Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem ersten Konzert - das war am 2. Oktober 2008 mit der Pink Floyd-Coverband "Off the Wall" - haben die mittlerweile 20 Nutzer der Posthallen am Bahnhof alle Türen geöffnet, die es in dem ehemaligen Briefsortierzentrum zu öffnen gibt. Etwa 1500 Besucher machten am Einheitstag von dem Angebot Gebrauch, hinter die Kulissen zu schauen.
Es gibt viel zu entdecken hinter den Stahlbetonmauern und in den Katakomben - und die Wege sind nicht gerade kurz: Vom Konzert- und Veranstaltungssaal für bis zu 3000 Zuschauer bis ganz ans Ende des langgezogenen Gebäudes zum Lager der SG Records GmbH, wo zwei Menschen in den Dinosaurier-Kostümen der Dino-Metal-Band "Heavy Saurus" Autogramme schrieben, ist man eine Weile unterwegs. Und auf dem Weg dahin standen am Mittwoch viele Türen offen - zum Beispiel zur Schwarzlicht-Fabrik mit einer bunten Kreativwerkstatt für Kids und 3D-Minigolf, zur Lasertag-Arena, zur riesigen Mucki-Bude von Crossfit Würzburg und zu den Ateliers von Fotografen und Kreativen.
Beethovengruppe plant den Abriss
"Ich bin ganz erstaunt, was es hier alles zu sehen gibt", war einer der Sätze, die es von den Besuchern immer wieder zu hören gab. Damit haben JoJo Schulz von der Posthalle GmbH und die weiteren Nutzer ihr Ziel erreicht: "Die Posthallen sind ein Kreativquartier. Das ist ein Pfund, mit dem wir viel mehr wuchern müssen", sagte Schulz. Hintergrund sind die Pläne der Würzburger Beethovengruppe, die Posthallen abzureißen und auf dem Areal ein "Bismarck-Quartier" mit Hotels, Wohnungen und Büros zu errichten.

Was dann aus den Mietern der Posthalle wird, steht in den Sternen. "Es gibt noch keine Lösung", sagt Peter Ott, seit 17 Jahren einer der federführenden Menschen hinter dem komplett ehrenamtlich betriebenen Jugendkulturtreff "Immerhin" im Keller der Posthalle. Hier finden an bis zu 120 Tagen im Jahr Punk-, Rock- und andere Konzerte statt, von deren Sound kein Nachbar belästigt wird.
Ausverkaufte Konzerte und eine Pole-Dance-Schule
"Wir können hier unkommerzielle Sachen machen, die wenig Geld einspielen und daher sonst durchs Raster fallen. Diese Subkultur ist uns extrem wichtig", betont Ott. Zu ausverkauften Konzerten mit international bekannten Bands kommen die Leute teilweise aus ganz Deutschland - zum Beispiel an diesem Samstag, wenn "King Dude" aus den USA auf seiner Europa-Tournee in Würzburg Station macht: "Was wir machen, wertet Würzburg enorm auf. Das hören wir von unserem Stammpublikum ganz oft."
Das Immerhin hat vor acht Jahren unter der Posthalle eine neue Heimat gefunden, so wie inzwischen auch das "Studio 108" für Yoga und Kampfkunst, eine Pole-Dance-Schule und die japanische Trommelgruppe "Todoriki Wadaiko" - sie kann wie viele andere Bands ungestört und jederzeit in der Posthalle proben.
"Diese kulturelle Vielfalt ist ein echter Glücksfall und ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Stadt. Die Posthalle ist ein einmaliges Biotop", sagte der neue städtische Kulturreferent Achim Koenneke. Auch er weiß, dass die Nutzer der Posthalle einer ungewissen Zukunft entgegen sehen: "Das ist heute aber noch keine Abriss-Party. Ich hoffe, dass wir hier auch noch das 15-jährige Jubiläum feiern können", so der Kulturreferent. Und er sagte einen Satz, den man in dieser Deutlichkeit aus dem Rathaus bisher noch nicht gehört hat: Auch nach dem Ende der Posthallen "braucht unsere Stadt diese kreativen Freiräume."
