon angefangen.

    Diana Nelius: Ich bin schon seit acht Jahren im Westen, aber bei mir war es Zufall, dass ich hier gelandet bin, ich wollte eigentlich nach Dresden. Aber dann hat mein Freund Schluss gemacht und da habe ich mir gesagt, dann fange ich eben ganz woanders ganz neu an. Ich habe mich in einigen Städten bei der Telekom beworben, und Würzburg hat mir sofort sehr gut gefallen. Es war Ende Juni, die Biergärten und Cafés waren offen und der Betriebsrat hat mich gleich zum Kaffee eingeladen, das waren alles so Sachen, die haben es mit ausgemacht.

    Cindy Kloss: Du bist ja fast genauso verrückt wie ich (lacht). Ich habe bei einer internen Firmenreise mit einem Kollegen gesprochen, der in Würzburg studiert hat, und der hat mir gesagt, wenn Du neue Herausforderungen suchst, dann geh nach Würzburg. Ich habe da schon gewusst, dass ich nicht nach Köln, Stuttgart, Berlin oder München wollte. Dann hat der am Abend auch noch so über Würzburg geschwärmt, über die Weinfeste, die Weinberge, die Festung Marienberg und die Residenz, dass ich gesagt habe, dann gehe ich dahin.

    Ich habe meinen Bruder noch gleich aus Namibia angerufen und gesagt, wir müssen mal nach Würzburg, ich ziehe demnächst dorthin. Als der gefragt hat, wo das liegt, habe ich gesagt, keine Ahnung, guck doch mal auf die Karte.   Am nächsten Freitag haben wir uns getroffen und in Zell im Schnatterloch eingemietet und haben dann drei Tage Würzburg auf den Kopf gestellt. Dann bin ich wieder nach Hause und habe beschlossen, das wird ein Neuanfang. Das war im Juli 2005, und im Januar 2006 war ich hier.

    André: Also ich fühle mich, als wäre ich schon ewig hier, echt. Wenn man mich jetzt fragen würde, ich würde nicht mehr zurückgehen. Das erste Mal zu meiner Schwester nach Würzburg bin ich übrigens mit dem Zug gekommen. Da habe ich mir allerdings schon gedacht, aha, wenn die Stadt so aussieht, wie der Bahnhof – also es gibt schönere.

    Diana: Aber der Eindruck verfliegt sofort, wenn man weiter in die Stadt rein läuft, schon in der Kaiserstraße mit den ganzen Geschäften fängt es an.

    André: Generell, die ganze Stadt ist schön.

    Cindy: Aber die Anlieger schimpfen doch alle über die Kaiserstraße.

    Diana: Ja gut, aber die war eben belebt und es war Sommer und im Gegensatz zum Bahnhof...

    Cindy: Ich bin mit dem Auto reingekommen und hab die Weinberge und die Residenz gesehen und die war abends dann beleuchtet, das hat mir gefallen.

    Ist es leicht, als Ossi im Würzburg Anschluss zu finden?

    Diana: Anfangs war ich immer alleine unterwegs, hab mich in ein Café gesetzt und was getrunken. Und irgendwann hab ich mal Musik in der Stadt gehört, es war schon dunkel und ich bin losgelaufen und da war das Winzerfest auf dem Viehmarktplatz, das muss also 2001 gewesen sein. Da war eine Pfadfindergruppe aus Australien, und die hatten Würzburger Bekannte, und die zwei Jungs haben dann das einsame Mädchen dazugeholt. Mit denen bin ich dann ein paar Tage später mal losgezogen und bin bis heute mit der ganzen Clique unterwegs. Inzwischen ist beim Weggehen das Verhältnis Ossis zu Wessis etwa halbe halbe, besonders seitdem ich Cindy kenne (lacht).

    „Der Franke ist manchmal schon sehr verschlossen.“

    Diana Nelius -  Seit acht Jahren in Würzburg

    Ich hab davor mehrere Versuche gestartet, Bekanntschaften zu schließen, am Schlimmsten war es mal auf Kiliani, da saß ich mal drei Stunden an einem vollen Tisch, aber ich wurde nicht angequatscht, selbst von Studenten. Mal angestoßen ja, aber ein Gespräch, da ging einfach nichts. Der Franke ist manchmal schon sehr verschlossen.

    Cindy: Ich war von Anfang an auch viel unterwegs, habe ja auch beruflich viele Kontakte geknüpft, aber von vielen Telefonnummern, die man austauscht, hat man dann nur mit einer Handvoll wirklich regelmäßigen Kontakt.

    Diana: Ja das ist schwierig, wenn Du hier abends doch mal jemanden kennenlernst und dich unterhältst, dann ist das nicht wie bei uns im Osten, dass man dann ganz unverbindlich sagt, wann trifft man sich mal wieder? Nee, da heißt es hier dann: Tschüss, schönen Abend noch, bis irgendwann.

    Gibt es Ost-West-Konflikte?

    Diana: Nee. Klar, an die Sprüche muss man sich gewöhnen, das geht rechts rein und links wieder aus. Es gibt solche und solche, wie drüben auch.

    André: Die Menschen hier sind freundlicher als drüben. Ich finde auch, dass die Leute hier auf der Straße viel entspannter sind als in Dresden, da hetzen sie immer durch die Stadt von einem Termin zum anderen, so was siehst Du hier gar nicht.

    Diana: Das ist hier wie im Urlaub, so ein richtiges Urlaubsfeeling kommt da auf.

    André: Ja die haben hier die Ruhe weg und die kommen mir alle so entspannt vor.

    Cindy: Entspannt?

    André: Ja, das finde ich, wenn du hier durch die Stadt gehst, da rennt keiner.

    Diana: Die bummeln alle.

    Cindy: Da habt ihr vielleicht die Touristen vor den Augen.

    André: Ja vielleicht.

    Cindy: Ich finde, die hetzen hier genauso wie in Dresden, die einzigen, die relaxt sind und grinsen und überall stehen bleiben sind die Touristen.

    André: Aber es fällt irgendwie nicht so auf.

    Diana: Das ist trotzdem eine entspannte Stadt, egal ob Touristen oder nicht. Deswegen hatte ich auch lange ständig das Gefühl ich bin hier im Urlaub.

    André: Ja die ersten drei Wochen war das wirklich so.

    Diana: Bei mir ging das jahrelang so, das ist extrem krass gewesen. Jedes Mal wenn ich aus Cottbus wieder hergekommen bin, habe ich gedacht, jetzt geht der Urlaub wieder weiter. Wahrscheinlich lag es wirklich daran, dass ich die ganzen Touristen von zuhause nicht gewohnt war.

    Andre: Auch bei der Arbeit gab's da nichts, wahrscheinlich weil wir so ein kleiner Betrieb sind, wie eine Familie. Das war gleich beim Probearbeiten schon so, manchmal ziehen sie mich ein bisschen auf wegen meinem sächsischen Dialekt. Aber da lachen wir drüber. Aber hier versteht mich wenigstens auch jeder wenn ich wie zuhause sage „Dreiviertel vier“.

    Cindy: Ich habe „keene“ Ahnung, so etwas verrät einen immer ein bisschen, aber sag mal André, wie viele Fußballspieler gibt's auf dem Feld?

    André (sächselt): Ölf! (alles lacht) Mich hat auch mal einer der Kollegen gefragt, ob ich mal „heian“ will. Ich habe gesagt, ne ich bin nicht müde – er wollte aber eigentlich wissen, ob ich mal heiraten möchte. Was ich hier schnell gelernt habe: wir sind nicht in Bayern sondern in Unterfranken.

    Habt Ihr Euch an den Frankenwein gewöhnt?

    Diana: Ja, ich kaufe meinen Wein immer bei meiner Genossenschaft in Thüngersheim, den habe ich mal probiert, da weiß ich wie er schmeckt.

    André: Mit dem Wein hier habe ich mich noch nicht so anfreunden können, ich mag mehr die lieblichen Weine, da trinke ich Moment mehr Bier.

    Cindy: Apropos Bier, wenn ich mir manchmal hier ansehe wie die jüngeren Leute jeden Abend um die Häuser ziehen! Bei uns war das Leben früher viel mehr durchorganisiert. Wir hatten in der Stadt Wohnkomplexe. In jedem Komplex gab's eine Schule, eine Schwimmhalle, einen Kindergarten, Läden, da gab's alles in jedem Viertel. Da war es nicht so, dass die Leute mal nichts zu tun hatten am Wochenende, die waren immer irgendwo dabei und natürlich auch beim Sport. Sport und Musik, das wurde bei uns großgeschrieben.

    Diana: Das war bei euch in der Großstadt, ich bin auf dem Land groß geworden, wir haben da gar nichts gehabt.

    André: Ich kenne das aber auch, wenn du keine Musik gemacht hast, hast du Sport gemacht, Fußball, Handball, Volleyball. Und wenn du jetzt guckst was die hier machen, da siehst du sie nachmittags um zwei schon mit dem Bier in der Hand herumziehen.

    Cindy: Das ist aber hier in manchen Stadtteilen auch anders, wie zum Beispiel in Lengfeld. Wenn Du da nicht beim Verein dabei bist, bist Du fast schon Außenseiter.

    Hat denn schon mal einer von Euch bereut, dass er hergezogen ist?

    André, Cindy, Diana: Nein. Würzburg ist schon schön. Aber um sich wirklich wohlzufühlen, muss man auch selber etwas dafür tun.

    Online-Tipp:

    Alles zum Thema Mauerfall: www.mainpost.de/geschichte

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