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WÜRZBURG: Gepflegten Vorurteilen auf der Spur

WÜRZBURG

Gepflegten Vorurteilen auf der Spur

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    Dastan Abdakov aus Kasachstan kennt das Vorurteil gegenüber seinen Landsleuten, sie würden Unmengen von Wodka trinken. Und genau um die – Stereotype – ging es beim interkulturellen Labor „Global Village 10“ an der Uni Würzburg.
    Dastan Abdakov aus Kasachstan kennt das Vorurteil gegenüber seinen Landsleuten, sie würden Unmengen von Wodka trinken. Und genau um die – Stereotype – ging es beim interkulturellen Labor „Global Village 10“ an der Uni Würzburg. Foto: Fotos: Pat Christ

    Deutsche trinken Bier, sind pünktlich und pingelig. Und an Humor gebricht es ihnen komplett. Spanier sprechen kein Englisch. Menschen aus Kasachstan saufen Wodka. Noch mehr Vorurteile gefällig? Beim „Global Village 10“ am Donnerstag an der Uni Würzburg wurden jede Menge Stereotype aufgetischt – und gebrochen. So lernten die Besucher bei einem kulturellen Profiltest gleich zu Beginn, wie wenig deutsch sie doch sind.

    Student Manuel Härder zum Beispiel müsste dem Test zufolge ein Rumäne sein. Als Teilnehmer des Kurses Cross-Cultural Management von Philo Holland, aus den USA stammender Dozent für interkulturelle Integration an der Uni Würzburg, gehört der angehende Wirtschaftswissenschafter zu den Architekten des „Global Village“. Ein Jahr lang setzte er sich damit auseinander, wie schnell Menschen abgestempelt werden. Und in welchem Maße man selbst zu Vorurteilen neigt.

    Zum Abschluss des Kurses kreierten die Studierenden das interkulturelle Labor „Global Village 10“. Was ein gewaltiger Kraftakt war: 2300 Stunden investierten sie in ihre Initiative, die durch ihre Kreativität und Experimentierlust beeindruckt. In dem Labor begegnet der Besucher auf Schritt und Tritt Vorurteilen. Die prangen nicht nur als überdimensionaler Daumenabdruck an der Wand, sondern auch auf den T-Shirts der Studis. „Ich bin eine Ukrainerin, also muss ich radioaktiv sein“, „Ich bin ein Inder, also muss ich ein Software-Ingenieur sein“, „Ich bin BMW-Fahrer, also muss ich ein Arschloch sein“, hieß es darauf mitunter provokativ. 200 Studierende aus 27 Nationen nahmen an dem auf Englisch gehaltenen Kurs teil. In dieser bunten nationalen Fülle bot sich ihnen ein hervorragendes Experimentierfeld, um eigenen Stereotypen auf die Schliche zu kommen und sie zu knacken. „Der ,deutscheste? Deutsche in meinem Team war zum Beispiel ein Inder“, sagt Tim Neppel, dessen eigener Selbsttest ergab, dass er ein ziemlich südländischer Typ ist – aus stereotyper Sicht. Letztlich ist jeder Mensch ein eigenes Wesen mit einer ganz eigenen Wahrheit.

    Wobei diese Wahrheit nicht ganz von ungefähr kommt. „Die Familie, aus der wir stammen, prägt uns stark“, hat der 23-jährige Wirtschaftsstudent in Hollands Kurs gelernt.

    Innerhalb des „Global Village“ gab es mehrere Stationen, an denen die Besucher Stereotype knackten. Eine Station ging von einer Bilderwand aus: Studierende malten Bilder, die etwas mit sich und ihrem Vornamen zu tun hatten. Darunter schrieben sie, woher ihr Name geschichtlich kommt und warum sie, soweit sie das herausfinden konnten, eigentlich so heißen wie sie heißen. „Meine Mutter liebte Tim und Struppi“, erklärt Tim Neppel die Genese seiner Namensnennung.

    Aufgabe der Besucher an dieser Station war es ferner, die jeweiligen Bildproduzenten im Raum zu finden, um sich von ihnen eine bestimmte Frage beantworten zu lassen. Tim zum Beispiel ließ fragen, welches sein liebstes Motorrad ist. Ihn zu finden war nicht schwer, denn jeder Besucher trug ein Namensschild um den Hals. Die Antwort auf seine Frage gab es jedoch nicht so ohne weiteres. Tim klopfte den Fragenden erst mal daraufhin ab, ob er denn auch seinen Text gründlich gelesen hat:„Wie nannte mich denn meine kleine Cousine als Kind?“

    Pech, wenn Tims Ausführungen über seine Namensgeschichte nur oberflächlich überflogen worden waren, denn genau aus solchen oberflächlichen Begegnungen erwachsen Vorurteile, Missverständnisse, Konflikte. So lernten die Studierenden also nicht nur, Stereotype aufzudecken. Letztlich ging und geht es um die Kunst der Begegnung. Die ja immer ein Abenteuer ist – bei jedem einzelnen Menschen, auf den man im Leben trifft. Zu wünschen bliebe, dass das Interkulturelle Labor nun nicht für immer in der Schublade verschwindet. Dafür war der Aufwand, es zu kreieren, zu groß. Und dafür ist es einfach viel zu gut.

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