Die Flüchtlingskrise ist ein Kraftakt – nicht nur für die Menschen auf der Flucht, sondern auch für die vielen Helfer und Behörden, die sich um ihre Unterbringung und Betreuung kümmern. Beispiel: Die Versorgung der Flüchtlinge mit Essen. In Stadt und Landkreis Würzburg hat sie sich nach anfänglichen Problemen gut eingespielt. Auch dank der ehrenamtlich Engagierten.
Allabendlich fährt Ludwig Fleckenstein derzeit seine Tour. Der Unternehmer besucht dann die Notunterkünfte in der Lengfelder Kürnachtalhalle, in Zell, Margetshöchheim und Greußenheim, und überprüft persönlich, ob alles passt. Ob das Essen reicht, ob die Portionen groß genug sind, ob etwas fehlt oder Flüchtlinge besondere Wünsche haben.
„Wir haben uns weiterentwickelt“, berichtet er aus dem Catering der vergangenen Wochen, das er im Auftrag des Landkreises für die dortigen Notquartiere und für die Stadt in Lengfeld übernommen hat. Zu seinem Kerngeschäft zählt die tägliche Verpflegung von 500 Menschen nicht.
„Mich beeindruckt sein Menschenbild und die unglaubliche Flexibilität“
Flüchtlingskoordinator Paul Justice über Caterer Ludwig Fleckenstein
Bekannt ist seine Firma Opitec für Bastelausstattung für Schulen und kreative Hobbys – mit 250 Beschäftigen in Giebelstadt und europaweit mit bis zu 500 Angestellten in 15 Firmen. In Bad Mergentheim gehört Opitec-Geschäftsführer Fleckenstein ferner der Golfclub mit Restaurant und Catering-Service. Von dort aus werden schon seit längeren zwei Firmen bedient. Und dort wird nun auch für die Flüchtlinge gekocht.
„Wir wissen, wie es geht“, sagt Fleckenstein ruhig, während wieder sein Smartphone klingelt. Er ist ein gefragter Mann dieser Tage, hat sich die Verpflegung der Flüchtlinge zur Herzenssache gemacht. Paul Justice, Flüchtlingskoordinator im Landkreis, ist angetan. „Mich beeindruckt sein Menschenbild und die unglaubliche Flexibilität.“ Manchmal schicke er abends um zehn eine SMS – und am Vormittag ist ein Auftrag umgesetzt.
So zufrieden mit der Versorgung war man im Landratsamt zu Beginn nicht. Da hatte man es mit einem anderen Catering-Unternehmen zu tun, es gab massive Klagen, auch persönlich von Bürgermeistern. Das Essen war nicht ausgewogen, die Portionen zu klein. Der Landkreis trennte sich von dem Unternehmen mit Sitz in Nürnberg, das für die von der Regierung von Unterfranken verwalteten Notunterkünfte weiter im Einsatz ist.
Laut Sprecher Johannes Hardenacke arbeitet die Regierung mit verschiedenen Caterern für die Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt und die Notunterkünfte zusammen. In Würzburg sind das zurzeit das Zelt in der Zellerau, die Container auf dem GU-Gelände in der Veitshöchheimer Straße und das Technikum am Heuchelhof. Die Erlöserschwestern in der Würzburger Bibrastraße kochen in der Notunterkunft für 100 Flüchtlinge selbst und bekommen dafür einen finanziellen Ausgleich.
Auch in Würzburg gab es anfänglich Kritik von ehrenamtlichen Helfern an der Qualität des ausgeteilten Essens in den Notquartieren. Sie ist nicht ganz verstummt, aber deutlich leiser geworden. Woran es weiterhin fehle, sagen die erfahrenen Flüchtlingshelferinnen Eva Peteler und Claudia Gabel, sei frisches Obst und Gemüse. In den vergangenen Wochen wurde dies vielfach von Bürgern ins Zellerauer Zelt geliefert. Über das soziale Netzwerk Facebook wird zu Spenden aufgerufen. Eine Unterstützung, für die die Regierung dankbar ist. Hardenacke: „Das ist schön und wünschenswert. Die Leute sollten nur darauf achten, dass die Lebensmittel aus zuverlässigen Quellen stammen.“
Das von der Regierung beauftragte Catering-Unternehmen liefert in die Notunterkünfte warme Mittagessen und gibt gleichzeitig damit Lunch-Pakete für Abendessen und Frühstück aus. Änderungswünsche wurden laut Hardenacke vom Versorger berücksichtigt. So gebe es nun mehr Milch – nach Auskunft von Helfern immer freitags einen Liter. Die Regierung, sagt ihr Sprecher, stehe in ständigem Kontakt mit Helfern, nehme Vorschläge auf und überprüfe die Situation in den Unterkünften täglich.
Ludwig Fleckenstein als Versorger für Stadt und Landkreis verzichtet auf Lunchpakete, er lässt in den Quartieren das Essen dreimal am Tag von Ehrenamtlichen ausgeben. Einzige Ausnahme: Die angemietete Unterkunft bei der Firma Schlereth in Unterpleichfeld – hier fehlt es an ehrenamtlichen Helfern. Ansonsten packen sie in Zell, Margetshöchheim, Greußenheim und Lengfeld tatkräftig an und haben sich gut organisiert. Fleckenstein gerät geradezu ins Schwärmen: „Das funktioniert alles nur so gut durch die vielen Helfer.“
Beispiel Lengfeld, Mittwochabend, kurz nach fünf Uhr. Aus einem Kreis von 35 Leuten für die Essensausgabe steht die heutige Sechs-Mann-Schicht bereit. Als der Catering-Wagen auf den Parkplatz fährt, strömen rund 130 Flüchtlinge vom Vorplatz und aus ihren abtrennten „Zimmern“ in der Kürnachtalhalle im Foyer zusammen, stellen sich in eine Schlange und nehmen der Reihe nach ihre Teller in Empfang. Gulasch gibt es heute, mit Reis und Bohnensalat. Natürlich ohne Schweinefleisch mit Rücksicht auf Muslime.
„Von den Flüchtlingen kommt wahnsinnig viel zurück.“
Helferin Gaby Witteler über ihre Erfahrungen in Lengfeld
Fleckenstein hat in den letzten Wochen einiges gelernt über Sitten, Gebräuche und religiöse Tabus. Er fragt nach, erkundigt sich bei Flüchtlingen und Helfern. So hat er arabisches und türkisches Fladenbrot besorgt, hat einen Obsthändler beauftragt, frische Sachen zu liefern. Auch in Greußenheim und Margetshöchheim wurde reagiert. Mehr Käse und weniger Marmelade, mehr Säfte und weniger Mineralwasser. Kraut kam bei den Flüchtlingen gar nicht an. Durch den Einsatz der freiwilligen Helfer kann Fleckenstein Frühstück und Mittagessen in Form eines Büffets anbieten. Vorteil: Die Menschen können nach ihren Gewohnheiten auswählen. So wird nichts weggeworfen. „Hier in Lengfeld war das Essen sehr gut, die Leute waren so freundlich“, berichtet der 21-jährige Alali Mankal aus Syrien mit etwas Wehmut. Tags darauf sollte er verlegt werden. Ziel unbekannt.
In Lengfeld haben die Ehrenamtlichen im Foyer zudem eine Art Kaffee- und Tee-Kantine eingerichtet. Hier geben immer zwei Leute den ganzen Tag kalte und warme Getränke aus. Auch die Flüchtlinge helfen mit, kehren und übernehmen den Spüldienst. Und so sind die Lengfelder Helfer fast ein wenig traurig, dass die Halle nächste Woche wieder geräumt sein soll und alle Flüchtlinge weiterziehen. Man hat sich teilweise angefreundet, hatte schöne Begegnungen. Helferin Gaby Witteler spricht auch für Kolleginnen: „Im Kontakt mit diesen Leuten hört man von Schicksalen, die einen bewegen.“ Und die Dankbarkeit der Flüchtlinge ist groß: „Es kommt wahnsinnig viel zurück.“