Der kleine Mohammed Matin sitzt in seinem Kinderzimmer im ersten Stock am Boden. Seine dunklen Augen strahlen. „Brumm, brumm, brumm“ summt der Dreijährige leise und zufrieden vor sich hin, während er ein Legoauto hin- und herschiebt.
Mutter Amiri Makiyeh (25) und Vater Morteza Esmaeili (30) beobachten ihren Sohn lächelnd. Nach fast zwei Jahren in Deutschland haben sie heute das erste Ziel erreicht: Auf der Kommode im Wohnzimmer haben sie gerade einen Mietvertrag unterschrieben. Die kleine Familie – im November erwarten die anerkannten Flüchtlinge aus Afghanistan ein weiteres Kind – zieht aus dem Zimmer in der dezentralen Unterkunft in Burggrumbach in ein kleines, altes Kürnacher Dorfhäuschen aus den 1830er Jahren ein.
Noch können sie ihr neues Zuhause nicht selbst finanzieren. Eine Arbeitsstelle haben sie noch nicht gefunden. Noch mangelt es dafür an Deutschkenntnissen. Aber das versuchen sie derzeit mit viel Energie zu ändern, füllen ihre Tage mit Deutsch lernen. Vormittags besucht Amiri Makiyeh einen Sprachkurs, nachmittags ist Morteza Esmaeili dran. Den Sohn übergeben sie sich im fliegenden Wechsel in der Mittagspause. In Kürnach wird das im September leichter. Möglicherweise findet sich aber schon vorher ein Kindergartenplatz für den Dreijährigen, sagt Bürgermeister Thomas Eberth.
Es ist nicht irgendein Haus, in das die Familie jetzt einzieht. Es ist das Kürnacher Haus, an dessen Sanierung sich Helfer aus dem Ort, aber auch aus den Reihen der Flüchtlinge beteiligt haben. „Kürnach baut ein Haus“ hatte der Bürgermeister das Projekt getauft. Beim Ausräumen und Entkernen hatten er selbst und einige andere Bürger mit Hand angelegt.
Der Wunsch nach Wohnraum für Flüchtlingsfamilien war im letzten Jahr entstanden, als die Tennishalle als Notunterkunft vorübergehend das Zuhause für bis zu 40 Menschen aus aller Welt geworden war. Viele Kürnacher hatten sich damals um die Familien gekümmert, hatten sich – unter Regie der örtlichen Familienbeauftragten Antje Schrader-Dorner – in Sprachkursen engagiert, die Neubürger zum Sportverein, zum Einkaufen, zum Arzt oder in die Stadt begleitet, ihre Kleiderschränke, Garagen und Dachböden nach Brauchbarem durchsucht.
Auch wenn alle Flüchtlinge den Ort erst einmal wieder verlassen mussten, nach und nach aus der Halle in dezentrale Unterkünfte mit Zimmern verlegt wurden, blieb bei vielen Kürnachern der Wunsch, auch in ihrem Ort Möglichkeiten zu schaffen, dass der ein oder andere langfristig Fuß fassen kann, im Ort eine neue Heimat findet.
Das alte Dorfhäuschen ist ein Ergebnis dieses Traumes. Möglich gemacht durch den Wohnraumpakt Bayern und die daraus resultierende Förderung für genau solche Objekte. Rund 280 000 Euro kostete die Sanierung des historischen Gebäudes im Altort. 200 000 Euro steuerte der Freistaat bei, 80 000 Euro blieben an der Gemeinde hängen.
Sieben Jahre gilt für das Haus jetzt der niedrige Mietzins, den bei den jetzigen Bewohnern erst einmal das Jobcenter des Landkreises übernimmt.
So lange, bis der Familienvater eine ausreichend gut bezahlte Arbeit gefunden hat. In Afghanistan sei er Verkäufer in einem kleinen Supermarkt gewesen, erzählt er. Bei verschiedenen handwerklichen Praktika habe der 30-Jährige ebenfalls eine gute Figur gemacht, ergänzt Susanna Schraut aus Burggrumbach, egal ob als Bäcker, Friseur oder als Mechaniker.
Eine Arbeit zu finden, sei für ihn jetzt der nächste Schritt, sagt er selbst. Neben der Geburt des zweiten Kindes natürlich.
Die Familie, die unter mehreren Bewerbern den Zuschlag für das Haus bekommen hat, ist in Kürnach nicht unbekannt, wohnte bereits einige Monate in der Tennishalle, nahm an den Sprachstunden teil und nutzte auch schon mal die Angebote des Sportvereins. Für das Trio ist es also eine Rückkehr in eine bekannte Umgebung. Und für die Kürnacher „die Rückkehr von guten Freunden“, drückt Schrader-Dörner es aus.
Unterstützt werden die drei am Einzugstag nicht nur von Flüchtlingshelfern aus Burgrumbach und Kürnach. Auch aus ihrer bisherigen Unterkunft sind Männer dabei, die beim Möbel schleppen und aufbauen helfen. Männer aus Afghanistan und aus Syrien. „Bei uns,“ berichtet Schraut stolz, „klappt das wirklich toll mit dem Zusammenhalt und der Gemeinschaft – auch länder- und nationenübergreifend.“
Und dann sind da noch Bettina, Christian und Felix Wagner. Die Kürnacher Familie stellte den neuen Mitgliedern der Dorfgemeinschaft nicht nur gegen einen kleinen Anerkennungsbetrag alle bestens erhaltenen Möbel ihres verstorbenen Vaters zur Verfügung, die diese haben wollten. Sie fuhren sie mit einem gemieteten Hänger auch gleich noch selbst hin.
Dass die Neubürger willkommen sind bei ihren neuen Nachbarn, auch das zeigte sich beim Einrichten schnell. Stefan Heinrich von schräg gegenüber klaubte kurzerhand einen fehlenden Inbusschlüssel aus seinem Werkzeugkasten. Damit stehen die Möbel jetzt alle fest und sicher.
Dem Start in ein neues Leben steht nichts mehr im Weg. Die Freude darüber stand allen Beteiligten deutlich ins Gesicht geschrieben.