Liebevoll angeordnet reiht sich ein Werk nach dem anderen im Regal aneinander. „Brücke über Istanbul“ von Geert Mak, „Portugiesische Eröffnung“ von Jenny Siler oder „Tausend strahlende Sonnen“ von Kahled Hosseini – diese Drei gehören zu den besten Büchern des Monats August. „Die Buchbesprechungen machen wir immer selbst“, erklärt Elisabeth Stein-Salomon, die zusammen mit Bruder Martin und Vater Werner Stein die Akademische Buchhandlung Knodt leitet. Auch das Literaturfrühstück im Café Poppular oder Lesungen im Theater am Neunerplatz gehören zu den Angeboten des Familienunternehmens, das eine aufregende Geschichte zu erzählen hat.
Stein-Salomons Großvater August Knodt war derjenige, der am 1. Dezember 1933 die Buchhandlung von einem Juden übernahm. Er selbst war bis dato Parteimitglied in der SPD, konnte also während des Nazi-Regimes nicht mit eigenem Namen auftreten. So hieß das Geschäft – damals in der Theaterstraße ansässig – zunächst nach seinem Stiefsohn „Edmund Nagel“. Während des Krieges führten es seine Frau Elisabeth und Tochter Evi Knodt allein weiter.
Medizinische Fachbücher
In den Regalen standen zu dieser Zeit überwiegend Belletristik- und Sachbücher. „Die Geschäfte liefen nicht gut, es wurde nur wenig verlegt“, erzählt Stein-Salomon ais dieser schwierigen Zeit. Da kam Evi Knodt auf die Idee ein weiteres Feld zu eröffnen: Fachbücher für die Würzburger Medizinstudenten. Dieser Bereich ist bis heute im Erdgeschoss der Buchhandlung angesiedelt.
Als Würzburg am 16. März 1945 bombardiert wurde, fiel auch der Buchladen den Flammen zum Opfer. Die Familie Knodt stand vor den Trümmern ihrer Existenz, doch der Mut verließ sie nicht. In einer Privatwohnung wurde weiter verkauft, dann „haben wir einen Büchertisch in der Metzgerei in der Kaiserstraße bekommen“, erinnert sich der 83-jährige Werner Stein, der zu dieser Zeit Stein-Salomons Mutter Ulli Knodt heiratete und ins Familienunternehmen einstieg. „Da standen wir mit fünf Fachbüchern im Angebot da, mehr gab es nicht.“
Einige Zeit später eröffnete die Familie den Laden in der Kaiserstraße, diesmal unter dem Namen „August Knodt“. „Aufbruchstimmung war angesagt. Es gab großen Hunger nach Information. Alles, was man in der Kriegszeit versäumt hatte, sollte nachgeholt werden“, so Stein.
Schnell fingen die Knodts an, Literaturabende zu organisieren. Der Philosoph und Soziologe Theodor Adorno ist einer, an den sich Werner Stein gerne erinnert. „Er wirkte sehr vornehm, war sehr zurückhaltend.“ Auch Martin Walser oder Günther Grass, der aus „Die Blechtrommel“ las, waren zu Lesungen in Würzburg. Mit Grass, so Stein, habe er damals einen Schoppen getrunken. „Nachdem er der Kellnerin den Bierdeckel signiert hatte, reichte er ihn mir und ich unterschrieb mit Maupassant“, lächelt er über den Witz des Autors, den er aber auch als eitlen Menschen kennengelernt hat.
„Nach dem Krieg war Aufbruchstimmung. Es gab großen Hunger nach Information“
Werner Stein
In diese Welt der Literatur wurden die heute 53-jährige Elisabeth Stein-Salomon und ihr Bruder Martin hinein geboren. „Als kleines Mädchen war ich bei den Lesungen dabei und himmelte Martin Walser und Peter Handke an“, erzählt sie. Verändert habe sich der Beruf des Buchhändlers enorm – spätestens mit dem Internet sei die Beschaffung von Büchern und Bibliografien nahezu perfekt geworden. Früher, erzählt Werner Stein, habe er noch in der Schlange auf der Buchmesse gestanden, um an die neuen Bestseller heranzukommen. Und: Der Kontakt zu Verlegern sei intensiver gewesen, man kannte sich, „wusste, an wen man sich bei Ärger wenden kann“. Heute ist alles anonymer, aus vielen kleinen Verlagen sind Großkonzerne geworden.
75 Jahre mit allen Höhen und Tiefen hat die Buchhandlung, die seit Februar 1976 in der Textorstraße angesiedelt ist, überlebt. Wie lautet ihr Erfolgsrezept? „Begeisterung und viel Kraft, Ideen umzusetzen“, sagt Elisabeth Stein-Salomon lächelnd. Und vielleicht auch, nicht auf jeden Zug aufzuspringen. So habe sie zwar Auto-Biografien wie beispielsweise von Dieter Bohlen oder Oliver Kahn mit im Sortiment, den Ausstellungstisch jedoch schmücken Werke, die ihr besser gefallen.
Ihr Beruf erfüllt Stein-Salomon immer wieder aufs Neue, „ich bin schon beim Lesen wieder mit ihm konfrontiert“. Diese Freude will sie auch an ihre sieben Mitarbeiter, unter ihnen zwei Auszubildende, weitergeben. Und: „Sie sollen lernen, das Gelesene anderen zu vermitteln.“ Dass Literatur und die Werte des Lesens in dieser schnelllebigen Zeit aussterben werden, glaubt sie nicht. Auch Werner Stein schüttelt den Kopf: „Ich habe Vertrauen in die Jugend.“
Viele Veranstaltungen bietet die Buchhandlung im Jubiläumsjahr: Nächster Termin ist an diesem Sonntag, 3. August, 11 Uhr, ein Rundgang mit dem Biologen Joachim G. Raftopoulo durch den Hofgarten der Würzburger Residenz unter dem Titel „Laubengänge Rosenduft und Wasserspiele“. Treffpunkt: Franconia-Brunnen, Teilnahmegebühr drei Euro. Mehr Infos unter: www.knodt.de