Anfangs ist es ein wenig unruhig in den Reihen der Jahrgangsstufe zehn im Forum des Deutschhaus Gymnasiums, als Karl Heinz Bomberg Auszüge aus einem Artikel von Journalistin Britta Baas und ihm vorliest. Beide erzählen von Erinnerungen, die sie an die deutsch-deutsche Grenze haben – sie aus der West-Sicht, er aus der Ost-Perspektive.
Er beschreibt wie geborgen er sich damals, kurz nach dem Mauerbau, unter der Obhut seiner Eltern gefühlt hat und wie das Schutzempfinden später den Gefühlen der Einschränkung und Enge gewichen ist. Neben der geografischen Einengung erzählt er von der geistigen Bevormundung, die er verspürt. Sie ist Anlass für ihn zur Gitarre zu greifen und kritische Lieder zu schreiben, die am 29. Februar 1984 der Grund seiner Verhaftung werden sollten.
Mit Fragen ins Publikum lässt er die Teenager an seinem Vortrag teilhaben. Die anfänglich eher vage Beteiligung bei der Beantwortung bringt Bomberg nicht aus dem Konzept.
Er erzählt von den drei Millionen Menschen, die bis zum Mauerbau aus der DDR geflohen sind und von wichtigen Gesprächen, die man aus Angst vor Bespitzelung der Stasi nicht in seiner Wohnung, sondern auf einem Spaziergängen besprach, bei denen man sich immer wieder vergewisseret, dass kein Dritter zuhörte.
Mittlerweile ist das Getuschel unter den Schülern verstummt und die anfängliche Scheu verflogen. Die Schüler hören dem 56-Jährigen gebannt zu. Immer mehr von ihnen heben den Finger zur Frage.
Der Psychotherapeut Bomberg erzählt, wie er sich unter Anderem auf die Therapie von traumatisierten politischen Gefangenen spezialisiert hat, die mit den Spätfolgen ihrer Inhaftierung noch immer zu kämpfen haben. „Teilweise wirken Erinnerungen heute stärker nach als früher, da unverarbeitete Erlebnisse in der zweiten Lebenshälfte oft wieder hoch kommen“, erklärt der Arzt.
Er selbst hat zur Verarbeitung seiner traumatischen Erlebnisse wieder zur Gitarre gegriffen und Lieder über Amtsmissbrauch, freie Meinungsäußerung und seiner Verhaftung geschrieben. Auch viele poetische Texte zu ähnlichen Themen entstammen seiner Feder.
Zum Ende seines Vortrags gibt er den Schülern eine kleine Kostprobe seiner gesammelten Werke, indem er seine Gitarre nimmt und ihnen, gespickt von einigen Gedichten, eine Auswahl an Liedern vorsingt.
Auf die Schlussfrage aus dem Publikum, was seine größte Angst im Leben sei, antwortet er: „Dass es in Deutschland nochmal zu einem Krieg oder einer Diktatur kommt“ und appelliert an die jungen Erwachsenen, dass auch sie mit verantwortlich sind, rechte Gefahren mit einem Gegengewicht zu versehen.