Hatten Sie heute schon mit Holz zu tun?“ Es ist die erste Frage, die Dr. Gerd Vogg den Besuchern im Botanischen Garten stellt. Die meisten müssen nicht lange überlegen. Sie sind in einem Holzbett aufgewacht, sind über einen Holzboden oder Laminat gelaufen, haben ihr Frühstücksbrot auf einem Holzbrett geschnitten, vielleicht mit einem Streichholz den Gasherd angestellt, Zeitung gelesen, irgendwann Klopapier benutzt, Holztüren hinter sich zugezogen. Und vielleicht, unterwegs, Kaffee aus dem To-go-Becher getrunken.
Holz ist überall. Der Alltag ohne kaum denkbar. Häuser oder zumindest Bauteile sind aus Holz, Möbel, Gebrauchsgegenstände, Instrumente, sogar Kleidung. Viskose zum Beispiel besteht aus natürlicher Cellulose. Man trägt also keine Kunstfaser, sondern Buchen-, Fichten oder Eukalyptusholz. „Mit Holz hat jeder von uns von früh bis abends zu tun“, sagt Gerd Vogg, der Wissenschaftliche Kustos des Botanischen Gartens. Inzwischen wird auch für Kunststoffe Holz verwendet: In Büromaterial oder Küchenutensilien steckt der Holzstoff Lignin, ein Abfallprodukt, das bei der Cellulose-Herstellung entsteht. Vorteil dieser Bio-Kunststoffe: man braucht kein Erdöl dafür.
Vom Pfeil und Bogen des Steinzeitmenschen bis zum modernen Edelturnschuh auf Biokunststoffsohlen – der Mensch verwendet seit jeher Holz. Was wird alles aus Holz hergestellt und welche Hölzer werden dafür verwendet? Woher stammen sie? Wo wachsen die Bäume. Im Botanischen Garten der Universität Würzburg erzählt ab Sonntag eine neue Ausstellung davon.
Nach Farn und Schachtelhalm: Seit wann gibt es überhaupt Bäume?
Vor rund 450 Millionen Jahren entwickelten sich aus den Wasserpflanzen die ersten einfachen Pflanzen an Land. Es war eine (r)evolutionäre Entwicklung: Aus vergleichsweise kleinen Pflanzen, die am Boden krochen, entwickelten sich die ersten baumartigen Gewächse mit Stamm und Krone, die sich mehrere Meter über den Erdboden erhob – dem Licht entgegen. „Ein enorm erfolgreiches Konzept“, sagt Botaniker Gerd Vogg.
Die ersten Bäume entstanden vor rund 350 Millionen Jahren. In der Steinkohlezeit wuchsen in einem feuchten, tropischen Klima riesige Wälder mit Bärlapp-, Farn- und Schachtelhalmbäumen. Alles Sporenpflanzen, deren Stamm noch völlig anders aufgebaut war als bei heutigen Bäumen.
Als es trockener wurde, vor rund 270 Millionen Jahren, entwickelten sich die Nadelbäume, die über 200 Millionen Jahre lang das Landschaftsbild beherrschen sollten. Erst vor rund 100 Millionen Jahren entwickelten sich dann die Laubbäume und wurden zum heute vorherrschenden Wald.
Was ist eigentlich Holz? Was macht es so besonders?
Für den Botaniker ist Holz nur das Innere im Stamm – nach Borke, Rinde und Bast. Holz besteht aus röhrenförmigen Zellulosezellen, die durch eine feste, farblose Kohlenwasserstoff-Verbindung miteinander verklebt sind – das Lignin. Es wird in der Zellwand eingelagert und sorgt dort für die Festigkeit. Wenn Pflanzenzellen verholzen, spricht der Botaniker deswegen auch von Lignifizierung. Je nach Baumart sind die Zellen unterschiedlich groß und strukturiert. Dadurch ergeben sich die verschiedenen Eigenarten der Hölzer: Leichte wie Balsaholz und Nadelhölzer, die auf Wasser schwimmen. Und schwere und dichte Tropenhölzer, die wie ein Stein im Wasser untergehen.
„Die Besonderheit der Zellen im Holz ist, dass sie funktionell aktiv sind, obwohl sie tot sind“, sagt der Botaniker. Der große Vorteil für den Baum: Die Holzzellen transportieren Wasser und geben Stabilität. Sie brauchen aber keine Energie und keine Nährstoffe mehr. „Nur deshalb können sich die Bäume zum Teil riesige Stämme leisten.“
Welche Aufgaben hat eine Schicht?
Zersägt man einen Baumstamm, lassen sich mehrere Schichten erkennen: Von innen nach außen sind es Kernholz, Splintholz, Kambium und Borke, also Rinde.
Das Kernholz im Inneren des Baumstamms besteht aus abgestorbenen Holzzellen. Weil Harze und Gerbstoffe eingelagert sind, ist es besonders fest und widerstandsfähig, sagt Gerd Vogg.
Die lebenden röhrenförmigen Holzzellen bilden das Splintholz und umringen den Kern. Sie sind quasi das Transportsystem: Die Zellen speichern Nährstoffe und leiten Wasser in die Baumkrone.
Für neue Holzzellen ist das Kambium zuständig. Es besteht aus nur ganz wenigen Lagen teilungsfähiger Zellen. Nach innen gibt das Kambium Holzzellen für den Wassertransport ab, nach außen Siebzellen für den Safttransport, der unter der Borke stattfindet.
Die Borke selbst ist aus toten Zellen aufgebaut und schützt den Baum vor extremen Temperaturen und vor Tieren.
Altersfrage und runde Sache: Wie kommt es zu den Jahresringen?
Im Frühling bildet das Kambium neue große Zellen, der Baum wird dicker. Im Laufe des Sommers werden die neuen Zellen immer kleiner, im Spätherbst stellt das Kambium dann das Zellwachstum ein. Im nächsten Frühjahr geht es wieder von vorne los: mit großen, dicken Zellen. So kommt es zu den typischen Jahresringen, an dem man das Alter des Baumes genau abzählen kann. Die Palme übrigens (im Hintergrundbild links unten ein Schnitt durch einen Stamm) hat kein Kambium, bildet also auch keine Jahresringe. „Im botanischen Sinne“, sagt Vogg, „hat eine Palme also kein Holz.“ Lignin aber ist eingelagert – „also ist es doch Holz“.
Grenzenlos in die Höhe: Wie groß kann ein Baum werden?
Der kleinste Baum der Erde, die Zwergweide, wird gerade mal zwei Zentimeter hoch. Man kann die Miniversion kaum als Baum erkennen, er wächst in Gebirgen auch erst ab einer Höhe von 1500 Metern. Die gewaltigsten, höchsten, größten Bäume der Welt sind die Küstenmammutbäume im Redwood-Nationalpark in Kalifornien. Bis zu 115 Meter hoch sind dort die Mammuts mit wissenschaftlichem Namen Sequoia sempervirens. Nehmen Physiker die drei beim Wassertransport wirksamen Kräfte – Erdanziehungskraft, die Kapillarkräfte im Baum und den Reibungswiderstand – können sie die maximale Wachstumsgrenze für Bäume berechnen, sagt Vogg. Das Ergebnis: 120 Meter. Die Küstenmammuts kommen also fast bis an die natürliche Grenze.
Wie viel Wasser trinkt ein Baum?
Wie viel ein Baum an Flüssigkeit aufnehmen kann, hängt von der Baumart, der Größe und nicht zuletzt vom Wetter ab. Große Exemplare, sagt Vogg, kommen auf bis zu mehrere Hundert Liter am Tag. Gegen die Schwerkraft muss das Wasser von der Wurzel bis hoch in die Baumkronen gelangen. Wie? „Der Transport erfolgt passiv“, sagt Vogg. „Stellen Sie sich eine Pfütze vor, aus der das Wasser durch die Sonnenenergie verdunstet. Je trockener und wärmer die Luft ist, umso mehr verdunstet.“ Genauso werden die Landpflanzen passiv vom Wasser durchströmt. Blätter haben auf ihrer Oberfläche eine dünne Wachsschicht, die sie vor dem Vertrocknen schützt. Werden die mikroskopisch kleinen Spaltöffnungen in dieser Schicht geöffnet, verdunstet Wasser und es entsteht ein Sog in den Leitungsbahnen: Das Wasser steigt nach oben, ohne dass der Baum aktiv was dafür tun muss.
Transportgeschwindigkeit: Wie schnell trinkt der Baum?
Die Leitungsgeschwindigkeit ist abhängig vom Aufbau der Leitungsbahnen, der Tracheen oder Tracheiden. Die sind unterschiedlich in verschiedenen Pflanzengruppen. Und so ergeben sich diese Wasser-Geschwindigkeiten im Holz:
• Nadelhölzer: 1 bis 1,5 Meter pro Stunde
• Mediterrane Hartlaubgewächse:
0,4 bis 1,5 Meter pro Stunde
• Zerstreutporige Laubhölzer wie Linde
und Ahorn: 1 bis 6 Meter pro Stunde
• Ringporige Laubhölzer wie Esche, Ulme, Eiche: 4 bis 44 Meter pro Stunde • Krautpflanzen: 10 bis 60 Meter pro Stunde
• Lianen: bis zu 150 Meter pro Stunde
Wie viele Baumarten gibt es auf der Welt?
Erst im vergangenen Jahr sind die Ergebnisse der ersten globalen Inventur aller Baumarten veröffentlicht worden: Aktuell sind weltweit 60 065 Arten bekannt. Die meisten von ihnen finden sich in den tropischen Ländern mit großen Regenwaldgebieten, vor allem in Brasilien, Kolumbien und Indonesien. Allein in Brasilien sind es 8700 verschiedene Arten, viele von ihnen kommen nirgendwo anders vor. Überhaupt kommen 58 Prozent der Arten jeweils in nur einem einzigen Land vor – das macht Bäume anfällig für Katastrophen oder Umweltzerstörung. Rund 300 Arten gelten als „stark vom Aussterben“ bedroht – weil man von ihnen nicht mal 50 lebende Individuen kennt. Für Deutschland stehen 97 heimische Baum- und Straucharten auf der Inventurliste.
Hauchdünnes Holz: Was ist Furnier?
Furnier, das bedeutet maximale Ausnutzung und sparsame Verwendung eines kostbaren Rohstoffs: Besonders das Kernholz, das oft dunkel gefärbt ist, wird häufig dazu genutzt. Die wertvollen Hölzer werden mit Messern extrem dünn geschnitten oder geschält und auf weniger wertvolle, günstige Träger aufgebracht. Aus einem Kubikmeter Eiche-Rundholz lassen sich beim Messern in 0,7 Millimeter dünne Schichten rund 750 Quadratmeter Furnier erzeugen. Mit dieser Menge können, zusammen mit dem meist aus Holzabfällen erzeugten Trägermaterial, etwa 50 beidseitig furnierte Schlafzimmerschränke hergestellt werden. Die unterschiedlichen Maserungen im Furnier entstehen durch unterschiedliche Schnittebenen. Besonders interessante und wilde Maserungen haben Furniere, die aus Knollen am Stamm oder Wurzeln hergestellt werden.
Warum hält man beim Kaffeetrinken Wald in der Hand?
So sehr bei Furnier Rohstoff gespart wird, so sehr wird er durch Einwegbecher verbraucht. Laut der Deutschen Umwelthilfe sind es allein in Deutschland 320 000 Pappbecher pro Stunde, pro Jahr 2,8 Milliarden. Macht umgerechnet auf jeden Bundesbürger 34 Becher im Jahr. „Insgesamt müssen dafür 40 000 Bäume gefällt werden“, sagt Gerd Vogg. Sein Tipp: Mehrwegbecher! Und den Kaffee in Ruhe aus einer anständigen Tasse trinken.
„Welt der Hölzer – Hölzer der Welt“:
Die Ausstellung im Botanischen Garten der
Universität Würzburg ist bis zum 31. Dezember zu sehen. Eröffnung ist an diesem Sonntag,
28. Oktober, um 14 Uhr mit einer Führung.
Geöffnet hat der Botanische Garten am Dallenberg, Julius-von-Sachs-Platz 4, täglich von 8 bis 16 Uhr, auch an Wochenenden und Feiertagen. Eintritt frei. Infos: www.bgw.uni-wuerzburg.de