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OCHSENFURT: Ghazi kommt seinem Berufswunsch näher

OCHSENFURT

Ghazi kommt seinem Berufswunsch näher

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    Drei Wochen lang lernte der junge Syrer Ghazi Khatab in seinem Praktikum als Zahnarzthelfer den Arbeitsalltag in einer deutschen Zahnarztpraxis kennen.
    Drei Wochen lang lernte der junge Syrer Ghazi Khatab in seinem Praktikum als Zahnarzthelfer den Arbeitsalltag in einer deutschen Zahnarztpraxis kennen. Foto: Foto: Catharina Hettiger

    „Traurig und glücklich“ zugleich, so fühlt sich Ghazi Khatab an diesem Morgen. Traurig, weil es sein vorerst letzter Tag in der Ochsenfurter Zahnarztpraxis vor den Toren der Altstadt ist – und glücklich, weil er in den vergangenen drei Wochen seinen Chef und die Kolleginnen kennenlernen konnte. Der ganz in weiß gekleidete 18-Jährige aus Syrien hat gerade sein Praktikum als Zahnarzthelfer beendet. Überraschten Blicken von Patienten begegnet er mit Humor: „Ich weiß, Zahnarzthelferinnen sind fast alle Frauen, aber das ist mir egal“, sagt Khatab und lacht.

    Der Weg von Ghazi Khatab in die Ochsenfurter Zahnarztpraxis ist ein langer. Nachdem das Haus seiner Familie in Daraa, einer Stadt in der Nähe von Damaskus, zerstört wird, und der Älteste von vier Geschwistern in seinem Alltag viele Gefahren, aber keine Perspektiven sieht, plant er seine Flucht. Sie führt den jungen Mann über Damaskus in den Libanon, die Türkei, nach Griechenland, Serbien, Kroatien, Bulgarien, Österreich und Deggendorf – und endet im Oktober vergangenen Jahres zunächst in Würzburg.

    Neues Hilfsangebot

    Da Khatab zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig ist, kommt er im „Clearinghaus“ unter, der Zentralen Inobhutnahmestelle Unterfranken für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge der Caritas-Don Bosco gGmbH. Dort paukt er auch nach seinem Deutsch-Unterricht Vokabeln, so dass er sich innerhalb kürzester Zeit in der fremden Sprache verständigen kann. Einen Sprachtest Anfang des Jahres besteht er mit gutem Ergebnis. In Syrien hat Khatab Abitur gemacht, sein Berufswunsch ist es, Zahnarzt zu werden.

    Doch ob aus diesem Wunsch in Deutschland Wirklichkeit werden kann, hängt von vielen Faktoren ab. Wird Khatabs syrisches Abitur auch hierzulande anerkannt, ist das Berufsfeld wirklich das richtige – und passen die Vorstellungen des jungen Syrers mit der Realität der hiesigen Arbeitswelt zusammen? Vor dem Hintergrund all dieser Fragen, mit denen Khatab nicht allein ist, hat die Agentur für Arbeit eine Maßnahme entwickelt, die sich „Aktivierungshilfe für junge geflüchtete Menschen mit Traumaerfahrung“ nennt.

    Aktuell sollen auf diese Weise 20 Teilnehmer aus Äthiopien, Eritrea, Syrien und Afghanistan an die hiesige Berufsrealität herangeführt und eingegliedert werden, erklärt Barbara Stehmann, Sozialpädagogin bei der Caritas-Don Bosco gGmbH Würzburg. Das Bildungszentrum ist Träger der Maßnahme, und Stehmann Mitglied eines vierköpfigen Teams, das die Teilnehmer betreut. Das eigene Sprachniveau verbessern und die deutsche Arbeitswelt verstehen lernen – das sind die Ziele der Maßnahme. Im Mittelpunkt des Programms stehen ein intensiver Deutschunterricht sowie sogenannte Berufserprobungen. Bei Praktika in drei verschiedenen Feldern sollen die jungen Erwachsenen Erkenntnisse über ihre beruflichen Eignungen und Neigungen gewinnen. Die ersten beiden Praktika finden bei Don Bosco statt und können in den unterschiedlichsten Bereichen absolviert werden: vom Metall-, Elektro- und Hotelgewerbe bis hin zum Landschaftsbau. „Die Werkstätten sind darauf eingestellt, jungen Leuten Einstandshilfe in den Beruf zu geben“, so Stehmann. Ist der Teilnehmer pünktlich und kann er sich in die Arbeitsabläufe einfügen? „Don Bosco bietet im Hinblick auf all diese Fragen einen fördernden Lernraum, den benachteiligte Jugendliche brauchen“, ist Stehmann überzeugt. Für ein weiteres Praktikum außerhalb von Don Bosco spielt neben den persönlichen Voraussetzungen, die der Einzelne mitbringt, laut Stehmann auch der aktuelle Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle: „Wo werden Arbeitskräfte gebraucht?“

    Spontane Zusage

    Als der Ochsenfurter Zahnarzt Peter Merten von einer Bekannten angesprochen wird, ob er einem jungen Syrer einen Praktikumsplatz als Zahnarzthelfer anbieten kann, sagt er spontan zu. Und so bekommt Khatab drei Wochen lang Gelegenheit, einem Zahnarzt bei der Arbeit über die Schulter zu schauen und ein Gefühl für das Arbeitsfeld „Zahnmedizin“ zu entwickeln. Zahnarztbesteck säubern, Sterilisatoren bestücken, Material für Zahnabdrücke mischen, Modelle für Reparaturen ausgießen oder Patienten ins Wartezimmer führen: „Ghazi hat seine Aufgaben prima erledigt und sich gut eingefügt“, lobt Merten – und ermutigt den18-Jährigen, seine Bewerbungsunterlage für eine dreijährige Ausbildung zum Zahnarzthelfer bei ihm einzureichen. „Ich arbeite seit 30 Jahren als Zahnarzt, Ghazi wäre mein erster männlicher Helfer“, lacht er.

    Eine berufliche Perspektive für Khatab, über die sich auch Barbara Stehmann freut: „Die Maßnahme der Agentur für Arbeit kommt gut an.“ Die Teilnehmer seien „äußerst motivierte und engagierte Menschen, die dankbar für diese Möglichkeit sind und etwas erreichen wollen.“ Die aktuellen Lebensbedingungen der Teilnehmer seien allerdings oft problematisch: Wer in einer Gemeinschaftsunterkunft sein Zimmer mit mehreren Personen teilen muss oder gar in einer Turnhalle untergebracht ist, tut sich schwer damit, dort zu lernen und ausgeruht zur Arbeit zu kommen.

    Und auch das Mitarbeiterteam der Aktivierungshilfe steht noch vor Herausforderungen: „Wir sind dabei, die Zeugnisse der Teilnehmer aus ihren jeweiligen Heimatländern anerkennen zu lassen“ so Stehmann.

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