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Einbürgerung aus persönlicher Sicht

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Einbürgerung aus persönlicher Sicht

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    Das Kind ist sechs Jahre alt, erst vor ein paar Wochen ist es mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Alles ist fremd, alles ist anders, und die anderen Kinder sprechen eine Sprache, von der es überzeugt ist, sie niemals sprechen zu können. Neulich ist das Mädchen weinend vom Spielplatz nach Hause gegangen. Die fremden Kinder hatten es angesprochen – doch es hat sie nicht verstanden.

    Viele Jahre später dann: „Ich erkläre feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte.“ Dieses feierliche Bekenntnis setzt den Schlussstein eines bürokratischen Weges und ist der Beginn eines neuen Kapitels. Das erste Kapitel als türkische Staatsbürgerin dauerte 27 Jahre.

    „Warum so lange? Wieso erst jetzt?“, mag der eine oder andere fragen. Nun, eine absolute Antwort darauf gibt es nicht. Vielleicht, weil es mit einem türkischen Pass problemlos und die Möglichkeit eines Tages zurück zu gehen, nicht ausgeschlossen war. Vielleicht waren es sentimentale Gründe. Doch etwas störte: Kein Recht auf politische Mitbestimmung. Wenn alle zur Wahl gehen, bleibt man zuhause, macht in Gedanken sein Kreuz und erwartet mit Spannung die Wahlergebnisse. Doch wirklich mitbestimmt hat man nicht – die eigene Stimme ist nicht dabei.

    Deutschland gehört in mein Leben und ich bin Teil seiner Gesellschaft. Mein Leben wird sich in diesem Land abspielen, ich übe hier meinen Beruf aus und werde eine Familie gründen. Und als Staatsbürgerin der Bundesrepublik Deutschland bin ich nun ein Teil der Gesellschaft mit Verpflichtungen. Bereits mit der Wahl zu meinem Beruf als Journalistin habe ich mich der Demokratie, der Freiheit sowie der Wahrheit verpflichtet – warum also nicht auch als Staatsbürgerin?

    Der bürokratische Teil der Einbürgerung ist mit Behördengängen und dem Zusammenstellen von Dokumenten verbunden. Freundlich wird man im Rathaus beim Amt für Staatsangehörigkeits- und Ausländerangelegenheiten empfangen, beraten und begleitet. Doch nichts an diesen Vorgängen ist emotional – bis auf den Moment des feierlichen Bekenntnisses.

    Ein Jahr lang bringt man deutschen Behörden türkische Unterlagen und türkischen Behörden deutsche Unterlagen – man kriegt neue Anweisungen oder wartet auf Post. Dann befindet man sich im Amtszimmer des Verwaltungsrates. Der Mitarbeiter, der einen monatelang freundlich und geduldig durch den Einbürgerungsdschungel begleitet hat, neben mir: Im Stehen sage ich das feierliche Bekenntnis auf. Zu allem Überfluss hat die Aufregung mir einen Kloß in den Hals gesteckt. Hände werden geschüttelt und dann halte ich sie in der Hand: Die Einbürgerungsurkunde.

    Und plötzlich steht auch das sechsjährige Kind in diesem Raum. Dieses Kind, das dachte, es würde die deutsche Sprache nie lernen, weil sie so schwer ist. Das Kind, das dachte, es muss wieder zurück nach Istanbul. Es ist zufrieden und weiß, dass es schwer ist die deutsche Sprache zu lernen, aber nicht unmöglich. Das Kind ist heute 33 Jahre alt, eine Deutsche und eine Türkin. Ihr Herz ist groß genug für beide Kulturen – denn Deutschland hat sie gelehrt mit beiden gut zu leben.

    Unsere Autorin ist in der Türkei geboren und mit türkischem Pass in Frankfurt aufgewachsen. Pelin Aytac hat in Gießen Fachjournalismus studiert, bei der Zeitungsgruppe Lahn-Dill/Wetzlardruck volontiert und war dann Redakteurin bei der türkischen Tageszeitung Hürriyet. Heute lebt und arbeitet sie – als Deutsche und freiberufliche Journalistin – in Würzburg.

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