Petrus meinte es gut mit den Jugendlichen vom Heuchelhof, als sie vor einem Jahr zu ihrer ersten Radtour aufbrachen. „Wir hatten tolles Wetter“, erinnert sich Ingrid Preischhoff vom Verein Perspektive. Inzwischen wurden nicht nur weitere Touren unternommen: Im März richteten die Jugendlichen zusammen mit Vereinsmitglied Alexander Himmrich eine eigene Fahrradwerkstatt ein. 17 Teenager, die meisten Kinder von Spätaussiedlern, kommen hier bis zu drei Mal in der Woche zusammen.
Von Alexander Himmrich lernen sie, Ketten zu reinigen und Bremsen einzustellen, platte Reifen zu flicken und Achter auszubeulen. „Fahrräder sind mein Hobby“, sagt der 52-Jährige, der 1990 aus Kasachstan nach Deutschland kam. Himmrich weiß, wie schwer es Migranten haben, sich zu integrieren: „Ich musste mit 30 Jahren ganz von vorn anfangen.“
Viele der Jugendlichen, die bei ihm in der Werkstatt Fahrräder reparieren, sind zwar in Würzburg geboren. Dennoch seien sie nicht wirklich integriert. „Die meisten kennen nur den Heuchelhof. In die Stadt oder die Region kommen sie kaum“, sagt Ingrid Preischhoff. Durch das Fahrradprojekt sollen sie ihre Heimat besser kennen lernen.
Dass sie es schafften, aus lauter schrottreifen Rädern ein wahres Schmuckstück zu basteln, darauf sind die Jugendlichen von der Fahrradwerkstatt stolz. Eineinhalb Monate schraubten sie an dem roten Bike, das nun allen zur Verfügung steht. „Wir bekamen zum Projektstart viele Räder geschenkt, die teils in sehr schlechtem Zustand waren“, so Himmrich. Egal. An den klapprigen Drahteseln lernten die 14- bis 16-Jährigen die Geheimnisse der Zweiradmechanik kennen. Mancher Teenager kam so zum ersten eigenen Rad, so Preischhoff: „Die Familien hätten niemals das Geld, um für 200 Euro im Geschäft ein neues Fahrrad zu kaufen.“
Keiner muss Spitzensportler sein, um an den Radtouren teilzunehmen, die der Verein Perspektive zusammen mit der Mobilen Jugendarbeit vom Heuchelhof und Diakon Johann Loch-Karl von der katholischen Gemeinde St. Sebastian organisiert. „Nur die Verkehrsregeln sollte jeder kennen“, so Preischoff. Leider hapere es daran: „Oft biegen die Jugendlichen an der Kreuzung einfach ab, ohne richtig zu schauen.“ Darum plant der Verein Perspektive einen Verkehrsworkshop als Integrationsmaßnahme im Projekt „Fahrradwerkstatt“, das vom Lokalen Aktionsplan der Stadt und vom Stadtjugendring finanziell unterstützt wird.
Werkstattleiter Alexander Himmrich ist für die Jugendlichen inzwischen so etwas wie ein „Seelsorger“ geworden, sagt Perspektive-Vorsitzende Ingrid Preischhoff. Während sie an den Rädern schrauben, rücken sie damit heraus, dass es gerade nicht gut läuft in der Schule. Oder es schon wieder Ärger mit den Eltern gab. In den Familien der Aussiedlerjugendlichen prallen die Ansichten oft hart aufeinander: „Denn die Mütter und Väter sind oft noch in alten Strukturen verhaftet.“ Außerdem ist Himmrich zufolge Zeit ein rares Gut: „Die Eltern müssen viel arbeiten, sie haben oft Niedriglohnjobs. Da bleiben dann die Kinder auf der Strecke.“
Fahrradwerkstatt: Weitere ehrenamtliche Mechaniker für die Werkstatt und Begleiter für die Fahrradtouren sind jederzeit willkommen. Auch werden Fahrradspenden gerne angenommen.
Kontakt Tel. 0178-9018658.