Medizin und Pflege können viel. Doch sie vermögen beileibe nicht alles. „Die beste Therapie des Menschen ist der Mensch“, sagt Dr. Michael Schwab, Chefarzt der Geriatrischen Reha-Klinik des Bürgerspitals. Künftig soll auf das „Therapeutikum Mensch“ noch stärker als bisher gesetzt werden. Ziel ist es, ein ehrenamtliches Helferteam für die betagten Patienten aufzubauen. Erste Freiwillige sollen bei einer Infoveranstaltung am Mittwoch, 15. Juli, um 18 Uhr in der Reha-Klinik gewonnen werden.
36 Patienten werden in der Geriatrie des Bürgerspitals jeweils behandelt. Einige kommen nach einem Schlaganfall in die Klinik. Andere stürzten schwer. Wieder anderen macht das Herz zu schaffen. „Die meisten sind jenseits der 80 Jahre“, sagt Schwab. Zwischen drei bis fünf Wochen liegen sie in der Klinik. In dieser Zeit sollen die Senioren ab Herbst von Ehrenamtlichen begleitet werden.
Ziel: strukturiertes Helferteam
Der Impuls für das neue Freiwilligen-Projekt kam von der Stiftung ProAlter des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe (KDA). Die Stiftung möchte Bürgerengagement zu einem selbstverständlichen Teil einer ganzheitlichen Geriatrie in Deutschland werden lassen. Allerdings sollen die Freiwilligen nicht „irgendwie“ in den altersmedizinisch ausgerichteten Kliniken eingesetzt werden. Vielmehr geht es um den strukturierten Aufbau von Helferteams.
Hierzu suchte die Stiftung bundesweit sechs Einrichtungen, die Vorbildrollen übernehmen möchten. Viele Institutionen zeigten daran Interesse. Nach einer sorgfältigen Prüfung durch das Projektteam vor Ort wurde das Bürgerspital als Pilotstandort in Bayern ausgewählt.
Vorkenntnisse sind laut Schwab nicht nötig, um sich im neuen Helferteam einzubringen: „Wichtig ist alleine eine grundsätzliche Sympathie für betagte Menschen.“ Auch sei eine altersmäßige Mischung erwünscht: Die Gymnasiastin ist ebenso willkommen wie der Rentner. Ungewöhnlich an dem Projekt erscheint auf den ersten Blick, dass sich das Team völlig eigenständig organisieren soll: „Als Teamsprecher würden wir uns deshalb zwei, drei Freiwillige mit Organisationstalent wünschen.“
Die Freiwilligen agieren völlig unabhängig von Pflege und Sozialdienst. Sie sollen weder Essen eingeben noch mit den betagten Patienten die Toilette aufsuchen. „Unsere Ehrenamtliche werden keine Pflegehilfskräfte sein. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, für soziale Teilhabe zu sorgen“, erläutert Schwab.
Jemand das Herz ausschütten
Während des mehrwöchigen Klinikaufenthalts sehnen sich die Patienten nach einem Menschen, dem sie einmal ihr Herz ausschütten können. Denn viele überfällt in den langen Stunden, in denen keine Behandlung stattfindet, die Angst. Werden sie je wieder auf die Beine kommen? Können sie wieder nach Hause gehen? Oder bedeutet der Sturz das Ende der Selbstständigkeit?
Doch auch über Erinnerungen wird gern gesprochen. „Es ist ungemein bereichernd, die Lebenswege betagter Menschen kennen zu lernen“, betont Schwab. Einfache Frage genügten, und schon sprudele es: Wo stammen Sie? Haben Sie Kinder? Wie haben Sie denn als junge Frau gelebt?
Besuch auch am Wochenende
Reden, gemeinsam Kaffee trinken, Erinnerungen und Erfahrungen austauschen, zusammen Magazine durchblättern oder im Garten spazieren gehen - die Ehrenamtlichen sind völlig frei in dem, wie sie sich einbringen möchten. Nur regelmäßig sollten sie kommen, und zwar mindestens an einer Stunde in der Woche. „Vor allem nach 16 Uhr, wenn die Therapien zu Ende sind, wird unseren Patienten die Zeit lang“, sagt Pflegedienstleiterin Susanne Weißenborn. Auch am Wochenende freuen sich die Kranken sehr über Gesellschaft.
Auf den Weg gebracht wird das Ehrenamtsprojekt von einer Steuergruppe, der neben Michael Schwab und Susanne Weißenborn auch Joanna Bardorz vom Sozialdienst der Geriatrie sowie der Würzburger Psychologieprofessor Johannes Fischer von der bundesweiten Stiftung Bürgermut angehören. Fischer wird das Projekt begleiten und als Brücke zur KDA fungieren. Für ihn als Psychologe steht es völlig außer Frage, wie gut es den Patienten aus der Geriatrie tun wird, wenn sie neben den Ärzten, den Schwestern und Therapeuten ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zur Seite haben: „Für mich ist das gelebte Psychologie.“