Eigentlich ist er gar kein See. Der Blutsee bei Kist. Sondern ein Niedermoor. Ein Biotop wie es wohl kaum ein vergleichbares mehr im Landkreis Würzburg, nicht einmal in Unterfranken, gibt.
Etwa vier Hektar groß ist das einzigartige Biotop südlich von Kist. Idyllisch liegt es mitten im Irtenberger und Guttenberger Wald, erklärt Hubert Marquart von der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) vor Ort. Ein früher Morgen. Es ist bitterkalt. Die Wintersonne schickt ihre wärmenden Strahlen durch das Geäst der Bäume. Motorsägen-Lärm durchdringt die Stille. Das Moor ist zugefroren. Eine dünne Schneeschicht bedeckt die Oberfläche.
Ohne Frost keine Pflegemaßnahmen
Ideale Bedingungen für Pflegemaßnahmen, wie man sie nur alle paar Jahre vorfindet, sagt der Biologe. Deshalb nutzen die Naturschützer die Gunst der Stunde. Ohne Frost wäre das nicht möglich. Denn normalerweise steht hier das Wasser rund einen Meter hoch. An manchen Stellen sogar bis zu 1,80 Meter, sagt Marquart.
Auch wenn das Wasser nicht überall sichtbar ist. „Das, was man sieht, der sogenannte Schwingrasen, schwimmt auf einem unterirdischen Wasserkörper“, erklärt der Fachmann. Genau das ist das Einzigartige. Der Blutsee hat den größten Schwingrasen in ganz Unterfranken.
„Ein extrem seltenes Kleinod“, sagt Dr. Thomas Keller von der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Unterfranken. Und genau das gilt es, zu erhalten. Das aber geht nicht ohne Eingriff des Menschen. „Wir müssen Bäume wie Erle und Schwarzkiefer herausschneiden, sonst wächst das empfindliche Moor komplett mit Gehölzen zu“, so Marquart weiter. Und das würde die seltenen Pflanzenarten wie Wollgras, Schnabelsegge und Torfmoos verdrängen.
Zu viele Fichten und Kiefern
Fichten und Kiefern haben sich in den vergangenen zehn Jahren im Blutsee massiv angesiedelt. Die Entwicklung von Gehölzen, die man dort nicht haben will, sei rasant vorangeschritten. „Wir haben bei Kiefern ein Wachstum von einem Meter pro Jahr festgestellt“, erklärt Marquart. Geringe Niederschläge sowohl im Sommer als auch im Winter hätten zu dieser Entwicklung geführt.
Und das obwohl die Behörden mit einer kleinen Staumauer der Austrocknung des Blutsees trotzen. Denn allzu nasse Füße mag die Schwarzerle nicht, ergänzt Niels Kölbl vom Landschaftspflegeverband, der die Pflegemaßnahmen im Auftrag der UNB durchführt. Vier Mann mit Motorsägen schaffen es an einem Tag, den Südteil des Blutsees wieder frei zu stellen.
Unter Naturschutz
Weil es so einzigartig ist, wurde das Blutsee-Moor, bestehend aus Kleinem und Großem Blutsee, 1998 erstmals von der Regierung von Unterfranken unter Naturschutz gestellt. „Mitte der 1990er Jahre beabsichtigte die Interessengemeinschaft „Erhaltet die Seewiese“ eine größere Wasserfläche als Naherholungseinrichtung auszubaggern. Das hätte die Zerstörung eines der bedeutendsten Niedermoorkomplexe in Unterfranken zur Folge gehabt“, erläutert Keller auf Anfrage dieser Redaktion die Hintergründe.
Im Jahr 2008 wurde die Verordnung überarbeitet und an die Richtlinien des europaweiten Schutznetzes Natura 2000 angepasst. Seltene Tiere wie die Mops- und die Bechsteinfledermaus fühlen sich hier besonders wohl. Ihre Kolonien zählen zu den größten Sommervorkommen in ganz Unterfranken. Aber auch gefleckte Smaragdlibelle, Springfrosch, Hirschkäfer, Kammmolch und Gelbbauchunke sind in diesem Lebensraum zuhause. Im kommenden Frühling und Sommer wird das einzigartige Moor wieder seine volle Schönheit zeigen.
Doch betreten darf man es nicht. Weil der Rasen aus Moos und Gräsern nur auf einer nicht sichtbaren Wasserfläche schwimmt, besteht Lebensgefahr.
Das Blutsee-Moor Das Niedermoor liegt in einem etwa sechs Hektar großen Naturschutzgebiet (Fauna-Flora-Habitat (FFH) und ist vollständig von Wald umgeben. Es entstand vermutlich in der letzten Eiszeit aus einer Eislinse im Boden, einem sogenannten Pingo, aus dem ein natürlicher See wurde. Dieser war im 18. Jahrhundert schon einmal so stark verlandet, dass in Karten aus dieser Zeit nur eine feuchte Wiese verzeichnet war. Im 19. Jahrhundert wurde er als Fischteich genutzt, im 20. Jahrhundert siedelten sich Torfmoose und andere Pflanzen an. So entwickelte sich der heutige Zustand. Der große Blutsee hat derzeit eine offene Wasserfläche von 500 bis 600 Qudaratmetern. Im Südteil breitet sich der seltene Schwingrasen mit rund 2,6 Hektar aus. Der Name Blutsee kommt vom unregelmäßigen Massenauftreten einer rot gefärbten Alge.