Zu einer außerordentlichen Versammlung trafen sich die Mitglieder des Vereins für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Würzburg-Heuchelhof. Im Mittelpunkt standen dabei aktuelle Entwicklungen, Inklusion (die Teilhabe an allen Bereichen der Gesellschaft) sowie künftige Herausforderungen. Außerdem stellten Mitarbeiter der seit drei Jahren bestehenden „Zukunftswerkstatt“ Ergebnisse ihrer Tätigkeit vor.
Die Versammlung hatten sich hauptsächlich Eltern gewünscht, informierte Vereinsvorsitzender Hans Schöbel, der außerdem Direktor des Zentrums für Körperbehinderte ist. Etwa zweieinhalb Stunden nahmen sich die Teilnehmer Zeit, um über wichtige Themen zu sprechen.
Fortschritte der Intensivmedizin
Die Fortschritte in der Intensivmedizin stellen die Mitarbeiter der Einrichtung vor große Herausforderungen. Aufgrund dessen besuchen immer mehr Kinder mit einer zunehmenden Bandbreite von Beeinträchtigungen die schulvorbereitende Einrichtung (Kindergarten) sowie die Schule. Deshalb hat die Weiterbildung der Mitarbeiter – insgesamt sind im Zentrum für Körperbehinderte zwölf verschiedene Berufsgruppen vertreten – einen immer größeren Stellenwert.
Während früher bei den im Zentrums Betreuten die Körperbehinderung im Vordergrund stand, kommen nun teilweise soziale Schwierigkeiten wie „herausforderndes Verhalten“ hinzu, war in der Veranstaltung zu erfahren. Die Beeinträchtigungen nehmen komplexere Formen an.
Früher kein Schulbesuch
„Die Schule muss immer differenzierter werden wegen der unterschiedlichen Schüler“, sagte Hans Schöbel. Besonders hob er hervor, dass inzwischen alle Kinder als „bildungsfähig“ gelten. „Das ist ein großer Erfolg.“ Bis vor wenigen Jahrzehnten galt dieser Grundsatz noch nicht; noch in den 1960-er Jahren saßen Kinder und Jugendliche mit Körperbehinderung zu Hause und hatten keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.
Hans Schöbel erklärte, dass in diesem Jahr 13 Jugendliche den qualifizierenden Hauptschulabschluss erreichten. Zwar nimmt die Zahl der Kinder mit Körperbehinderung zu, die in Regelschulen gehen, dennoch gibt es Betroffene, die eine spezielle Förderung brauchen und deswegen auf die Schule im Zentrum angewiesen sind.
Auf dem Heuchelhof ist zudem der Mobile Sonderpädagogische Dienst angesiedelt. Dessen Fachkräfte beraten Lehrer von Regelschulen, die auch Schüler mit Körperbehinderung unterrichten. Derzeit sind dies etwa 70 in ganz Unterfranken. Auf diese Weise wird ebenfalls Inklusion verwirklicht.
„Viele Eltern machen sich Sorgen, für ihre erwachsenen Kinder keine Wohnheimplätze zu bekommen“, sagte Karin Baumgärtner, stellvertretende Gesamtleitung des Zentrums für Körperbehinderte. Dieses Thema gehörte zu den Schwerpunkten der Versammlung. Der Verein reagierte umgehend und seine Vertreter haben bereits wenige Tage nach dem Treffen Gespräche mit dem Bezirk Unterfranken geführt. In enger Zusammenarbeit will man den Bedarf an Wohnheimplätzen ermitteln.
Derzeit verfügt der Verein über insgesamt 60 Plätze für Erwachsene; je 30 im Kilianshof und der Wohnanlage St. Konrad. Um die Inklusion voranzubringen und weil sich manche Erwachsene eine eigene Wohnung oder kleine Wohngemeinschaften wünschen, hat man dafür in den vergangenen fünf Jahren rund 30 Plätze geschaffen – darunter vier Wohngemeinschaften mit je drei Personen.
Ambulant unterstütztes Wohnen
Der Verein mietet die Wohnungen an und stellt sie dann als ambulant unterstütztes Wohnen zur Verfügung. „Dieser Bereich wird weiter wachsen“, so Karin Baumgärtner.
Aber auch die stationäre Betreuung in Dauerwohngruppen wird Zuwachsraten verzeichnen. Aktuell gibt es in drei Gruppen 24 Plätze. Immer mehr Eltern sind allerdings nicht in der Lage, ihre Kinder zu versorgen, lautet die Begründung für die Zunahme.
Geschichte des Vereins
1969 wurde der Verein für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Würzburg-Heuchelhof gegründet; heute hat er rund 265 Mitglieder. Im April 1970 eröffnete man im Gemeindesaal der Auferstehungskirche auf der Sieboldshöhe eine Tagesstätte mit zehn Kindern, im Herbst 1970 kam zusätzlich im Gemeindezentrum St. Alfons eine weitere Gruppe dazu.
1971 hob der Verein in einem Pavillon im Hof des Konradsheims die erste Schule für Körperbehinderte in Unterfranken aus der Taufe; sie hatte zwei Klassen mit je zehn Schülern. Der älteste Erstklässler war damals 17 Jahre alt.
1976 wurde das Zentrum für Körperbehinderte Würzburg-Heuchelhof eröffnet, das unter anderem über eine Schule, einen Kindergarten sowie ein Internat verfügte. Herzstück der Einrichtung ist nach wie vor die staatlich anerkannte Förderschule mit dem Verein als privatem Träger.