Diese Haushaltssitzung des Zeller Gemeinderates hatte Seltensheitswert: Erst Mitte September legt Bürgermeister Joachim Kipke (Zeller Mitte/Freie Wähler) seinen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten den Haushalt vor und muss deswegen harsche Kritik einstecken. Eigentlich hätte der Haushaltsplan bereits zum 1. Dezember 2022 der Rechtsaufsicht beim Landratsamt zur Genehmigung vorliegen müssen.
Warum ist der Haushaltsplan erst jetzt fertig? Kämmerer Stefan Uhl führte wesentliche Änderungen im Umsatzsteuergesetz an. Aber damit nicht genug. Erst im Juli wurde dem Gemeinderat mitgeteilt, dass für die beschlossenen Investitionen das Geld fehlt. Gut 13 Millionen Euro hätte sich die Gemeinde von Banken leihen müssten, um den Haushalt auszugleichen, was wohl nicht genehmigt worden wäre.
Für Investitionen fehlt den Zellern das Geld
Beim Blick auf den Verwaltungshaushalt wird die Problematik deutlich. Personalkosten und Betriebskosten sind gestiegen, somit bleibt weniger Geld übrig, das dem Vermögenshaushalt zugeführt werden kann. Und auf der Einnahmenseite sind es lediglich die Anteile an der Einkommensteuer von denen die Gemeinde Zell verlässlich profitieren kann.
Ebenjener Vermögenshaushalt soll allerdings die zahlreichen Investitionen finanzieren, die der Gemeinderat beschlossen hat. Den Mitgliedern des Finanzausschuss wurde diese Situation erst Mitte dieses Jahres mitgeteilt, unter Druck, damit die Gemeinde handlungsfähig bleibt, stimmte der Gemeinderat schließlich im Juli zu, rund 30 bereits beschlossene Projekte zu verschieben.
Was der Kämmerer den Gemeinderat empfiehlt
Kämmerer Uhl schilderte dem Rat seine Nöte. Prognosenen seien schwierig, sagte er und fühte die Unsicherheit in der Weltwirtschaft an. "Man vergisst immer, was hier läuft. Unter anderem Klimawandel, Energiekrise, Inflation und Fachkräftemangel beeinflussen unsere Wirtschaft massiv", mahnte er. Seine Empfehlung, der Gemeinderat sollte sich in der nahen Zukunft auf die Pflichtaufgaben der Gemeinde, wie Infrastruktur und Feuerwehr, konzentrieren. Den Erwerb von sanierungsbedürftigen Gebäuden hielt er dagegen für verzichtbar.
Kaum war seine Präsentation vorbei, hagelte es Kritik. Ratsmitglied Dirk Wegmann (SPD/Junge Liste) konfrontierte den Bürgermeister mit der Frage, ob der Rat nun beim Haushalt gegen seine eigenen Beschlüsse stimmen muss. Kipke erklärte, keine Investition sei vom Tisch, sondern lediglich aufgeschoben. Die Beschlüsse seien zeitlich nicht terminiert und daher sei das möglich.
Grüne und SPD lehnen den Haushaltsplan ab
Martin Küpper (Bündnis90/Die Grünen) warnte: "Wenn wir alles bis nach 2027 verschieben, ist das ein richtiges Päckchen für unsere Nachfolger." Er kritisierte die Priorisierung einiger Investitionen und bezeichnete die Inhalte des Haushaltsentwurfs als "Grausamkeiten, bei denen wir nicht mitgehen". Unter anderem soll die Anschaffung einer Drehleiter für die Feuerwehr oder die Sanierung der Grundschule verschoben werden.
Zweiter Bürgermeister Sebastian Rüthlein (SPD/Junge Liste) fand ähnlich klare Worte und kritisierte vor allem den Umgang mit dem Finanzausschuss. Dieser wurde im Vorfeld mit einer Liste von gefassten Beschlüssen konfrontiert, "die man plötzlich einfach aus dem Haushalt 2023 streichen sollte. 100 Stunden an Beratung im Gemeinderat wären auf einmal umsonst gewesen", betonte er und warnte davor, künftige Generationen zu belasten. Seine Fraktion werde dem Haushalt so nicht zustimmen.
"Das ist eigentlich ein Misstrauensvotum und der Bürgermeister sollte zurücktreten."
Martin Küpper (Bündnis90/Die Grünen)
Silvia Schlagmüller (CSU/Freie Zeller Bürger) sagte: "Mir ist bewusst, dass die Gemeinde ohne Haushalt nicht handlungsfähig ist." Nur deshalb werde ihre Fraktion zustimmen. Auch sie kritisierte den kurzfristigen Kurswechsel: "Hätten wir gewusst, dass es nicht geht, hätten wir die letzten Jahre anders abgestimmt. Beschlüsse wurden im Glauben gefasst, sie wären umsetzbar."
Die anschließende Abstimmung endete mit einem Patt: 7 zu 7. Damit war der Haushalt abgelehnt. Die Überraschung: Auch aus seinen eigenen Reihen gab es Gegenwind für den Bürgermeister. Gemeinderat Christian Naser (Zeller Mitte/Freie Wähler) stimmte mit Grünen und der Fraktion SPD/Junge Liste gegen den Haushalt. "Das ist eigentlich ein Misstrauensvotum und der Bürgermeister sollte zurücktreten", kommentierte Martin Küpper.
Bürgermeister Kipke will im Amt bleiben
Ein Plan B, wie es nun weitergehen soll, legte Kipke nicht vor, was Bernd Spengler (SPD/Junge Liste) kritisierte. Schließlich sei das Ergebnis absehbar gewesen. Um das Worst Case-Szenario einer langfristigen Handlungsunfähigkeit der Gemeinde noch zu vermeiden, wird der Hauptausschuss an diesem Dienstag zusammenkommen, mit dem Ziel doch noch einen akzeptablen Haushalt auf die Beine zu stellen. Bis dahin darf die Gemeinde nur finanzielle Leistungen erbringen, zu denen sie verpflichtet ist. Neue Maßnahmen dürfen grundsätzlich nicht begonnen werden, teilt die Pressestelle des Landratsamtes auf Nachfrage mit.
Joachim Kipke war vom Gegenwind zwar nicht überrascht, glaubte nach der Sitzung im Juli jedoch noch an eine knappe Mehrheit. Trotz dem fehlenden Rückhalt aus allen Fraktionen, möchte er im Amt bleiben. "Mir sind die schwierigen Umstände bewusst. Diese sorgen natürlich für Unruhe. Es steht aber allen offen, Vorschläge zu machen. Ganz alleine verantwortlich bin ich nicht." Die Marktgemeinde Zell ist die einzige Gemeinde im Landkreis Würzburg, die noch keine Haushaltssatzung für das Jahr 2023 beschlossen hat, heißt es aus dem Landratsamt.