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WÜRZBURG: Ein ehemaliger Lehrer bringt Nonnen zum Lachen

WÜRZBURG

Ein ehemaliger Lehrer bringt Nonnen zum Lachen

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    Der pensionierte Lehrer Albrecht Tangerding unterhält als Clown Rita-Schwestern im Alten- und Pflegeheim Haus Clara.
    Der pensionierte Lehrer Albrecht Tangerding unterhält als Clown Rita-Schwestern im Alten- und Pflegeheim Haus Clara. Foto: Foto: Franz Barthel

    Einmal im Monat, an einem Dienstag, verlässt der pensionierte Lehrer Albrecht Tangerding, Jahrgang 1946, am frühen Nachmittag das Haus mit zwei, manchmal sogar drei großen Koffern, als würde er eine längere Reise antreten. Aber schon am späten Nachmittag kommt er mit all seinem Gepäck zurück. Was macht dieser Mann? Ganz einfach: Er verbreitet Freude im Würzburger Kloster der Rita-Schwestern in der Sanderau, im Haus Clara, dem Alten-und Pflegeheim – ist Clown.

    Grandios gescheitert

    Begonnen hat alles, so Tangerding, vor Jahren mit einer „Bauchlandung“. Typisch Lehrer, habe er für die ersten Auftritte im Kloster ein Konzept bis ins Detail entworfen, einfach gestrickte Unterhaltung zum Zuhören und damit sei er „grandios gescheitert“.

    Er erinnert sich: Nach zehn Minuten schliefen die ersten Schwestern, andere blieben zwar wach, gingen aber raus und kamen nicht mehr wieder. Er sei immer lauter geworden, nervöser, war bald durchgeschwitzt und enttäuscht über die geringe Resonanz.

    Den Kopf abschalten

    Dann fiel ihm ein Tipp aus einem Clown-Kurs ein, den er besucht hatte, und in dem man ihm, dem ehemaligem Lehrer, geraten hatte, den „Kopf abzuschalten“ und sich mit dem Herzen auf das „Gegenüber“ und die jeweilige Situation einzulassen. Heute hat Tangerding auf der Fahrt zu den Schwestern, die in seinem Alter sind und älter, nur ein Schwerpunkt-Thema im Kopf, der Rest „ergibt“ sich spielend, sagt er.

    Schonungslos offen sind mitunter die Reaktionen der Schwestern, zum Beispiel auf musikalische Einlagen mit bewusst eingestreuten Misstönen. „Schö wars fei net, was sie da geblasen ham“, kommentierte eine der Schwestern. Eine Schwester sah den Clown – geschminkt, die Hose mit den viel zu kurzen Beinen, die überdimensionalen Clown-Latschen und die obligatorische rote Nase – vom Flur aus, rief „Ja hammer denn schon wieder Fasching“ und ging weiter.

    Altersbedingte Beschwerden

    Tangerding erlebt die volle Bandbreite altersbedingter Beschwerden und nachlassender Fähigkeiten: Schwestern, die auf eigenen Beinen stehen, andere mit Gehhilfe oder Rollator, gelegentlich wird eine der Schwestern auch mal in ihrem Bett hereingeschoben, Schwestern, die soweit es ums Gedächtnis geht, fit sind und andere, die schon mal was durcheinanderbringen, kurz einnicken, aber sofort dabei sind, wenn gesungen wird. Wer meint, es würden nur fromme Lieder gerufen, irrt. Die Schwestern kennen den Text vom „treuen Husar“ ebenso wie das Lied „Unsere Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. . .“ Also greift der Clown zur Mundharmonika oder einer Mini-Trompete und – los geht's.

    Begegnungs- und Beziehungsclown

    Die Schwestern sind für Albrecht Tangerding nicht Zuschauer, sondern Mitspielende. Es gibt keine Bühne, er steht mittendrin. Er verstehe sich als Begegnungs- und Beziehungsclown, der halt ein bisschen schräg drauf ist. Über sein Programm sagt der Ex-Lehrer: Das sei kein einstudiertes Herumalbern, keine „Vorstellung“, vielmehr versuche er, zu spüren und aufzugreifen, was sich im Augenblick anbietet.

    Es falle gerade bei Dementen nicht schwer, das Kind im Erwachsenen zu wecken, sich mit ihm zu verbünden.

    Zuspruch erhält Tangerding als Clown „Töffi“ immer dann wenn er sich nicht in einem Nebenzimmer sondern live vor seinem Publikum schminkt, nach Vorgaben der Schwestern, oder wenn er Neues aus dem Ein-Euro-Shop präsentiert. Zuletzt waren das zur Jahreszeit passend, tanzende Küken zum Aufziehen. Oder auch wenn er eine Betreuungsperson sucht für Paul, seine knapp einen Meter große Puppe.

    Ins Geschehen einbeziehen

    Wie einst in der Schule, beherrscht es Tangerding auch bei den Rita-Schwestern immer noch, alle um ihn herum, unterschiedlich aktiv, ins Geschehen einzubeziehen. So erzählt er verlegen und stellenweise stotternd, dass er einer Rosalinde einen Heiratsantrag gemacht habe, weil die so gut Erbsensuppe kochen kann. Allerdings habe die Bedingungen gestellt: Erst mal richtig Tanzen lernen, schön auf einem Instrument spielen und ihr einen Kuchen backen. Sofort „hagelte“ es Vorschläge von den Schwestern – und das sind nicht nur Rezepte für den Kuchen. Trotz Arthrose und anderer Beschwerden zeigte manche der Schwestern Tangerding auch klassische Tanzschritte – samt Gehhilfe und Anfassen.

    Er sei gelegentlich richtig glücklich, sagt der Kloster-Clown, wenn es ihm zum Beispiel gelinge, als gespielt Hilfloser in die Welt der Demenz einzutauchen und damit die Kranken dort abzuholen, wo sie gerade seien.

    Bis 2010 hat Tangerding an der Maria-Sternschule sprachbehinderte Kinder unterrichtet und dann im Ruhestand einige Kurse für die Clown-Rolle belegt. Für Zauberkunststücke war er schon als Lehrer bekannt. Aber warum hat er sich danach gezielt die Seniorinnen der Rita-Schwestern im Haus Clara vorgenommen?

    Die Welt der Demenz

    Ausschlaggebend war die eigene demente Mutter. Die hat er aus Nordrhein- Westfalen nach Würzburg geholt, wo sie von 2002 bis 2005 im Altenheim der Rita-Schwestern lebte. Und diese sei hier noch einmal „durchgestartet“, sagt er, er habe seine Mutter noch einmal ganz neu erlebt, als sie unter der fürsorgenden Pflege der Schwestern, noch einmal „aufblühte“. Und was seine Mutter da an Wertschätzung und Herzlichkeit erfahren hat, was die Frau, die sich bereits ganz nach innen verkrochen hatte, noch einmal ins Leben zurückkehren ließ, das habe ihn dazu bewegt, ein bisschen was an die Schwestern zurückzugeben.

    Sein Clownsname „Töffi“ hat mit seinem Enkel zu tun, das aber ist eine andere, etwas längere Geschichte. Manche Schwestern wissen, dass der Clown eigentlich Tangerding heißt. Sagt eine Schwester zur anderen: „Ein merkwürdiger Künstlername, gell?“. Sagte die andere: „Nein, der heißt so.“ Die andere: „So heißt doch kein Mensch“. Doch, versichert Tangerding, in seiner Heimatstadt Bocholt im Münsterland sei der Familienname recht geläufig, und dann kommt beim Clown doch kurz der Lehrer durch: Die Namensendung „-ing“ finde man im Münsterland häufig.

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