Auf einer blühenden Kräuterwiese stehen verschiedene Obst- und Gemüsesorten. Umrahmt werden sie von wunderbaren Weinlaubengängen. Behutsam nimmt Pater Johannes Batenderana die Reben in die Hand, prüft sie, als würde er sie streicheln. Auch wenn der Prior nicht genau sagen kann, wie hoch der Ertrag der Trauben heuer sein wird, sicher ist, dass sie auf den Tisch kommen. Nicht als Obst, sondern als Wein.
Mit verschmitzten Augen schaut er einen an und wartet auf eine Reaktion. Die lässt nicht lange auf sich warten. Wird etwa irgendwo im Keller heimlich ein Fusel Eigenmarke gebrannt? Pater Johannes lächelt zufrieden. Die bewusste Irreführung ist gelungen. "Nein, die Reben werden nicht hier verarbeitet, sondern im Juliusspital. Dafür bekommen wir jedes Jahr zwischen 60 und 100 Liter Wein."
Die Unbeschuhten Karmeliten kamen 1627 nach Würzburg. Obwohl sie seit nunmehr 379 Jahren hier wirken, sind sie kaum unter ihrem offiziellen Namen bekannt. Im Gegenteil: Die meisten Würzburger wissen, wo die Reuerer-Kirche ist. Fragt man allerdings nach dem Karmelitenkloster, macht sich in vielen Fällen Ratlosigkeit breit. Der Hintergrund: Seit 1227 gab es in der Sandervorstadt ein Frauenkloster der "Schwestern zur büßenden heiligen Magdalena". Eines der Hauptanliegen der von Rudolf von Worms gegründeten Gemeinschaft war, ehemaligen Prostituierten eine neue Perspektive zu bieten. Da diese im Kloster ein Leben in Buße und Reue führten, wurden sie im Volksmund nur noch "Reuerinnen" genannt. Als die Karmeliten das inzwischen geschlossene Kloster übernahmen, "erbten" sie auch den Namen.
Bei der Entstehung des Klosters gab es um das Gebäude bereits große Gartenflächen. Mit der Übernahme haben aber die Karmeliten begonnen, das Areal bis hin zum Main auszuweiten. Da das Kloster bei der Säkularisation verschont wurde, sind die Gärten im Wesentlichen erhalten geblieben. Als Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ein Kinderspielplatz gebaut werden sollte, wurde dem Kloster ein Opfer für das öffentliche Wohl abverlangt: Es musste einen Teil seines Gartens abtreten. Das geschah nicht zum ersten Mal. Bei dem Bau der von Balthasar Neumann errichteten Mainkaserne war es ebenfalls so. Auf dem gesamten früheren Teil des großen Klostergartens befindet sich laut Pater Johannes jetzt auch das Wirsberg-Gymnasium.
Neben dem Nutz- und Zierpflanzengarten hat das Kloster zwei weitere Gärten im Gebäudekomplex: den vorderen oder kleineren und den hinteren oder großen Garten. Der Kleine wird kaum benutzt, der Große um so mehr, so der Prior. "Im Sommer essen wir hier gern draußen." Umgeben von Nuss- und Kirschbäumen sowie diversen Blumen lässt es sich gut erholen.
Ein Farbfoto von 1989 veranschaulicht, wie der Klostergarten der Karmeliten mit seiner üppigen Fülle der Nutz- und Zierpflanzen früher ausgesehen hat. Bedauerlicherweise haben solche Bilder jetzt Seltenheitswert bekommen. Der auf weniger als die Hälfte seines ehemaligen Areals reduzierte Klostergarten ist aber auch heute noch für die Innenstadt verhältnismäßig groß.