Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Würzburg
Icon Pfeil nach unten

EIBELSTADT: Handverlesene Trauben

EIBELSTADT

Handverlesene Trauben

    • |
    • |
    Fleißige Helfer: Roman Moser ist die Arbeit im Weinberg gewöhnt. Im Eibelstadter Weingut Leo Sauer ist die Handlese heuer vor allem wegen des hohen Anteils fauler Beeren unverzichtbar.
    Fleißige Helfer: Roman Moser ist die Arbeit im Weinberg gewöhnt. Im Eibelstadter Weingut Leo Sauer ist die Handlese heuer vor allem wegen des hohen Anteils fauler Beeren unverzichtbar. Foto: Fotos: Wilma Wolf

    Was ist das nur für ein Wetter? Eigentlich sollte es heute schön werden, richtig warm, und Sonne. Doch nichts von alledem Im Gegenteil. Grau in grau ist der Himmel über Eibelstadt. Dunkle Wolken hängen über dem Kapellenberg. Genau dort, wo um 8 Uhr morgens die Weinlese beginnt.

    Es ist der letzte Lesetag des Weingutes Leo Sauer in diesem Jahr. Und für mich der allererste in meinem Leben. Eigentlich eine Schande bei uns im fränkischen Weinland. Aber besser spät als nie. Vorgestellt hatte ich mir goldene Oktobersonne, die auf bunt gefärbtes Weinlaub und pralle, saftige Trauben scheint. Ein wenig zu viel Romantik. Die Realität ist anders.

    Das Team ist startklar: Werner Röder, Rosa Sauer, Renate Büchold, Roman Moser und fünf rumänische Erntehelfer. Sie haben schon drei Wochen Lese hinter sich. Sind aber dennoch gut drauf. Der Traubenwagen aus Edelstahl steht bereit. Der kleine Weinbergsschlepper mit dem Traubenheber zwischen den Reihen auch.

    Werner Röder drückt mir ein paar Handschuhe, eine Leseschere und einen schwarzen Eimer in die Hand. „Viele Trauben sind heuer faul, die müssen entfernt werden“, sagt er. Und los geht's. In diesem Teil des Weinbergs haben die Röders im Sommer ordentlich entlaubt. Die Silvaner-Trauben sind gut sichtbar. Auch für den blutigen Anfänger. Das hilft.

    Jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Ganz fein und unaufhörlich kommt das kühle Nass von oben. Renate hat ihre Haare mit einer Plastikhaube geschützt. Ein paar andere tragen Kapuze, Roman hat einen Hut auf, Werner eine Kappe. Ich habe nichts dergleichen. Alles wird nass. Das Gras, das Weinlaub, die Trauben, ich. Langsam kriecht die Nässe durch die Kleidung bis auf die Haut. Die Haare kringeln sich feucht und triefen. Mich fröstelt.

    Das erste Paar Handschuhe ist durchgeweicht. Rosa holt mir neue. „Probier mal die, die sind besser“, sagt sie. 79 Jahre ist sie alt, seit 65 Jahren geht sie in den Weinberg. Und noch immer gibt sie ganz vorne den Ton an. Die Mutter von Weingutschefin Elke Röder ist ein Phänomen.

    Konzentriert und still arbeiten sich die Leser durch die einzelnen Zeilen. Rauf und wieder runter. Immer nach einer strengen Ordnung. Gesprochen wird kaum. „Erzähl doch mal was, die Rumänen können kein Deutsch“, fordert Rosa mich auf. Doch ich will lieber etwas von ihr wissen. Aus ihrer Jugend. Wie das so war, damals. Ohne Traktor. Ohne Maschinen. Ohne Vollernter.

    Früh morgens zogen die Kühe den Erntewagen in den Weinberg. Die Kühe mussten dann wieder heimgebracht werden, erzählt Rosa. Und abends wieder geholt. Starke Männer mussten mit schweren Holzbutten auf dem Rücken die gelesenen Trauben aus den Reihen schleppen. Richtig harte Knochenarbeit. Heute erledigt das der Traktor.

    Gegen Mittag irgendwann kommt dann doch die Sonne. Auf dem oberen Weinbergsweg fährt ein Vollernter vorbei. Auch das ist heute Realität. Bei Sauers wird alles noch von Hand gelesen. Ein enormer Vorteil in schwierigen Jahren wie diesen, sagt Werner Röder.

    Das Team ist gut voran gekommen. „Um 13 Uhr sind wir fertig“, meint der Chef. Recht hat er. Denn in manchen Zeilen ist man ganz schnell fertig. „Die Trauben haben die Vögel alle schon geholt“, bedauert Rosa. Und von dem, was die Vögel übrig gelassen haben, fiel ein Großteil der Fäulnis und dem Schimmel zum Opfer. Alle faulen Früchtchen müssen deshalb weggeschnitten werden. Die gewünschten Aromen sitzen in den gesunden Trauben. Und nur dort.

    Das macht die Arbeit im Keller leichter, sagt Chefin Elke Röder. Schuld an der Fäulnis und dem darauffolgenden Schimmel ist ein winziges, nur drei Millimeter großes Insekt: die Kirschessigfliege, Drosophila suzukii, die aus Asien zu uns kam und in diesem Jahr erstmals massiv auftrat. Zwar ist sie klein, dennoch richtet sie großen Schaden an. Mit einem einzigen Stich in die Traube. Dort legt sie dann 300 bis 400 Eier ab.

    Außerdem entstehen Fäulnis und Schimmel, erklärt Röder. In Eibelstadt habe man lange Glück gehabt, das kleine Tierchen kam erst Anfang September. Aber dann gewaltig. Vorher machten die Kirschessigfliegen den Obstbauern das Leben schwer. Als das Obst abgeerntet war, stürzten sie sich auf die Weintrauben.

    Inzwischen ist es Punkt 13 Uhr. Die Scheren haben ihre Schuldigkeit getan. Die letzten Trauben fallen in den Eimer. Die Ernte ist eingebracht. Rosa sammelt die Lesescheren ein. Im Winter wird Werner sie für das nächste Jahr fit machen. Alle lächeln zufrieden.

    Auch Elke Röder. Trotz Kirchessigfliege, trotz der Arbeit beim Ausschneiden des faulen Trauben, trotz der Ertragseinbußen zwischen 30 und 50 Prozent, wie die Winzerin schätzt. Als Folge wird es 2014 weniger Wein geben. Dafür aber mit intensiven Fruchtaromen, sagt sie. Und vermutlich auch teurer. Jammern liegt Elke Röder dennoch fern. „Wir leben mit der Natur, es ist jedes Jahr eine neue Herausforderung, das Beste daraus zu machen“, meint die stellvertretende Vorsitzende des Weinbauvereins Eibelstadt. Und zu guter Letzt beschreibt sie das Weinjahr 2014 in einem einzigen Satz: „Außer der Menge hat alles gepasst.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden