Mona gilt als „unmögliches“ Mädchen. Sie ist hyperaktiv. Provoziert andere Kinder. Ist schwer zu bändigen. „Monas Mutter trank während der Schwangerschaft“, erklärt Wolfgang Beckmann, Bereichsleiter Schule der Evangelische Jugendhilfe (EJ). Deshalb ist die Siebenjährige so schwer verhaltensauffällig, dass sie vorerst noch nicht in einer Förderschule aufgenommen werden kann. An diesem Dienstag wurde auch Mona in die Wichern-Schule für Kranke eingeschult.
Vor zwei Jahren kam Mona in eine Wohngruppe der EJ, berichtet die Evangelische Kinder-, Jugend- und Familienhilfe (EKJFH) . Die hat viele Angebote für Kinder und Jugendliche mit emotionalen und seelischen Problemen. Seit genau zehn Jahren gehört auch die einst staatliche Schule für Kranke zur Einrichtung. Im Durchschnitt werden hier 130 Schülerinnen und Schüler zwischen sechs und 18 Jahren von einem bis zu 40-köpfigen Team aus Lehrkräften, Pädagogen und angehenden Lehrern unterrichtet und betreut.
Manches Kind aus einer der Würzburger Kliniken besucht die Wichern-Schule nur drei Wochen lang. Kinder aus der Evangelischen Jugendhilfe werden teilweise jahrelang unterrichtet. „Dass ein Kind bei uns eingeschult wurde, kam bisher in zehn Jahren allerdings erst zweimal vor“, so Beckmann.
Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. In der Praxis ist dieses Recht jedoch mitunter schwer umzusetzen. „Die Kinder, die wir unterrichten, kommen mit dem Regelschulsystem nicht klar“, schildert Beckmann. Manche sind so aggressiv, dass die Lehrkräfte Angst vor ihnen haben. Andere haben selbst so große Angst vor der Schule, dass sie über viele Monate hinweg nur unregelmäßig am Unterricht teilnehmen. In der Wichern-Schule werden sie so intensiv unterstützt, dass sie es trotz ihrer Problematik schaffen, sich den Lernstoff anzueignen. Mona beispielsweise wird in den ersten Schulwochen einzeln von einer Pädagogin gefördert.
Kein Kind kann etwas dafür, dass es so ist, wie es ist, wird an Monas Beispiel klar. Warum ihre Mutter so viel Alkohol in der Schwangerschaft konsumierte, dass Mona dadurch schon vor ihrer Geburt geschädigt wurde, wissen ihre Lehrkräfte nicht. Aber das spielt auch keine Rolle. Das Team der nach Johann Hinrich Wichern, Gründer der modernen Diakonie, benannten Schule setzt alles daran, dass Mona das lernt, was sie braucht, um als Erwachsene ein gutes Leben führen zu können.
„Ich hätte nie gedacht, dass ihr mich aushaltet“, sagte, bevor sie die Schule verließ, unlängst eine Schülerin, die wegen ihres Verhaltens von mehreren Schulen entlassen worden war. Auch in der Wichern-Schule versuchte sie, so stark zu provozieren, dass man sie aus dem Unterricht entfernen würde. Doch genau das geschah nicht. Irgendwann gab die Jugendliche ihr rebellisches Verhalten auf. Zu ihrem eigenen Erstaunen entdeckte sie, dass Lernen Spaß machen kann. Am Ende der zehnten Klasse schaffte sie, was niemand erwartet hätte – den Mittelschulabschluss mit Bravour.
Am 14. September feiert die Einrichtung der Diakonie mit einem Fachtag ihr zehnjähriges Bestehen. Die Festrede hält Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Professor Gunter Adams, Leiter der EKJFH, wird über die Bedeutung der Wichern-Schule referieren. Auch Schüler kommen zu Wort. In Interviews mit Schulleiterin Angela Langenstein und Bereichsleiter Wolfgang Beckmann werden sie erzählen, wie sie die Wichern-Schule erleben – gerade im Vergleich zu den Schulen, die sie bisher kennengelernt haben.