Ein paar Mal hatten sie gechattet und sich pornografische Bilder geschickt. Dann traf sich ein 29-Jähriger aus Nordrhein-Westfalen mit einer elfjährigen Würzburgerin. Auf dem Rücksitz seines Autos hatten die beiden Sex. Und zwar, so der Richter, „alles, was man sich an Sex vorstellen kann“.
Der 29-Jährige, der sich jetzt vor dem Amtsgericht verantworten muss, ist ein kleiner, unvorteilhaft gekleideter Mann mit schütterem Haar. Also alles andere als ein Teenie-Schwarm.
Kennengelernt hatten sich die beiden übers Internet. Der Mann hatte sich als 18-Jähriger ausgegeben, die Schülerin hatte geschrieben, sie sei 14, wenig später aber zugegeben, dass sie erst elf ist. Schnell war Sex das einzige Thema der Kommunikation, die von beiden in einer harten, derben Sprache geführt wurde. Nachdem ein paar pornografische Fotos hin und her geschickt worden waren, vereinbarten der Mann und das Kind an Pfingsten 2016 ein Treffen.
Das Mädchen erzählte ihren Freundinnen von der Chat-Bekanntschaft
Der 29-Jährige holte das Mädchen ab. Die beiden fuhren zu einem Parkplatz im Industriegebiet, zogen sich aus und hatten Sex in allen möglichen Varianten. Dann fuhr der Mann die Schülerin wieder dahin, wo er sie aufgelesen hatte.
Ans Licht kam die Tat, weil die Elfjährige ihren Freundinnen davon erzählt hatte. Als die Eltern davon erfuhren, informierten sie die Polizei.
Im Prozess gegen den 29-Jährigen muss die mittlerweile Zwölfjährige nur eine kurze Aussage machen. Optisch wirkt sie älter, als sie ist. Aber im Kopf ist sie ein Kind. Der Angeklagte sei ihr erster Mann gewesen, sagt sie leise. Als sie ihren Freundinnen erzählt habe, dass sie sich mit der Chat-Bekanntschaft treffen wolle, um Sex zu haben, seien die einen entsetzt gewesen, die anderen hätten das toll gefunden.
Das Mädchen ist kein Kind aus desolaten sozialen Verhältnissen. Ihr Elternhaus ist gut situiert, Vater und Mutter kümmern sich um ihre Tochter, fördern ihre Talente, sorgen dafür, dass ihre Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) therapeutisch behandelt wird. „Man will es gar nicht glauben“, sagt der Vater im Zeugenstand über das, was im Mai 2016 geschah.
Interesse am Sex seitdem sie ein Smartphone besitzt
Die Vernehmung seiner Tochter bei der Polizei wurde auf Video aufgezeichnet, damit das Kind vor Gericht nicht noch mal peinliche Angaben machen muss. Der Film wird im Gerichtssaal abgespielt. Ihr Interesse am Sex sei erwacht, als sie mit zehn Jahren ein Smartphone bekommen habe, erzählt die Schülerin da. Ein „offenes“ Handy sei das gewesen, eines, mit dem man alles lesen und ansehen kann, was das Internet bietet. Die damals Elfjährige schaute Pornofilme – und fand, dass die Leute beim Sex „total bescheuert“ wirken. Trotzdem habe sie „das mal ausprobieren“ wollen. „Ich hatte das ja noch nie gemacht.“ Warum sie sich mit einem Unbekannten einließ, den sie zudem noch „hässlich“ fand, kann die Schülerin nicht erklären. „Vielleicht weil ich reifer bin als andere in meinem Alter“, sagt sie.
Der Angeklagte schaut nicht auf, als das Video abgespielt wird. Er weiß, dass er sich schuldig gemacht hat, als die Polizei bei ihm auftauchte, hat er sofort ein Geständnis abgelegt. Ein psychiatrischer Gutachter bescheinigt dem einfach strukturierten Mann eine „Persönlichkeitsakzentuierung“. Der 29-Jährige sei kein Pädophiler, sagt der Psychiater. Sondern ein Mann mit einer „selbstunsicheren Persönlichkeit“ und „Versagensängsten“. Er attestiert dem 29-Jährigen volle Schuldfähigkeit.
Staatsanwältin fordert drei Jahre Gefängnis
Die Staatsanwältin fordert wegen schweren sexuellen Missbrauchs und der zahlreichen Kinderpornos, die die Polizei auf dem Computer des Angeklagten fand, drei Jahre Gefängnis. Der Verteidiger plädiert für eine zweijährige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll.
Das Gericht verurteilt den Mann wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und des Besitzes, des Erwerbs und der Verbreitung von Kinderpornos zu drei Jahren Haft. Für das, was der 29-Jährige getan hat, sei „eine Bewährungsstrafe undenkbar“, sagt der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.