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WÜRZBURG: Ein abgründig schöner Musiktheaterabend

WÜRZBURG

Ein abgründig schöner Musiktheaterabend

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    Einen abgründig schönen Musiktheaterabend hat András Hamary den Tagen der Neuen Musik mit seinen „Dead Wall Tales“ geschenkt. Nach der Vorlage von Herman Melvilles „Bartleby, der Schreiber“ (1853) hat der Würzburger Klavierprofessor ein einstündiges Gesamtkunstwerk aus (Video)Kunst, Musik, Sprechtheater und Tanz geschaffen, das im Theater der Musikhochschule den perfekten Raum gefunden hat.

    Das bedrückend melancholische, aber auch verhalten komische Stück schwebt irgendwo zwischen Dada, Surrealismus und Minimalismus. Die absurde Handlung erinnert an Kafka, das Zwei-Mann-Standbild – als Vor- und Nachspann des Stückes – an eine altgriechische Skulptur.

    Psychologischer Adlerblick

    Mit ästhetischem und psychologischem Adlerblick hat der 65-jährige Komponist die schicksalhafte Verbindung zwischen einem Londoner Rechtsanwalt (Christian Golusda, auch für die Inszenierung verantwortlich) und dessen Schreiber Bartleby (Patrick Erni) verarbeitet.

    Bartlebys Sozialverhalten trägt deutlich autistische Züge. Er wirkt in sich gefangen und schweigt hartnäckig. Die entscheidenden Worte, mit denen er seinen Dienst quittiert, spricht er niemals aus. Er tippt sie auf Schreibmaschine. Auf der Leinwand im eleganten Hochformat entfalten sie ihre ganze Wucht: „Ich möchte lieber nicht“.

    Bemerkenswert ist András Hamarys Gespür für Bildästhetik. Am Computer hat er ein graziöses, meist schwarz-weiß gehaltenes Linien- und Figurenballett entworfen, welches das sparsame Bühnengeschehen kommentiert, erweitert oder ersetzt.

    Bäume in Scherenschnittoptik

    Feine schwarze Linien verdichten sich zu kahlen Bäumen in Scherenschnittoptik, Ornamente und Gestalten fließen amöbenhaft ineinander, und in den langgliedrig staksigen Strichmännchen trifft Comic auf Alberto Giacometti.

    Trotz ihrer Ausdruckskraft lenken die Bilder nie von Hamarys unaufdringlicher wie magischer Musik ab, die ausschließlich vom Band kommt. Live eingespielte Klänge eines präparierten Flügels, oft rhythmische Patterns, mischen sich mit elektronisch erzeugten Percussion- und wenigen Streicherklängen – eine virtuelle Melange mit verstörend realer Wirkung.

    Das berührend umgesetzte Zwei-Mann-Ballett zwischen Anwalt und Bartleby, der sein „Ich möchte nicht“ in den Boden tanzt wie ein störrischer Esel, vollzieht sich zu einem unnachgiebig hämmernden Klavierrhythmus.

    Zusammen entwickelt das einen unheimlichen, geradezu verführerischen Sog.

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