Keine Büttenredner und kein Faschingszug, dafür Frauen-Power und neue Schlachtrufe: Der Fasching lebt und wandelt sich. Eine Momentaufnahme.
In Giebelstadt gibt es heuer keinen Faschingszug! "Nein, dieses Jahr nicht", bestätigt Gesellschaftspräsident Christian Barecca. Die Teilnehmergruppen waren in den letzten Jahren stetig weniger geworden, da habe sich die Karneval Gesellschaft (KGG) entschlossen, dieses Jahr zu verzichten. "Dachdorf" legt so etwas wie eine Sabbatical-Session ein, was nicht heißt, dass es keinen Fasching gibt. Der Vorverkauf für die Prunksitzung am 2. März ist gerade angelaufen - sinniger Weise dort, wo es die Heilmittel gibt, in der örtlichen Apotheke. Das Kinder-Ramba-Zamba und die Familiensitzung finden am Wochenende davor, am 23. und 24. Februar statt.
Neu durchstarten wolle man mit dem Zug im nächsten Jahr, dem Giebelstädter Jubiläumsjahr - vielleicht auch am Rosenmontag. Am Faschingsdienstag sei die Konkurrenz an Faschingszügen im südlichen Landkreis relativ groß, so Barecca. Die laufende Session werde genutzt, um sich umzusehen. Die KGG werde in Würzburg und in Aub beim Faschingszug mitlaufen. Schick neu eingekleidet ist der Elferrat schon. Das Motto ist ein selbstbewusstes "So isses!"
Mysterien des Faschings
Barecca hat als neu gewählter Gesellschaftspräsident eine knifflige Aufgabe übernommen. Es fehlen ihm vor allem junge Männer im Ballett und in der Bütt. "Dachdorf" behilft sich deshalb diesmal mit so verheißungsvollen Namen wie Wolfgang Huskitsch, Christoph Maul und Norbert Knorr, die man von der Närrischen Weinprobe oder als Comedian kennt. Die Turedancer Zellingen, Deutsche Meister im Männerballett, füllen die Lücke in den eigenen Reihen. Das markiert auch etwas den Trend zum Engagement von Semi-Profis. Zumindest bei den Büttenrednern sind die Ansprüche gewachsen, dank nonstop-Comedy und Spaß-Fernsehen, begründet Tobias Brand, Bezirkspräsident Unterfranken des Fastnachtverbands Franken die Schwierigkeit.
Conni Leimeister, Sitzungspräsidentin beim 1. Ochsenfurter Carnevals Club (OCC) stuft es als generelles Problem ein, dass Büttenredner fehlen. Eines der Mysterien des Faschings sei aber, dass es trotzdem so gut läuft. Leimeister: "Denn,wenn man mal einen Prinz sucht, hat keiner was mit Fasching am Hut." Es müsse immer wieder improvisiert werden.

In Sachen Männerballett setzt man in Aub seit drei Jahren pragmatisch bei den Sechs- bis Zehnjährigen an. Das hat Seltenheitswert und ist - obwohl laut Brand immer mehr Jungs tanzen - mit den Wild Boys der Elfer Höppa in Albertshofen im Umkreis ziemlich einzigartig. Die Auber MiniMänner sind ein halbes Dutzend relativ wilde Jungs, die jeweils Spezialaufgaben bekommen. 2018 als Lucky Luke und die Daltons, dieses Jahr als Minions, erklärt Maria-Theresia Weber, Vorsitzende der Narrhutia Aub. Die Show als MiniMänner ist der Einstieg. Unter ihnen findet sich immer wieder ein Kinderprinz oder ein Büttenredner. Oder es geht weiter mit 15 Jahren als "Elferratsrekrut".
Frauenpower vor
Das Gleichziehen zwischen Männlein und Weiblein bei den noch vor wenigen Jahren streng reglementierten Funktionen im Präsidium und Elferrat ist inzwischen kaum mehr diskussionswürdig. Komplett ausgehebelt wurde es bei der Fasenachtsgilde Gockelhofen, einem vor 20 Jahren senkrecht durchgestarteten Verein, der sich mit einer einzigartigen FrauenPrunksitzung ein Gegenstück inszenierte. Revolutionär ist auch die Idee von "Null Prozent Alkohol - hundert Prozent Spaß" der FG Unterdürrbacher Kaviar in Kooperation mit Selbsthilfegruppen Suchtkranker, die gerade erstmals über die Bühne ging.

Die Prunksitzung war zwar beim ersten Mal nicht ganz ausverkauft, aber die beteiligten Narren glücklich. Bezirkspräsident Brand begrüßt neue Ideen wie diese ausdrücklich, aber auch das soziale Engagement, die Jugendarbeit und die Kreativität der Vereine.
"Na also!" - "Geht doch!"
Zu beobachten sei gerade eine zunehmende Freude an eigenen Schlachtrufen, mit denen sich die Fasenachter eine örtliche Identität und ein ungeschütztes Passwort zulegen. "Hausen - lass leff!" ist ein Paradebeispiel für Spontaneität, das sich etabliert hat. "Lass leff!" war ursprünglich der gut gemeinte Rat an einen nervösen Sitzungspräsidenten, sich nicht allzu viele Sorgen zu machen. Ein Selbstläufer! Ob sich die Ochsenfurter "Zucker - Rübe!" des aktuellen Prinzen durchsetzt, wird sich zeigen, so Leimeister. Auch ritualisierte Dialoge zwischen Präsidium und Publikum sind im Kommen. Während man sich beim OCC nach dem dreifachen Helau beim Publikum mit "Dankeschön" bedankt und dieses dann "Bitteschön" antwortet, geht das Hin und Her darauf frech mit "Na also!" und "Geht doch!" weiter. Die Sitzungspräsidenten René Nötscher und Sebastian Gerhard vom Faschings Club Thüngersheim, schwärmt Leimeister, haben das perfektioniert und "spontan immer noch was draufzusetzen".

Für die Faschingszüge werde es das "Aus" bedeuten, ist seit Jahren wegen der immer höheren Sicherheitsanforderungen an die Gefährte und Streckenabsicherungen zu hören. "Extrem erschwert" nennt es Weber für die Narrhutia, die um einen Wagen reduziert haben und wegen der Logistik nur in Aub fahren. Die Erfahrung habe gezeigt, so Brand, dass oft der Dialog zwischen Veranstalter und Teilnehmern hilft, Klarheit zu schaffen und gangbare Wege zu finden. Zum anderen erwartet Brand auch, "dass es künftig vielleicht weniger Wagen und dafür mehr Fußgruppen und auch 'normale' Autos bei den Umzügen gibt".
In Tauberrettersheim beispielsweise ist der Faschingszug erst vor etwa zehn Jahren entstanden, um die Karten für die Faschingsabende unter die Leute zu bringen - und dann gewachsen. Der Ratterschmer Faschingszug zieht konkurrenzlos eine Woche vor der heißen Phase des traditionellen Straßenfaschings los.
Letzte Anmeldungen für Ochsenfurter Zug
Ein Mehr an Aufwand, und auch die ein oder andere Gruppe, die abspringt, aber unterm Strich keinen Rückgang bei den Teilnehmern sieht Organisatorin Anne Derday für den Ochsenfurter Faschingszug. Sie wartet gerade auf die letzten Nachzügler bei den Anmeldungen und rechnet wieder mit mehr als 60 Gruppen - darunter auch aus Geroldshausen, wo sonst der einzige Nachtfaschingszug der Gegend tourte. Dieser findet in seinem 10. Jahr nun ebenfalls nicht statt, weil Sicherheitsauflagen, - Personal- und Müllentsorgungskosten mittlerweile den Rahmen sprengen - zumindest für Vereine.
In Ochsenfurt tritt die Stadt als Veranstalter auf und ist auf Kosten von 15 000 Euro gefasst, die sie bislang nicht weiterreicht. Wenigstens Werbung brauche sie für den Faschingszug nicht zu machen, so Derday. "Der Faschingssonntag, 13.30 Uhr, ist eine feste Größe im Jahreslauf - und die Leute kommen."