Geheimzeichen neben der Wohnungstüre. Was haben sie zu bedeuten, was für Folgen können sie haben? Ein Leser hat in der Redaktion angerufen und erzählt seine Geschichte.
Sie handelt von Kritzeleien mit Bleistift neben der Klingel und der Sorge, in der Wohnung im Stadtteil Zellerau überfallen oder ausgeraubt zu werden. Die Würzburger Polizei nimmt solche „Gaunerzinken“ jedenfalls sehr ernst.
Eigenartige Symbole
Am Mittwochvormittag kurz vor 8 Uhr in einem Mehrparteienhaus in der Zellerau: Es klingelt an der Türe, gefolgt von zwei kurzen Klopfgeräuschen. Unser Leser erwartet eigentlich keinen Besuch und macht einfach nicht auf. Er verhält sich ruhig und wartet ab. Als er nach einiger Zeit seine Wohnungstüre öffnet, entdeckt er, mit Bleistift markiert, ein eigenartiges Symbol über seiner Wohnungsklingel: Es zeigt ein kopfstehendes „T“.
Der Mann macht sich im Internet schlau und findet eine Fülle von Hinweisen auf so genannte Gaunerzinken – Geheimzeichen, die Leute benutzen, um sich untereinander Hinweise auf die Wohnungsinhaber zu geben. Weitere Markierungen finden sich im Haus bei den Nachbarn und eine „7“ an der Eingangstüre.
Oft stecken kriminelle oder unseriöse Absichten hinter der Verwendung der Geheimzeichen. Dieser Hinweis findet sich in vielen Internet-Veröffentlichungen. Er reagiert sofort, wischt die Zeichen über seiner Klingel ab und warnt die Nachbarn, soweit er sie erreicht. Dann informiert er diese Redaktion.
Polizeisprecher Stefan Johannes kennt sich mit den Gaunerzinken aus. Er kritisiert die Reihenfolge der Vorgehensweise. „Wir würden uns wünschen, dass die Leute zuerst die Polizei informieren. Dann kann man gemeinsam entscheiden, was zu tun ist und wann die Geheimcodes abgewischt werden können.“
In unserem Fall stellte die Redaktion den Kontakt zwischen Wohnungsinhaber und Polizei her. Ein Streifenwagen ermittelte vor Ort und dokumentierte dann fotografisch die wenigen noch vorhandenen Zeichen. „Die Leute gehen zu oberflächlich mit den Geheimzeichen um“, wundert sich der Beamte. Denn wenn solche Gaunerzinken auftauchen, ermittelt die Würzburger Polizei und schaut sich das Umfeld der Häuser genau an. „Wir untersuchen, ob es sich um ein Einzelgebäude handelt oder um ganze Straßenzüge.“ Und: Wohnen potenzielle Opfer wie Alleinstehende oder ältere Menschen in der Umgebung?
Johannes macht eines deutlich: Nicht nur Gauner, die Überfälle oder Einbrüche planen, nutzen solche Zeichen. In vielen Fällen teilen sich so auch Obdachlose, Bettler oder Drückerkolonnen ihre Informationen. Von einer Serie solcher Geheimzeichen in Würzburg ist ihm nichts bekannt.
Hier ist etwas zu holen
Ein umgedrehtes „T“ wie bei unserem Leser heißt dann „Allein stehende Person“ und der Buchstabe „x“ „in Urlaub“ oder „hier ist etwas zu holen“. Und manchmal ist die Bedeutung „Betteln verboten“. In unserem Fall ist zu vermuten, dass das Zeichen wohl „im Urlaub“ heißt. Schließlich wurde die Türe ja nach dem Klingeln nicht geöffnet. Über die fotografierte „7“ fanden sich trotz Recherche keine Hinweise.
Geschichte der Zinken
Im 16. Jahrhundert gab es erste grafische Hinweise in Europa, auch Mordbrennerzeichen genannt. Sie lieferten den Bandenmitgliedern Informationen darüber, wo und wann ein bestimmtes Haus überfallen, ausgeraubt und in Brand gesteckt werden sollte. Zinken (Ableitung vom lateinischen „signum“, das Zeichen und dem althochdeutschen „zinko“, die Zacke, die Spitze) sind grafische und akustische Zeichen. Sie tauchten im 18. Jahrhundert auf. Sie stehen für geheime Botschaften. Ein Hauptseminar der Universität Passau beschäftigte sich 2005 mit der Bedeutung und Entstehung der Geheimzeichen: http://wwws.phil.uni-passau.de/histhw/TutKrypto/tutorien/gaunerzinken.htm