Sie sind voller Energie dabei, etwas Neues zu schaffen – etwas, was es so noch nie in Würzburg gegeben hat: Einen „unkommerziellen Ort“, wo jeder rein und sein darf. „Freiraum“ nennt sich die Initiative, die federführend von Nina Bärnreuther und Dietmar Kaiser vorangetrieben wird. Seit dem 1. Dezember hat der Verein sein Domizil im Inneren Graben. Dort wird an Heiligabend ab 16 Uhr auch Weihnachten gefeiert – mit allen Menschen, die kommen möchten.
Die „Freiraum“-Leute sind gegen die Produktion kurzlebiger Massenwaren und gegen Lebensmittelverschwendung, sie setzen sich für ein neues soziales Miteinander, die Entdeckung der eigenen Kreativität und für Nachhaltigkeit ein. Viele Ideen decken sich mit jenen des Würzburger Vereins „Luftschloss“, der den Umsonstladen betreibt. Dort haben sich Nina und Dietmar auch kennen gelernt. Beide wünschten sich seit langem einen Ort, wo man einfach hingehen kann, ohne etwas konsumieren zu müssen. Im Freiraum kann man sich Kaffee machen – den man mitbringt oder der gerade da ist. Man kann etwas zum Essen mitbringen oder das verzehren, was andere übrig haben.
Von einer Welt, in der es darum geht, immer mehr Güter zu produzieren, möchte sich das „Freiraum“-Team so weit als möglich abkoppeln. „Wir werden für unseren Treffpunkt auch nichts kaufen“, sagt Nina, 19 Jahre alt, eingeschriebene Studentin der Philosophie und viele Stunden jeden Tag ehrenamtlich aktiv. Noch schaut das Domizil leer und unfertig aus. Draußen hängt immerhin ein buntes Plakat an einer der Schaufensterscheiben. Drinnen gibt es verschiedene, völlig uneinheitliche Sitzmöglichkeiten. Lederhocker. Ein Sofa. Sessel. Stühle. Und eine Kücheneckbank-Garnitur, an der vergangenen Sonntag kreativ gewerkelt wurde.
Ein gutes Produkt ist für die „Freiraum“-Leute eines, das entweder schon eine Geschichte auf dem Buckel hat oder selbst hergestellt wurde. Ein Buch auf der Fensterbank mit dem Titel „Mach neu aus alt“ steht programmatisch für jenen Teil des Vereinskonzepts, der das Kreative mit dem Nachhaltigkeitsgedanken vereinigt. Der „Freiraum“ soll nicht zuletzt ein Ort alternativer Kunst werden, in dem die größte Hemmschwelle zu Kunst und Kultur beseitigt wird: der Eintritt.
Statt Geld sollen im „Freiraum“ Geist und Gemeinschaftsgefühl regieren. „Bei Veranstaltungen werden höchstens Spendendosen aufgestellt“, sagt Dietmar, 41 Jahre alt, der sich selbst, nach seinem Beruf gefragt, als „Postwachstumsmensch“ vorstellt. Das Geld, das er bei allem Konsumverzicht dennoch braucht, verdient er sich durch grafische Arbeiten.
Um die eigene kreative Produktivität entfalten zu können, sind mehrere Voraussetzungen nötig: Es braucht Raum. Material. Und oft auch einen Titel. Der Freiraum stellt Räume zur Verfügung. Verschiedene Materialien sind vorhanden. Und ein Diplom als Künstlerin oder Künstler muss niemand vorweisen, der hier ausstellen, lesen, musizieren, performen oder auf sonst eine Weise kreativ sein möchte.
Wer „Künstler“ ist und wer nicht, das soll nicht länger offiziell von irgendwelchen Institutionen entschieden werden. Weshalb man im „Freiraum“ ohnehin davon abgeht, von „Künstler“ zu sprechen. Man spricht von „Kreativen“. Und jeder, der reinkommt, wird geduzt.
Was die zwölf Vereinsmitglieder bisher gestemmt haben, ist eine tolle Leistung. Und Zukunftsangst? Nein, die gibt es nicht. Obwohl die „Freiraumler“, die am liebsten geldlos leben würden, eine große finanzielle Verantwortung auf sich genommen haben. 665 Euro kostet das Domizil im Inneren Graben pro Monat. Die erste Miete wurde durch zwei Spendenaktionen aufgebracht. Nina und Dietmar sind zuversichtlich, dass es auch in Zukunft gelingen wird, den „Freiraum“ über Spenden zu finanzieren. „Die Resonanz auf unser Projekt ist riesig“, sagen die beiden. Nicht zuletzt auf Facebooks gibt es täglich jede Menge „Likes“.
Der „Freiraum“ im Inneren Graben 6a ist derzeit mittwochs und samstags von 14 bis 22 Uhr und sonntags von 14 bis 20 Uhr geöffnet. Am 24. Dezember gibt's ab 16 Uhr eine Weihnachtsfeier für alle, die kommen.