Im Intranet des Uniklinikums Würzburg gibt es ein schwarzes Brett, auf dem Mitarbeiter Kleinanzeigen schalten können. Die Idee für dieses Instrument stammt nicht etwa vom Betriebsrat oder der Personalabteilung: Ein Mitarbeiter schlug es vor. Genauso wie die Fahrradservicestation an einer der Pforten, an der Beschäftigte Montagematerial für ihr Fahrrad bekommen können.
Oder wie die Sitzgelegenheiten an markanten Stellen im Gelände, die auch Einfälle von Mitarbeitern waren. „Die Vorschläge reichen von ganz praktischen Ideen für den Alltag bis hin zu klinikspezifischen Verbesserungsvorschlägen“, sagt Prof. Dr. Georg Ertl, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums. „Gemeinsames Ziel ist es, Abläufe und Strukturen durch gezielte Maßnahmen zu vereinfachen, zu beschleunigen, günstiger zu machen oder in sonstiger Weise zu verbessern.“ Dabei gehe es vor allem um Ideen, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht eigenverantwortlich in ihrem Aufgabenbereich umgesetzt werden können.
„Vorgesetzte müssen die Mitarbeiter aktivieren, Ideen einzureichen. Das sind Holschulden“, sagt Christoph Gutknecht, Leiter Ideenmanagement beim Deutschen Institut für Betriebswirtschaft (DIB/Frankfurt am Main). Dafür müssten die Mitarbeiter vor allem darüber informiert sein, dass es ein Ideenmanagement gibt und wie man Ideen einreichen kann. „Auf der anderen Seite müssen Mitarbeiter auch immer wieder einen Status erhalten: Wie weit ist man mit der Begutachtung der Idee?“ Denn die finale Bewertung einer Idee dauere in manchen Branchen oft Monate. Und er sagt: „Es muss klar sein, dass jede Idee wertvoll ist – auch wenn sie keinen großen finanziellen Erfolg bringt.“
Im Uniklinikum in Würzburg gibt es zwar Poster und Flyer – vor allem sind aber die Führungskräfte zuständig, die Mitarbeiter zu Verbesserungsvorschlägen anzuregen. Das Intranet bündelt die Informationen: Regularien, Bewertungskriterien, Ablauf und ein Standardformular sowie alle bisher eingereichten und beurteilten Vorschläge.
Wesentliche Kriterien für die Beurteilung und Prämierung sind Nutzen und Kosten der Verbesserung, die erbrachte Leistung und der Umfang der Anwendung im Bereich des Klinikums: Die Prämien für einen umgesetzten Vorschlag reichen von einer Sachprämie in Form eines Gutscheins bis zur Geldprämie und der Möglichkeit der Dienstbefreiung.
Continental sparte 2015 durch Mitarbeiterideen nach eigenen Angaben rund 124 Millionen Euro, die Telekom nennt für das gleiche Jahr eine Summe von 147 Millionen Euro. Doch wie lässt sich das Wissen der Mitarbeiter am besten nutzen? Laut Gutknecht steckt das Wesentliche bereits im Begriff. „Der Ansatz muss eben im Managementstil sein: etwas systematisch und wiederkehrend machen“, so Gutknecht: „Die Geschäftsführung muss hinter dem Vorhaben stehen und Ergebnisse einfordern. Sie sollte sich mindestens zweimal im Jahr berichten lassen.“ Spitzenreiter im Ideenmanagement sind laut Gutknecht in Deutschland die Aluminium- und metallverarbeitende Industrie, gefolgt vom Maschinen- und Anlagenbau. Viel Potenzial herrsche noch bei Energieversorgern und Finanzdienstleistern. Doch abseits der möglichen Kosteneinsparungen: Was bringt es, die Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter einzufordern? „Es geht auch um Motivation und Teilhabe und damit um das Betriebsklima im Unternehmen.
Ideenmanagement kann eine Möglichkeit sein, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und einen wertschätzenden Umgang zu pflegen“, sagt Gutknecht.
Bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs GmbH (WVV) wurden seit der Einführung des betrieblichen Vorschlagswesens im Jahr 1988 insgesamt 3600 Vorschläge eingereicht – ein gutes Drittel der Ideen wurde umgesetzt. Die WVV verlost unter allen eingereichten Ideen Sachpreise.
„Die Unternehmen in unserer Region sind unterschiedlich fit.“
Oliver Freitag, IHK Würzburg-Schweinfurt
Prämiert werden jene Vorschläge, die Verbesserungen bringen: beispielsweise der Unfallverhütung dienen, eine Arbeitserleichterung bringen oder sich positiv auf die Umwelt auswirken.
Und bei Autozulieferer Schaeffler (Herzogenaurach/Schweinfurt) gibt es für Ideen eine eigene Plattform: Mitarbeiter können mit der Software Ideenreich ihre Vorschläge einreichen und erhalten eine Prämie, wenn die Idee erfolgreich umgesetzt wird.
„Die Unternehmen in unserer Region sind unterschiedlich fit, und das ist das Problem“, sagt Oliver Freitag, Bereichsleiter Innovation und Umwelt der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg–Schweinfurt. „Die Großen sind meist gut besetzt, haben ein Ideenmanagement etabliert und betreiben das auch mit Managementmethoden. Kleinunternehmer oder Mittelständler tun sich da oft schwer.“ Dies liege vor allem an den Personalkapazitäten und der Umgebung: „Die KMUs (kleine und mittlere Unternehmen, Anm. der Red.) sind in das Tagesgeschäft eingebunden und entwickeln meist nur Ad-hoc-Lösungen. Das ist unserer Meinung nach nicht der richtige Weg“, so Freitag. Er rät ihnen, sich externe Unterstützung zu holen, sei es in der regionalen Hochschullandschaft, durch Berater oder durch Kooperationen mit anderen Unternehmen. Unter den fränkischen KMUs gibt es bereits einige Vorreiter, die das Potenzial der Mitarbeiter für sich zu nutzen wissen. Bei dem Marktheidenfelder Motorenhersteller Fertig Motors GmbH arbeiten 60 Beschäftigte. Geschäftsführer Dietmar Hamberger sieht gerade in der Größe und den flachen Hierarchien seines Unternehmens Wettbewerbsvorteile: „Wir probieren Dinge einfach mal aus. Und es ist auch nicht schlimm, wenn es nicht klappt.“
Fertig Motors ist ein Joint Venture von Hans Beckhoff (Beckhoff Automation GmbH) und Erwin Fertig, Gründer der Elau AG. Durch die Nähe zum Automatisierungstechnikhersteller Beckhoff seien die Marktheidenfelder stark innovationsgetrieben. Hamberger sagt: „Wir haben ein Minimum an Prozessen. Wir nutzen stattdessen unsere Manpower, indem wir das Knowhow unserer Mitarbeiter bündeln und intelligent einsetzen.“ Für Ideen, die zum Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) oder zu Patentanmeldungen beitrügen, gebe es bislang noch keine Prämien – was sich laut Hamberger zukünftig ändern könnte. „Wir sind in der Aufbauphase und wachsen noch“, so der Geschäftsführer.