"Sehr würzig, nussig, gut marmoriert und a weng zweggerd", beschreibt Stefan Rottner das Fleisch des Ansbach-Triesdorfer Rinds, landläufig Triesdorfer Tiger genannt. Demnächst gibt es in seinem Nürnberger Traditionsgasthaus Rottner auf der Herbstkarte Triesdorfer Tiger. Denn ab sofort gilt: die Tiger müssen gegessen werden, um sie zu erhalten.
"Zweggerd", das heißt, es ist Textur da, man schmeckt das Weidetier und den intensiven Fleischgeschmack. Küchenchef Rottner berichtet von kernigem Fleisch eines Bewegungstieres, das nach dem Schmoren nicht zerfällt. Ein halbes Rind habe er verarbeitet, die Charakteristik gesucht, mit Rinderessenz, Gulasch, Eintopf und Schmorbraten experimentiert. Das Filet wurde Dry Aged zubereitet. Auf der Herbstkarte wird Sauerbraten vom Triesdorfer Rind mit Petersilienwurzelpüree und glasierten Rotweinzwetschgen stehen. Der Anspruch seiner Küche ist regional aber gehoben.
Ein besonderes Tier in Bio-Qualität
Das ist preiswert", erklärt Rottner bei der Auftaktveranstaltung zur Vermarktung der Rinderrasse, nämlich "preiswert, im Sinne von: diesen Preis wert." Es ist die Vorarbeit da, es ist ein besonderes Tier und es wächst als Bio-Qualität oder im konventionellen Bereich unter besonderen Bedingungen als Weidetier, ohne Kraft- oder gentechnisch verändertes Futter auf.
Die Hörner sollen sie behalten dürfen. Das ist der Standard, für den Ursula Pfäfflin-Nefian für den Verein zur Erhaltung des Ansbach-Triesdorfer Rinds seit eineinhalb Jahren Klinken putzen ging, um die Vermarktung zu organisieren. Ein Dutzend Gasthäuser und Metzgereien konnte sie gewinnen, sowie einen Bio-Markt. Sie alle wollen das Fleisch der Triesdorfer Tiger ab sofort - je nach Verfügbarkeit - anbieten und sind auf der Homepage des Vereins gelistet.
Hilfreich für die Vermarktung dürfte die gerade erfolgte Aufnahme des Triesdorfer Tigers in die Arche des guten Geschmacks von Slow Food Deutschland sein. Botschafterin des Genuss-Siegels bei der Tiger-Essen- Auftaktveranstaltung mit rund 50 Tierhaltern und Vermarktern war Anita Idel, Mitglied der Archekommission, Tierärztin und Autorin des Buches "Die Kuh ist kein Klimakiller".
Zukunft als Dreinutzungsrind utopisch
Die Triesdorfer Tiger, so Idel, hätten besonderes Glück gehabt. Es habe sich eine sehr tolle Gruppe mit großem Idealismus für sie stark gemacht. Eine Zukunft als Dreinutzungsrind sei utopisch, aber die Rasse sei optimiert gewesen - nicht maximiert, betont sie. Als Zweinutzungsrind seien sie sehr gut brauchbar.
Idealismus und Selbstbewusstsein prägen das Fleischprojekt, wie es Pfäfflin-Nefian nennt, bei dem es um "sehr liebe, umgängliche Weidetiere" geht, mit einem Namen, dem sie so gar nicht gerecht werden. Aber wer wusste im 18. Jahrhundert schon, wie Tiger auszusehen haben? Das Ziel ist, die Rückkehr der Tiger als fränkisches Kulturgut auf die Weiden und als Qualitätsfleisch auf die Teller.
Tiger benannt nach der Ökonomie in Triesdorf
Benannt nach der markgräflichen Ökonomie in Triesdorf und ihrem typischerweise kleingefleckten Fell, waren die Triesdorfer Tiger das Ergebnis des wohl ersten und damit ältesten Zuchtprogramms für Leistungsrinder auf deutschem Boden. Ausgehend von ersten Versuchen ab 1740 durch den Ansbacher Markgraf Carl Wilhelm Friedrich, waren die Dreinutzungsrinder mit ihrer Arbeitsleistung sowie als Milch- und Fleischlieferanten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu ihren besten Zeiten auf allen Viehmärkten der weiteren Umgebung und sogar in Straßburg und Paris zu sehen.

Nicht selten wurden sie ob ihrer Größe zunächst einfach einmal als Kuriosität zur Schau gestellt, so Pfäfflin-Nefian. Von Öhringen bis in die Oberpfalz, vom Uffenheimer Raum bis nach Nordschwaben reichte das historische Verbreitungsgebiet der Tiger. Der größte Bestand wird mit 190 000 Tieren um das Jahr 1900 angenommen. Wenig später hatte das Triesdorfer Multitalent ausgedient. Die züchterischen Schwerpunkte gingen auf Milchleistung und Mast über, auf das Fleckvieh.
Seit 1992 setzt sich der Verein zur Erhaltung des Ansbach-Triesdorfer Rindes dafür ein, die laut Roter Liste noch immer extrem vom Aussterben bedrohte, alte fränkische Haustierrasse durch gezielte Rückkreuzung zu erhalten. Es galt möglichst schnell mit großzügiger Auswahl jede Tiger-Genetik einzusammeln.
Zuchtziel: große Körper mit schöner Zeichnung
Zuchtziel ist laut Zuchtleiter Konrad Wagner beim Fleischrinderverband Bayern der große rechteckige Rahmen (Körper) der Tiere und eine schöne Zeichnung. 20 unabhängige Kuhlinien gibt es inzwischen wieder, so dass ab November 2018 ein Herdbuch für die Mutterkuhhaltung neu aufgelegt werden soll. Der Bestand ist inzwischen soweit angewachsen, dass männliche Jungtiere, die nicht in die Zucht gehen, als Tiger anerkannte Fleischrinder vermarktet werden können.
Dass Vermarktung und Preisniveau stimmen, ist essentiell für das weitere Schicksal der Rasse. Metzger Christian Engelhard aus Wassertrüdingen setzt dabei auf die Vermarktung im gemischten Paket. Sein Fokus liegt auf der Genuss-Qualität und er sei darauf gefasst, nur einen kleinen Teil im Laden umsetzten zu können, weshalb er bereits eine eigene Tiger-Homepage installiert hat. Ihn trieb vor allem auch die Neugier um, nachdem er bereits die Schwäbisch-Hällischen Schweine als besondere Fleischrasse kannte. Unters Messer kam bei ihm der 26 Monate alte Ochse Zeus - und der habe seine Erwartungen an Fleisch und Geruch auch voll erfüllt.
