In seiner ersten Ausstellung als Direktor im Martin-von-Wagner-Museum präsentiert Damian Dombrowski Werke von Armin Reumann. Sie entstanden im Ersten Weltkrieg und waren noch nie öffentlich zu sehen.
Eine Kopfverletzung rettete ihm womöglich das Leben, ebenso sein außerordentliches Talent. Armin Reumann, 1889 im thüringischen Sonneberg geboren, war nur wenige Monate als Soldat im Ersten Weltkrieg im Einsatz, als er am 11. August 1915 in Polen angeschossen wurde. Dennoch wurde der Künstler nicht nach Hause entlassen, sondern ins Lazarett eingeliefert und musste später seine Einheit bis in den Balkan an die griechisch-mazedonische Grenze begleiten. In den Schützengraben wurde er aber nicht mehr geschickt, auch ab April 1916 in Frankreich nicht, wo der Soldat an der Somme und in Verdun miterlebte, wie der Kriegswahnsinn die meisten Opfer forderte.
„Es hatte sich herumgesprochen, dass Reumann ein guter Zeichner und Porträtist war“, erzählt der Würzburger Kunstgeschichtsprofessor Damian Dombrowski. So wurde der Maler, der vor seiner Einberufung zu den Stars der jungen Münchner Kunstszene gehörte, vom Dienst freigestellt und offiziell als Kartenzeichner beschäftigt. Inoffiziell musste er die Köpfe seiner Vorgesetzten auf die Leinwand bannen und sonstige künstlerischen Wünsche erfüllen. Daneben hat er Bilder vom Krieg geschaffen. Dombrowski bezeichnet sie als „visuelles Tagebuch“.
Von den Offiziersporträts ist bis heute kein einziges wieder aufgetaucht. Sie hängen vermutlich noch in den Häusern der Nachfahren oder verstauben auf Dachböden. Spaß bereitet hat dem Künstler diese Zwangsarbeit ohnehin nicht, entlohnt wurde er ebenso wenig. Sogar um die Malutensilien musste er kämpfen. „Er hat sich bitter darüber beklagt“, sagt Dombrowski, der seit 1. Oktober hauptamtlicher Direktor des Martin-von-Wagner-Museums ist. In Verdun habe Reumann aufgrund seines wohl geäußerten Missmuts lapidar zur Antwort erhalten: „Sie können ja wieder in den Schützengraben gehen!“ Er hat es getan, jedoch nicht als Soldat.
Als Künstler hat sich Reumann freiwillig dem lebensgefährlichen Ort genähert, meint Damian Dombrowski. Seine Bildmotive lassen keinen anderen Schluss zu. „Auch wenn nicht alle seine Werke im Schützengraben entstanden sind, muss er die Szenen gesehen haben.“ Reumann war mitten im Geschehen – direkt und indirekt. Und er muss permanent gezeichnet und gemalt haben, denn im Nachlass des Künstlers, der von seinen Enkeln in Sonneberg bewahrt wird, befinden sich mehrere Hundert Kriegsbilder. Sie schildern Leben und Sterben, Angriff und Verteidigung, Niederlagen, Flucht und Gefangennahme, aber auch Alltagsmomente im Quartier während der Gefechtspausen, sogar humoristische Szenen. Allegorische Darstellungen wie die des reitenden Todes zeigen, dass der „beurlaubte“ Soldat ein entschiedener Kriegsgegner war.
„Die Bilder erlauben einen Blick in die Künstlerseele unter besonderen Umständen.“
Kunsthistoriker Damian Dombrowski
Ab Sonntag stellt Dombrowski eine Auswahl von rund 250 Kriegsbildern vor – eine Doppelpremiere: Die ausgewählten Skizzen, Zeichnungen, Aquarelle, Gouachen und Ölbilder Armin Reumanns waren noch nie öffentlich zu sehen. Zudem ist es ist die erste Ausstellung des Kunsthistorikers als Direktor der Neueren Abteilung des Martin-von-Wagner-Museums im Südflügel der Würzburger Residenz. Besucher werden die Museumsräume kaum wiedererkennen. Universitätspräsident Alfred Forchel hat laut Professor Dombrowski die Anschaffung eines variablen Wandmodul-Systems bewilligt. So können verschiedene Raumeinheiten geschaffen und weit mehr Bilder als sonst präsentiert werden.
Es sind vielfach beklemmende dichte Werke, innerhalb Reumanns Oeuvre „seine besten“, sagt Dombrowski, oft Nachtbilder, schemenhaft und doch überdeutlich. Er zeigt eine aus den Fugen geratene Welt. Auch bunte, fast heiter wirkende Gemälde gibt es, etwa „Rast der Kavallerie im Wald“. Den Ruinenlandschaften konnte der Künstler eine eigentümlich faszinierende Schönheit abgewinnen.
Das Dargestellte wirkt in seiner Bandbreite dokumentarisch. Es ist jedoch mehr als Illustration und nicht der einzige Aspekt, der die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Bilder lenkt. Sie erlauben einen „Blick in die Künstlerseele unter besonderen Umständen“, schreibt Dombrowski im lesenswerten Ausstellungskatalog. Umgeben von Tod und Zerstörung habe Reumann ausschließlich für sich selbst gezeichnet und gemalt, „ohne dabei Rücksicht auf den Geschmack der Offiziere, auf die gestellten Dienstaufgaben oder auf die Gebote der Propaganda nehmen zu müssen“. Reumanns Ausdrucksweise spiegelt sein Empfinden wider, er ist kein unbeteiligter Beobachter. Es sind erlebte und erinnerte Geschehnisse, die er mit Stift und Pinsel verarbeitete. Mit einigen Motiven hat sich der Künstler besonders intensiv auseinandergesetzt, etwa mit dem fallenden Soldaten. Getroffen von einem Granatsplitter oder einer Gewehrkugel, greift sich der Mann an den Kopf, der heftig nach hinten gerissen wird. Das Gesicht ist schmerzverzerrt, der aufgebäumte Körper schon im Begriff zu fallen.
Er wird bei diesem Bild sein eigenes Trauma vor Augen gehabt haben. Zur Ausstellung gehört auch der Überzug für Reumanns Pickelhaube. Das Einschussloch ist zu sehen, sogar Blutspuren. Reumann hat die Stoffhülle aufbewahrt. Sie wird ihn daran erinnert haben, dass er nur knapp dem Tod entronnen ist.
Der Krieg hat die Künstlerkarriere jäh beendet. Den bereits in München gefassten Plan, nach Berlin zu ziehen, hat Armin Reumann nach 1918 fallen lassen. Bis zu seinem Tod 1952 lebte er mit seiner Frau, einer Puppenmodelleurin, zurückgezogen in Sonneberg. Er hat, so Damian Dombrowski, „nicht mehr am Kunstdiskurs teilgenommen“.
„Armin Reumann: Bilder vom Krieg 1914-1918“ – Ausstellung und Vorträge
Eröffnung der Ausstellung in der Neueren Abteilung des Martin-von-Wagner-Museums in der Würzburger Residenz ist an diesem Sonntag, 16. November, um 19 Uhr. Anwesend sind auch die Enkel des Künstlers, aus deren Besitz die Leihgaben stammen. Geöffnet ist die Neuere Abteilung Dienstag und Mittwoch von 10 bis 13.30 Uhr, Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr (bis 15. Februar). Anmeldung für Führungen: Tel. (0931) 31 82 283 sowie per E-Mail: museum.na@uni-wuerzburg.de
Der Katalog ist im Deutschen Kunstverlag erschienen. Herausgegeben vom Würzburger Kunsthistoriker Professor Damian Dombrowski, 272 Seiten mit 349 Abbildungen, 29,90 Euro.
Eine Vortragsreihe begleitet die Ausstellung. Die Vorträge finden jeweils mittwochs um 19.30 Uhr im Martin-von-Wagner-Museum statt.
• 19. November: Der Bilder- und Medienkrieg, Peter Hoeres, Universität Würzburg, Institut für Geschichte
• 26. November: Würzburger an der Front – alliierte Kriegsgefangene in Würzburg (Kriegstagebücher, Feldpostbriefe und Memoiren), Roland Flade, Main-Post Würzburg
• 10. Dezember: „1914 – Avantgarden im Kampf“: Die lange Geburt einer Ausstellung, Angelica Francke, Bundeskunsthalle Bonn
• 17. Dezember: Den Krieg ausstellen – Erfahrungen aus einem Kunstmuseum, Ralf Gottschlich, Städtisches Kunstmuseum Reutlingen
• 7. Januar: Max Regers „Vaterländische Ouvertüre“, Ulrich Konrad, Uni Würzburg, Institut für Musikforschung
• 14. Januar: Der Erste Weltkrieg und die Grenzen der Repräsentation, Darstellungen des Shell Shock-Syndroms in der englischen Literatur, Isabel Karremann, Institut für Anglistik
• 21. Januar: Die Enkel der Grande Guerre in der französischen Literatur, Irmgard Scharold, Institut für Romanistik
• 28. Januar: Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“, Wolfgang Riedel, Institut für deutsche Philologie
• 4. Februar: Shakespeare in the Trenches, Ton Hoenselaars, Universität Utrecht, Institute for Cultural Inquiry
Infos zur Ausstellung im Internet: www.reumann.museum.uni-wuerzburg.de