Endlich wieder ein großer Roman, der von Bali erzählt. Indonesien ist Gastland auf der Frankfurter Buchmesse, die an diesem Wochenende zu Ende geht. Und, Tatsache: Eines der schönsten belletristischen Bücher, die dort noch bis Sonntagabend im Indonesien-Pavillon ausgestellt sind, kommt aus Würzburg. 493 Seiten ist es dick, wunderschön gestaltet, gesetzt und gebunden. Den Umschlag schmückt eine Tropenlandschaft von Walter Spies aus dem Jahre 1939. Sein Titel: „Insel der Dämonen“. Im kleinen, feinen Buchverlag Peter Hellmund ist es erschienen.
Wer hat den Roman geschrieben? Worum geht's?
Lothar Reichel, Radiojournalist in Würzburg, wohnhaft in Oberwerrn und bekannt als Verfasser erfolgreicher Schweinfurt-Krimis, erzählt die – der Untertitel sagt es – „eine Geschichte von Liebe und Tod auf Bali“.
Die indonesische Insel, das Eiland mit den vielen Gesichtern, das so lange noch den Zauber des Unerschlossenen, des Geheimnisvollen bewahrt hat. Für Lothar Reichel ist Bali zu einer zweiten Heimat geworden. Der gebürtiger Schweinfurter hat die ganze Welt bereist. Auf Bali war er schon als junger Mann, und er ist seither immer wieder zurückgekehrt. Doch der 57-Jährige ist keiner dieser Europäer, die dauernd davon schwärmen, wie viel mehr als die westliche ihnen doch die asiatische Kultur entsprechen würde. Im Gegenteil. Was ihn an Bali so fasziniert, ist kaum aus ihm herauszubekommen. Stattdessen hat er den Roman geschrieben.
Im vergangenen Jahr ist „Insel der Dämonen“ beim Würzburger Buchverlag Peter Hellmund herausgekommen. Es ist sein Erstling, auch wenn seine bislang fünf Schweinfurt-Krimis vorher erschienen sind.
Reichel hat das früher entstandene Bali-Buch überarbeitet, und wie ein Frühwerk wirkt es auch nicht. Der Untertitel zitiert bewusst den einzigen anderen Bali-Roman in deutscher Sprache: „Liebe und Tod auf Bali“ von Vicki Baum, erschienen im Jahr 1937.
„Die Literatur hat Bali seltsamerweise eher spärlich entdeckt“, sagt der Journalist und Autor. Im englischsprachigen, vor allem australischen Raum gebe es ab und zu Bücher, Romane, Geschichten, die dort angesiedelt sind. „Deutsche Autoren haben – mit einer Ausnahme – Bali bisher gemieden“, sagt Reichel. Das führe dazu, „dass nahezu alle Urlauber und Reisenden dasselbe Buch im Gepäck haben“.
Jetzt haben Bali-Touristen für das Sofa daheim oder die Hängematte am Strand eine Alternative.
In Lothar Reichels Roman hat Amanda Hesse „Liebe und Tod auf Bali“ dabei, als sie mit Tochter Lena auf der Insel eintrifft. Amanda blickt gegen Ende ihrer mittleren Jahre auf eine frustrierende Ehe mit einem Despoten zurück; Lena, die an ihrer Promotion über mittelalterliche Palazzi in Norditalien arbeitet, blickt einem erfolglosen Berufsleben als Kunsthistorikerin entgegen. Die beiden Urlauberinnen haben vor, Landschaft und Kultur so zu konsumieren wie das üppige Frühstücksbüffet im Hotel. Aber als gute Bildungsbürgerinnen sind sie doch anfällig für die Verheißung eines tieferen Einblicks in das ursprüngliche Bali.
Ein gewisser Diethelm Busche, von dem das Zitat eingangs stammt, stellt einen solchen in Aussicht. Irgendwie rutschen sie da rein: Amanda ist neuen Eindrücken nicht abgeneigt; Lena, die Jüngere aber weitaus Borniertere, lässt sich mitziehen. Die Frauen stimmen Busches Vorschlag zu, aus dem Touristenhotel ins Innere umzuziehen, in eine schlichte Unterkunft inmitten der Reisterrassen. Doch der Mangel an Komfort dämpft schnell ihren ohnehin halbherzigen Entdeckergeist. Und die Ruhe, die dort herrscht (bis auf das infernalische Geschrei der Hähne frühmorgens), muss man auch erst mal aushalten. Doch wie sich herausstellt, gehört all das zu einem Plan, den Busche Schritt für Schritt umsetzt: Lena soll ihm helfen, ein verschollenes Gemälde von Walter Spies aufzuspüren.
Hier berühren sich die beiden Handlungsebenen des Romans zum ersten Mal: Auf der anderen Ebene – datiert um das Jahr 1935 – berichtet eine der historischen Figur Vicki Baum sehr ähnliche Ich-Erzählerin von ihrem Aufenthalt auf Bali und vor allem dem Anwesen von Walter Spies. Spies, ehemaliger Freund des Filmregisseurs Wilhelm Murnau, lebte seit 1927 auf Bali. Wie viele Künstler, Autoren, Intellektuelle der Zwischenkriegsjahre war er fasziniert von der lebendigen Kultur der Insel.
Vicki Baums Besuch bei Spies ist historisch gesichert, die Geschehnisse, die sich im Roman – auf beiden Ebenen – allmählich (aber nicht nur) ins immer Unheilvollere entfalten, sind es wohl nicht, obwohl einige Figuren, etwa Walter Spies, tatsächlich ein tragisches Schicksal ereilt hat. Mehr zur Handlung zu verraten, verbietet sich hier – „Insel der Dämonen“ ist schließlich auch ein bisschen Krimi.
Reichel ist ein guter Geschichtenerzähler. Er versteht es, Bilder und Situationen zu entwerfen, Neugier wecken und die Fantasie in Gang setzen. Seine Beschreibungen von Land und Leuten sind kundig und klischeefrei. Sein Blick ist nah an den Figuren, besonders in den Szenen, in denen sich Amanda und Lena in einer Art innerem Dialog unterhalten. Das macht den dicken Roman kurzweilig und spannend.
Und nach der Buchmesse, wer weiß, wird auf den Liegen an den Hotelpools von Bali vermutlich bald nicht mehr nur Vicki Baum gelesen.
Lothar Reichel: „Insel der Dämonen – Eine Geschichte von Liebe und Tod auf Bali“, erschienen 2014 im Würzburger Buchverlag Peter Hellmund, 24 Euro.