würzburg Grundsätzlich ist Zeit heutzutage ein kostbares Gut - und froh ist man dort, wo man sie spart. Wenig Zeit verlieren Leute beim Aufschreiben von Gedanken oder Gehörtem, wenn sie Stenografie beherrschen. Dennoch ist Steno derzeit "out" und ihm haftet ein verstaubtes und altmodisches Image an.
Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Kurzschrift seit zwei Jahren aus vielen Lehrplänen herausgenommen wurde oder zumindest wesentlich weniger Berücksichtigung erfährt. So wird in der St.-Ursula-Realschule Steno nur noch die nächsten zwei Jahre quasi als "Auslaufmodell" unterrichtet. Auch an den Berufsschulen gibt es kaum Kurzschrift mehr. Auch an Volkshochschule und IHK sucht man vergeblich nach derartigen Kursen.
"Das Problem liegt darin, dass sich das Bild des Stenoverbrauchers geändert hat", erklärt Angelika Arnold, Fachlehrkraft für Kurzschrift und Textverarbeitung aus Würzburg. "Es geht nicht mehr vorrangig um das Diktieren von Briefen, sondern eher um das rasche Aufnehmen und Erfassen von Informationen, z.B. am Telefon, in Sitzungen oder bei Diskussionen." Auch die Berufsbilder, die früher ohne Steno nicht auskamen, durchliefen einen Wandel. Die klassische Sekretärin gibt es nicht mehr, die Berufsbezeichnung lautet nunmehr ,Fachkauffrau für Bürokommunikation', informiert die IHK und als solche übernimmt Frau oder auch Mann immer mehr die Assistenz des Chefs.
Fragt man jedoch Menschen, die Steno noch gelernt haben und aktiv verwenden, so ruft die Frage, ob man es denn noch benutze, eher Unverständnis hervor: "Natürlich schreibe ich beim Protokollieren in Verhandlungen Steno, sonst würde das doch gar nicht funktionieren", sagt Andrea Rossdeutscher, Justizfachwirtin am Kitzinger Amtsgericht. Auch Barbara Schneider, Sekretärin am Institut für deutsche Philologie der Uni Würzburg, benutzt die Kurzschrift für die anfallende Korrespondenz. Man hätte sich gegen ein Diktiergerät entschieden, denn "das ist so unpersönlich und außerdem ist es für den Diktierenden angenehmer, weil er so leichter korrigieren kann".
Wer Steno lernen will, beginnt zunächst mit der Verkehrsschrift; damit kann man bei entsprechendem Eifer etwa 120 Silben pro Minute schreiben. Die zweite Stufe ist dann die Eilschrift, mit der man durch neue Kürzel und Verkürzungen nochmals Zeit spart und auf 200 Silben und mehr pro Minute kommen kann. Extrem schnell und vor allem sehr genau mitschreiben kann schließlich der, der darüber hinaus die Redeschrift beherrscht, bei der durch noch stärkere Kürzungen Geschwindigkeiten von 350 bis 500 Silben erreicht werden können. "Mit der normalen Langschrift schafft man je nach Kondition 40 bis 60 Silben pro Minute", schätzt Angelika Arnold, "und außerdem erlahmt die Hand viel schneller."
Braucht Steno also einen Imagewandel? "Der Weg zum flüssigen Steno-Gebrauch ist mit sehr viel Übung verbunden", gibt Arnold zu "aber wenn man es mal kann, ist es wie Rad fahren!" Sie berichtet von Lernwilligen, die keine Angebote für Stenokurse finden, und sogar von Chefs, die das Beherrschen der schnellen Schrift bei der Einstellung noch als Qualifikation wünschen.
Derzeit läuft die Erprobungsphase des Projekts ,Neue Notizschrift' vom Deutschen Stenografenbund. Es handelt sich dabei um eine neu entwickelte Mischform zwischen Kurz- und Normalschrift, die in wenigen Wochen nebenher zu erlernen sein soll. Das Hauptproblem beim Erlernen von Steno, die relativ lange Lernphase, wäre damit zwar umgangen. Die gleiche Effizienz wird damit vermutlich jedoch nicht erreicht. Angesprochen werden soll damit eine möglichst breite Benutzerfront, die beispielsweise Journalisten, Manager und Studenten gleichermaßen umfasst. Mit dieser neuen Variante soll die Stenografie wieder eine Aufwertung erfahren.