In Dörfern gehört das oft zum Alltag: Wenn das Toilettenpapier ausgeht oder keine Butter mehr im Haus ist, setzt man sich ins Auto und fährt zum nächsten Supermarkt in den Nachbarort oder ins Gewerbegebiet. Zu Fuß wäre der Weg vielen zu weit. Doch was ist, wenn man kein Auto fährt? Eine wissenschaftliche Studie widmet sich nun der Erreichbarkeit von Lebensmittelgeschäften in Mainfranken. Professor Jürgen Rauh von der Universität Würzburg stellte erste Ergebnisse bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt vor. Diese hat die Studie in Auftrag gegeben.
Erwartungsgemäß bestehen die größten Mängel in der Nahversorgung in den kleineren Kommunen mit etwa 1000 Einwohnern. "Oft sind die Lücken so groß, dass sogar ein Bäcker oder Metzger fehlt", sagt der Professor für Sozialgeographie. Grundsätzlich sei die Situation im ländlichen Raum deutlich schlechter als beispielsweise in Würzburg oder Schweinfurt. Gerade in den Landkreisen Rhön-Grabfeld, Haßberge, Bad Kissingen und Main-Spessart gebe es Gebiete mit wenig oder keiner Nahversorgung. Die Entfernungen zu den nächsten Anbietern seien dort teilweise sehr groß.
Über 30 Prozent haben keinen Bäcker und keinen Supermarkt in Laufreichweite
Zehn Minuten. Weiter darf ein Supermarkt oder Metzger nicht weg sein, um in der Studie als "ausreichend" erreichbar für Fußgänger zu gelten. Dabei rechnen die Forscher sogar mit unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten für verschiedene Altersgruppen. Für Rauh ist die Erreichbarkeit von Läden zu Fuß aus mehreren Gründen bedeutend. Zum einen verweist er auf unsere alternde Gesellschaft. Wenn Menschen in einem hohen Alter nicht mehr Auto fahren können, seien diese stärker auf die Nähe von Geschäften angewiesen. Zum anderen sieht er den Trend, dass viele jüngere Menschen nicht mehr "motorisiert" seien, weil ökologische Interessen für sie im Vordergrund stünden.
Dabei kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass zwischen 30 und 35 Prozent der Menschen in Mainfranken in einem Radius von zehn Gehminuten überhaupt keinen Lebensmittelladen erreichen können – noch nicht einmal einen Bäcker. In derselben Größenordnung bewegt sich die Zahl derjeniger, die mindestens einen kleinen Supermarkt oder Discounter in ihrer Umgebung haben. Wer einen Pkw besitzt, hat in Mainfranken hingegen die Qual der Wahl, wenn es um die Lebensmittelversorgung geht. Laut Studie können rund 94 Prozent in zehn Minuten zu verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Preisen und Sortimenten fahren.
"Dünne Versorgungsstruktur" in Rhön-Grabfeld
Auch auf Ebene der einzelnen Kommunen und Landkreise soll die neue Studie dabei helfen, die Versorgungssituation abzubilden. Professor Rauh zeigte dies am Beispiel des Landkreises Rhön-Grabfeld, wo es "dünne Versorgungstrukturen" gebe. Über 70 Prozent der Menschen haben dort nicht einmal einen kleinen Supermarkt, den sie innerhalb von zehn Minuten von ihrem Wohnort aus zu Fuß erreichen können – nur in 32 Prozent der Gemeinden gibt es überhaupt einen. Auf einer Karte des Landkreises zeigen grüne Markierungen, dass Bad Neustadt und Mellrichstadt vergleichsweise gut versorgt sind, während gerade im Norden des Landkreises bei Fladungen dunkelorange Einfärbungen dominieren.
"Man kann unsere Studie nutzen, um zu sehen, wo es größeren Handlungsbedarf gibt", sagt Rauh. Wenn es um konkrete Maßnahmen geht, empfiehlt der Wissenschaftler aber, dass die Kommunen ihre Situation vor Ort selbst genau analysieren und entsprechende Konzepte entwickeln, wie sich diese verbessern lässt.
Vollständige Ergebnisse erscheinen im Früjahr
Das hat auch zum Hintergrund, dass der Datensatz, der für die Studie verwendet wurde, kleinere Lücken aufweisen kann. Welche Lebensmittelgeschäfte es in Mainfranken gibt, haben die Forscher hauptsächlich aus Daten der IHK erfahren. Gerade bei kleineren Läden wie Bäckern und Metzgern seien diese aber nicht vollständig, so Rauh. Ergänzend haben die Geographen deshalb im Internet recherchiert und bei kommunalen Allianzen nachgefragt.
Die gesamte Studie soll im Frühjahr erscheinen und wird über die Internetseite der IHK für jedermann verfügbar sein. Dabei soll es dann nicht nur um die Erreichbarkeit von Lebensmittelgeschäften gehen, sondern auch um die Versorgung mit Hausärzten und Fachärzten.